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Urteil gegen Putin-Kritiker Nawalny

Roman Goncharenko18. Juli 2013

Ein politisch motiviertes Verfahren, ein Schlag gegen die Opposition: In Deutschland kritisieren Politiker und Experten scharf das Urteil gegen den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny zu fünf Jahren Haft.

Alexej Nawalny im Gerichtssaal der russischen Stadt Kirow (Foto: REUTERS)
Alexej Nawalny im Gerichtssaal der russischen Stadt KirowBild: Reuters

Das Urteil gegen den russischen Blogger und Oppositionellen Alexej Nawalny hat in Deutschland parteiübergreifend Kritik ausgelöst. "Für uns ist es ein weiterer Beleg für eine autoritäre Politik, die Vielfalt und Pluralismus in Russland nicht zulässt", sagte Andreas Schockenhoff, Russland-Beauftragter der Bundesregierung, gegenüber der DW. Nawalny sei für die Machthaber im Kreml gefährlich geworden, so der CDU-Bundestagsabgeordnete.

Gernot Erler von der SPD sprach von einem "schlechten Tag für Russland". Das Urteil gegen Nawalny mache deutlich, "dass die Politik der Kriminalisierung der Opposition weiter geht", sagte der Bundestagsabgeordnete. Erler sprach von einem fragwürdigen Gerichtsverfahren, das zu einer "Enthauptung der Opposition" geführt habe.

Gernot Erler: Politik der Kriminalisierung der Opposition geht in Russland weiterBild: DW/S. Padori

Auch Experten sehen das Urteil kritisch. "Die Vermutung liegt nahe, dass das Ganze eine politische Aktion war", sagte Eberhard Schneider vom EU-Russland-Zentrum in Brüssel der DW. Peter Schulze von der Universität Göttingen sprach von einem "politisch motivierten Prozess".

Fünf Jahre Straflager

Das Gericht in der russischen Stadt Kirow verurteilte am Donnerstag (18.07.2013) den oppositionellen Blogger Alexej Nawalny zu fünf Jahren Haft in einem Straflager. Damit blieb das Gericht ein Jahr unter der Forderung der Anklage. Nawalny wurde für schuldig befunden, 2009 den staatlichen Holzbetrieb "Kirowles" um umgerechnet 400.000 Euro geprellt zu haben. Der 37-Jährige bestreitet alle Vorwürfe und spricht von einem politischen Prozess. Der Richter Sergej Blinow wies solche Anschuldigungen zurück. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Nawalnys Anwälte kündigten Berufung an.

Nawalny ist einer der bekanntesten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Seit Jahren veröffentlicht er in seinen Blogs Enthüllungen über Korruption russischer Beamten. In seinem Schlusswort während des Prozesses kündigte Nawalny an, das "feudale Machtsystem" in Russaland mit Putin an der Spitze beseitigen zu wollen.

Kein Kandidat mehr

Für deutsche Politiker und Experten handelt es sich hier um politisch Justiz. Auf die Frage der DW, ob der verhaftete Alexej Nawalny ein politischer Häftling sei, antwortete der SPD-Politiker Erler: "Ich kann es nicht anders ausdrücken." Kurzfristig habe man Nawalny als Kandidaten bei der Bürgermeisterwahl in Moskau am 8. September schwächen wollen, meint Eberhard Schneider vom EU-Russland-Zentrum. Nawalny habe zwar keine Chance, diese Wahl zu gewinnen, könnte aber den amtierenden Bürgermeister zu einer Stichwahl zwingen, meint der Experte. Nach dem Urteil hat Nawalnys Stab die Kandidatur bei der Bürgermeisterwahl zurückgezogen.

"Mittel- und langfristig heißt es, dass Nawalny als Kandidat diskreditiert ist, er kann dann bei keiner anderen Wahl in Russland mehr antreten, auch nicht bei einer Präsidentenwahl", sagte Schneider. Vorbestrafte dürfen in Russland bei Wahlen nicht kandidieren. Im Frühling hatte Nawalny angekündigt, bei der nächsten Wahl des Präsidenten 2018 antreten zu wollen.

Schlag gegen Opposition

Es gibt auch andere Hinweise, die aus Sicht deutscher Politiker für einen politisch motivierten Prozess sprechen. "Das Verfahren gegen Nawalny wurde in dem Moment auf den Weg gebracht, als er nicht nur öffentlich an Demonstrationen teilnahm, sondern in seinem Blog Fälle von Korruption aufgedeckt hat und systematisch die Verquickung des Kremls in Korruption und Begünstigung aufgedeckt hat", sagte der CDU-Politiker Schockenhoff.

Andreas Schockenhoff: Nawalny deckte die Verquickung des Kremls in Korruption und Begünstigung aufBild: picture-alliance/dpa

Nawalny beschuldigte den russischen Präsidenten in einem Interview, das Verfahren gegen ihn persönlich in Auftrag gegeben zu haben. Experten verweisen darauf, dass Nawalny derzeit keine Gefahr für den Machthaber im Kreml darstelle. Das Urteil sei daher in die Zukunft gerichtet. "Das sind präventive Schläge gegen die sogenannten natürlichen Führer von sozialen Protestbewegungen", sagte Peter Schulze von der Universität Göttingen.

Eine solche Taktik des Kremls werde jedoch keinen Erfolg haben, so der Experte. Sein Kollege Eberhard Schneider sieht es ähnlich: "Ich glaube nicht, dass die Opposition geschwächt wird." Die oppositionelle Bewegung werde mehrheitlich von der Mittelschicht getragen. "Die sind intelligent genug, um Dinge beurteilen zu können", sagte Schneider. Er rief deutsche Politiker auf, die russische Mittelschicht stärker zu unterstützen. 

Belastung für Beziehungen zum Westen

Das Urteil gegen Nawalny dürfte die Beziehungen Russlands zum Westen weiter belasten, obwohl eine Steigerung hier kaum möglich scheint. "Mehr belastet können sie gar nicht sein, als sie im Augenblick sind", sagte Peter Schulze.

Seit 2012 kritisieren die Europäische Union und die USA immer wieder das Vorgehen der russischen Justiz gegen zivilgesellschaftliche Aktivisten. Das Urteil gegen die politische Punkband "Pussy Riot" oder schärfere Regeln für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) - westliche Länder zeigen sich besorgt über die innerpolitischen Entwicklungen in Russland. "Wir haben im Moment eine vereiste Atmosphäre in den europäisch-russischen, aber vor allem auch in den deutsch-russischen Beziehungen", sagte Peter Schulze von der Universität Göttingen. Der Experte glaubt, dass sich Russland-Kritiker nach dem Urteil gegen Nawalny bestätigt fühlen werden. Er rechnet damit, dass das Klima in den Beziehungen noch frostiger wird.

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