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Deutsche Luftschläge gegen IS?

Gero Schließ20. September 2014

Während Außenminister Steinmeier im UN-Sicherheitsrat den Kampf gegen die IS-Miliz unterstützt, wächst in den USA die Kritik an Deutschland: Mancher fordert einen größeren Beitrag - bis hin zu Bodentruppen im Irak.

Bundesaußenminister Steinmeier (Archivbild: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Keine 24 Stunden bleibt Frank-Walter Steinmeier dieses Mal in New York. Der deutsche Außenminister ist in der Stadt, um an der Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats zur Bedrohung durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) teilzunehmen. Das höchste UN-Gremium ist sich schnell einig: Die internationale Gemeinschaft soll die Regierung in Bagdad "bei der Wahrung von Sicherheit und der Bekämpfung des Terrorismus" unterstützen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

Miodrag Soric in New York zur Sitzung des Weltsicherheitsrats

01:45

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"Wir müssen handeln", ruft auch Steinmeier in die Runde, die von seinem US-Kollegen John Kerry geleitet wird. In einem eiligen Rundumschlag fordert er mehr humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge, will den Zustrom ausländischer Kämpfer begrenzen, unterstützt die neue irakische Regierung, erwähnt den UN-Gesandten für Syrien und vergisst nicht, die deutschen Waffenlieferungen für die kurdischen Milizen hervorzuheben.

Mehr als Waffenlieferungen

Doch ob das reicht? In den USA ist Einigen der deutsche Beitrag zum Kampf gegen den Islamisten-Terror viel zu klein: "Es gibt eine zunehmend größere Erwartungshaltung", sagt Michael Werz vom Center for American Progress der Deutschen Welle. "Wenn man hier in Washington mit Leuten spricht, dann ist schon die Erwartung da, dass sich die Deutschen idealerweise längerfristig an den Luftschlägen beteiligen".

Die Bundeswehr liefert den Kurden unter anderem PanzerabwehrraketenBild: REUTERS/Thomas Peter

Glaubt man Werz, der in der Obama-Administration bestens vernetzt ist, erwarten die Amerikaner von den Deutschen auch, "die syrische Opposition substanziell zu unterstützen, wenn es darum geht, sie zu trainieren und mit Waffen auszurüsten und letztlich auch dazu beizutragen, die irakische Armee in eine Situation zu bringen, in der sie erfolgreich Widerstand gegen ISIS leisten kann". Das geht weit über die Lieferung von Waffen an die kurdischen Milizen hinaus.

Deutsche Binnenperspektive

Bei einer Pressebegegnung kurz vor seiner Rede im Sicherheitsrat beteuert Steinmeier auf Nachfrage der Deutschen Welle, dass ihm von weitergehenden Erwartungen der Amerikaner nichts bekannt sei. "Es ist im Gegenteil so, dass das, was wir geleistet haben, nicht nur anerkannt wird, sondern, glaube ich, in der Größenordnung noch über dem liegt, wozu sich andere Länder bisher entschlossen haben. Insofern habe ich jetzt von keinen weiteren Erwartungen an uns gehört", sagt er.

"Es ist interessant zu beobachten, dass die Diskussion in Deutschland ganz anders geführt wird als in den USA", analysiert Michael Werz. "Die deutsche Binnenperspektive hat manchmal sehr wenig zu tun mit dem, wie die Diskussionen außerhalb geführt werden. Was in Deutschland wie ein großer Schritt aussieht, ist, wenn man sich das Ausmaß der Krise ansieht und auch die geographische Nähe zu Deutschland, ein kleiner Schritt gewesen".

Deutsche Soldaten im Irak?

Auch aus Sicht von William Drozdiak dürften sich die Amerikaner nicht mit den deutschen Waffenlieferungen für die Kurden zufrieden geben, selbst wenn die Bundesregierung damit eine lange verfolgte Selbstbeschränkung aufgegeben hat. Für den früheren Berliner Bürochef der Washington Post und heutigen Präsidenten des Washingtoner Thinktanks Atlantic Council on Germany ist es sehr wahrscheinlich, dass weiter diskutiert wird, ob die Vereinigten Staaten Spezialeinheiten im Irak einsetzen. Der zuerst von der Washington Post und dann von anderen amerikanische Medien ausgemachte Dissens zwischen Präsident Obama und vielen Militärs im Pentagon ist alles andere als ausgeräumt.

