Luftwaffe - mit Flugzeugen, aber ohne Piloten
6. September 2019Mit ohrenbetäubendem Getöse steigen sie in den Himmel auf. Im Minutenabstand dröhnen drei Eurofighter hintereinander über die flimmernde Startbahn in Rostock-Laage. Alltag beim Luftwaffenstützpunkt. Bis zu 20 mal am Tag starten Eurofighter von hier aus - zu Übungsflügen und zur Sicherung des deutschen Luftraums.
Laage ist so etwas wie der Vorzeigestandort der deutschen Luftwaffe. Das Luftwaffengeschwader ist der Ausbildungsstandort für Eurofighter-Piloten. Nach der fliegerischen Grundausbildung im Ausland wird hier die Praxis geprobt - in der Luft und am Boden.
Einsatzfähige Kampfjets - aber keine Piloten
Der stellvertretende Leiter des Luftwaffengeschwaders, Jan Gloystein, ist stolz auf "seinen" Fliegerhorst. Doch er hat ein gravierendes Problem: "Mir fehlen die Piloten." Derzeit hat er 23. "Es fehlen mir 20." Als Grund nennt er ein "Aufwuchsproblem" bei der Luftwaffe; zu wenig Bewerber also.
An anderen Standorten der Luftwaffe sieht es nicht anders aus. Nur rund Zwei-Drittel der Kampfpilotstellen sind besetzt, heißt es alarmierend im letzten Bericht des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (SPD).
In einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP hieß es kürzlich, allein im ersten Halbjahr 2018 hätten sechs Piloten gekündigt. In den fünf Jahren zuvor waren es insgesamt nur elf. Es locken offenbar die lukrativen Gehälter in der Zivilluftfahrt. Der Absturz zweier Eurofighter Ende Juni hat das Image der Luftwaffe als Arbeitgeber zusätzlich beschädigt. Ein anderer Grund für fehlenden Nachwuchs war lange Zeit der Mangel an Flugpraxis bei der Bundeswehr, weil flugbereite Maschinen fehlten.
Luftwaffe am Tiefpunkt
Noch vor rund einem Jahr hatte der damals neue Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, Alarm geschlagen: "Die Luftwaffe befindet sich an einem Tiefpunkt." Viele seiner Kampfjets seien nicht einsatzbereit, Ersatzteile der Industrie nicht verfügbar, die Inspektion eines Eurofighters dauere oft länger als ein Jahr. Vollkommen unakzeptabel, hatte Gerhartz damals geklagt.
Beim Luftwaffengeschwader "Steinhoff" jedenfalls hat sich seitdem einiges verbessert. Der Aufschrei von Gerhartz hat offenbar bei Politik und Industrie Eindruck hinterlassen. Oberstleutnant Jan Gloystein jedenfalls versichert, dass jetzt 70 Prozent seiner 24 Eurofighter einsatzfähig für die Ausbildung seien. Nur bei den älteren Modellreihen fehle es manchmal an Ersatzteilen; ansonsten sei die Versorgung gut. Es ist absurd: War es früher ein Mangel an flugbereiten Maschinen, fehlen der Luftwaffe heute die Piloten. Ein Problem, das die Bundeswehr noch Jahre beschäftigen dürfte.
Die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer könne ruhig mal Werbung für den Pilotenjob machen: "Wir sind nämlich nicht nur die Lärmbelästiger", sagt Gloystein.
Hoffnung auf einen Geldsegen und neue Flugsimulatoren
Fliegen kann man in Laage auch vollkommen lärmfrei - in einem der zwei "Full Mission"-Flugsimulatoren. Die Simulatoren stehen in großen kuppelähnlichen Hallen. Es sind Originalcockpits eines Eurofighters mit allen Armaturen und Anzeigen. Auf die Rundumleinwand wird die Landschaft projiziert, der Himmel, die blasse Sonne, der Angreifer. Alles verblüffend echt. Stolz behaupten die Trainer, dass es das beste System weltweit sei. 29 Experten, 16 von ihnen ehemaliger Fluglehrer, betreuen die Ausbildung am Simulator.
Nach NATO-Vorschriften müssen Bundeswehrpiloten 180 Flugstunden pro Jahr nachweisen. 40 davon dürfen im Simulator absolviert werden. Nur rund 58 Prozent der deutschen Piloten erfüllen derzeit diese Anforderungen der NATO-Reaktionsbereitschaft. In Laage will man bald Abhilfe schaffen - unter anderem mit zwei neuen Flugsimulatoren, die im kommenden Jahr angeschafft werden sollen, damit kritische Situationen in der Luft noch besser geübt werden können. Bei der Luftwaffe setzen sie voll und ganz auf Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer. Die habe ja versprochen, sich für mehr Geld für die Bundeswehr einzusetzen.