US-Außenminister John Kerry über Bagdad: Die USA schauen besorgt auf den IrakBild: Reuters/B. Smialowski

Während der Präsident noch bei seiner Linie bleibt und den Bodeneinsatz amerikanischer Soldaten im Irak ausschließt, hält sich General Dempsey, der oberste amerikanische Soldat, demonstrativ diese Option offen. "Im Fall, dass das geschieht, würden die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich hoffen und erwarten, dass Deutschland wie die anderen auch dazu beiträgt", sagt Drozdiak. Der ausgewiesene Deutschlandkenner hat die Reden von Bundespräsident Joachim Gauck und Außenminister Steinmeier noch gut im Ohr, in denen sie sich zu einer selbstbewussteren deutschen Außenpolitik bekannten. Mit einem verstärkten Engagement in den gegenwärtig drängendsten Krisen könnte Deutschland "sein Versprechen wahrmachen, künftig mehr Verantwortung zu übernehmen".

Nicht erwachsen

Michael Werz vom Center for American Progress blickt weit in die Geschichte zurück, um zu erklären, warum die Amerikaner zunehmend ungeduldig werden. "Aus amerikanischer Perspektive waren die Deutschen 40 Jahre lang unter amerikanischem nuklearen Schutzschild, der zudem steuerfinanziert war". Sie hätten damit den geschützten Raum gehabt, um ihr Wirtschaftswunder zu organisieren und zu einer großen Exportmacht zu werden.

Nur in ihrem strategischen und militärischen Denken seien sie noch nicht erwachsen geworden, kritisiert Werz: "Man muss sich vergegenwärtigen, dass bis auf den heutigen Tag die deutschen und europäischen Ölinteressen im Golf nicht von europäischen, sondern von amerikanischen Schiffen gesichert werden. Jetzt gibt es eine Erwartung, dass Europa stärker eigenverantwortlich tätig wird."

Militäraktionen nicht alles

Die Deutschen verweisen allerdings an solchen Punkten in der Diskussion immer darauf, dass Militäraktionen nicht alles seien. So jetzt auch Außenminister Steinmeier in New York: "Wir werden uns selbstverständlich in die weiteren politischen Anstrengungen einschalten, weil es am Ende natürlich nicht nur um Luftschläge und Luftunterstützung geht, auch nicht nur um Waffenlieferungen". Es gehe um eine umfassende politische Strategie, sagt er.

Der Sicherheitsrat will die IS-Miliz stoppenBild: picture alliance/abaca

Diplomatisch könnte Deutschland sein guter Draht zum Iran von Nutzen sein. Das Land nimmt bei der Bekämpfung des Islamischen Staates eine Schlüsselstellung ein. Die vom Iran unterstützten schiitischen Milizen im Irak erwiesen sich anders als die offizielle irakische Armee als robust im Kampf gegen IS. "Ich denke, der deutsche Dialog mit Iran ist wichtig", sagt denn auch William Drozdiak. "Die Deutschen haben eine sehr aktive Botschaft in Teheran. Ich denke, wenn wir die Krise bewältigen wollen, muss es eine Art von Kooperation mit dem Iran geben." Er verweist darauf, dass Irans Außenminister nächste Woche auch in New York bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen sein werde.

Deutsche Diplomatie mit Iran

Bei allen Schwierigkeiten, die der Westen gegenwärtig bei den Nukleargespräche mit dem Iran habe - "und ich weiß, worüber ich rede" - ist Außenminister Steinmeier "gleichwohl der Meinung, dass wir bei dem Versuch, der Bedrohung durch die IS Herr zu werden, alle Nachbarn des Irak in die internationalen Anstrengungen einbinden sollten".

Hier kündigt sich ein Dissens mit den Amerikanern an, für die das "deutsches Wunschdenken" ist. "Die iranische Führung hat ja gerade ganz deutlich gemacht, dass es keine Alternative gibt aus deren Perspektive, mit den Vereinigten Staaten und anderen europäischen Staaten zusammenzuarbeiten", wendet Michael Werz ein. Insofern sollte man da keine falschen Hoffnungen wecken, sondern sich mit den anderen europäischen Staaten darauf konzentrieren, was die Kernsubstanz der westlichen Allianz, nämlich Frankreich, England, Deutschland und die Vereinigten Staaten, gemeinsam tun kann, um den Irak zu stabilisieren und die Krise in Syrien einzudämmen."

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