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Deutsche Mittelständler blicken auf Indien

Katja Keppner
26. Mai 2017

Wenn Indiens Premierminister Modi auf Kanzlerin Merkel trifft, geht es ums Geschäft. Neben den großen Konzernen blickt vor allem der deutsche Mittelstand mit Spannung auf die deutsch-indischen Regierungskonsultationen.

Indien Angela Merkel & Narendra Modi
Bild: Getty Images/AFP/M. Kiran

Gut gelaunt steht Bernhard Steinrücke, der Geschäftsführer der deutsch-indischen Handelskammer, an diesem Nachmittag vor den Reportern in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi. Vor sich auf dem Tisch eine zwölfseitige Präsentation mit Tabellen, Graphiken und Diagrammen. Sie soll gleich dem deutschen Botschafter überreicht werden und enthält vor allem eine Nachricht: Die von der hindu-nationalistischen Partei BJP geführte Regierung unter Premierminister Narendra Modi tut dem Investitionsklima gut.

Nicht zuletzt aufgrund einer Wachstumsprognose von mehr als sieben Prozent investierten immer mehr deutsche Firmen in den indischen Markt, so Steinrücke. Indien gilt derzeit als die am schnellsten wachsende Wirtschaft weltweit. Bislang sind nach den Angaben der deutschen Außenhandelskammer 1800 deutsche Firmen im Land aktiv. Tendenz steigend. "Indien ist das Land, in dem man als deutscher Investor jetzt sein muss", erklärt er, "die Regierungskonsultationen sind ein sehr guter Anlass, noch einmal darauf hinzuweisen, was für ein großes Potenzial Indien gerade jetzt für deutsche Firmen hat."

Korruption und Stromausfälle

Die indische Regierung will Investoren anlocken. Mit dem Slogan "Make in India" sollen sie in Indien produzieren. Vor allem, um dadurch Arbeitsplätze zu schaffen. In Indien ist jeder Zweite der 1,3 Milliarden Menschen jünger als 25 Jahre. Diese Bevölkerungsentwicklung könnte zu einer echten Gefahr werden - wenn die Jungen keine Perspektive bekommen. Das weiß auch Premierminister Modi. Die indische Botschaft in Berlin stellt beispielsweise mit ihrer Initiative "Make in India Mittelstand" Berater, die deutschen Mittelständlern durch den indischen Behördendschungel helfen sollen, um dadurch den Eintritt in den Milliardenmarkt zu erleichtern.

In Indien leben mehr als 500 Millionen Menschen, die jünger als 25 Jahre sind Bild: AP

Doch Kapital und Firmen ins Land zu holen ist das Eine. Das Geschäft in Indien am Laufen zu halten, etwas ganz Anderes. "Für kleinere Unternehmen wie uns, die bereits im Land waren, hat sich unter Modi nicht besonders viel verändert. Er sorgt vor allem dafür, dass die großen Firmen kommen", meint Rüdiger Schröder. Er leitet das Indien-Geschäft des deutschen Mittelständlers Kärcher vor den Toren Neu-Delhis. "Bis zu zehnmal täglich fällt hier immer noch der Strom aus", erklärt er. An ein Geschäft ohne Dieselgeneratoren, die einspringen wenn der Strom ausfällt, sei so auch nach drei Jahren Modi nicht zu denken. Zwar merke er, so Schröder, dass die Regierung mehr in Infrastruktur investiere. Überall werde gebaut, es entstünden neue Straßen oder Brücken, die den Transport leichter machten. Ein Großteil der Anstrengung seiner 300 Mitarbeiter in den zwölf Niederlassungen im ganzen Land gehe aber vor allem dafür drauf, Zollfragen an den Grenzen zwischen den einzelnen Bundesstaaten zu klären. Bis also Staubsauger, Hochdruckreiniger oder Ersatzteile die insgesamt 160 Händler im ganzen Land erreichten, sei viel Geduld erforderlich.

"In Indien hat man für alles einen Mittelsmann. Der ist dazu da, die bürokratischen Hürden zu organisieren und eine Lösung zu finden. Wie er das macht, will keiner wissen", erklärt Schröder. Er drückt sich hier lieber diplomatisch aus, immerhin hat die Regierung Modi den Kampf gegen Korruption zur höchsten Priorität erklärt. Wie viele seiner Kollegen im Land hofft er auf die neue einheitliche Gesamtverbrauchssteuer, die "Goods and Services Tax" (GST), die von Anfang Juli an gelten und vor allem den Transport von Waren im Land erleichtern soll.

Der Metro-Konzern eröffnete 2008 seinen ersten Cash-and-Carry-Markt in Indien in der bengalischen Metropole KolkataBild: DESHAKALYAN CHOWDHURY/AFP/Getty Images

Langsamer als in China

Mit der Umstellung auf die neue Steuer ist auch Thomas Hegenberg von der Firma Giesecke und Devrient beschäftigt. G&D Indien stellt unter anderem Sim- und Kreditkarten her und beliefert indische Banken mit Geräten, die Falschgeld erkennen. Ein lukratives Produkt in einem Land, das gerade eine rigorose Bargeldreform hinter sich hat, die neben Schwarz- vor allem Falschgeld aus dem Verkehr ziehen sollte. "Auch nach der Einführung der neuen GST-Steuer, bleibt der Aufwand enorm hoch, ein Ersatzteil von Mumbai nach Delhi zu bekommen", erklärt Geschäftsführer Hegenberg. Trotzdem geht er davon aus, dass nach anfänglichem Chaos kein Weg an diesem neuen Besteuerungssystem vorbei führt.

Er fing quasi mit Modi an, erzählt Hegenberg. Da er zuvor 15 Jahre lang für G&D in China tätig war, fällt es ihm schwer, die beiden Standorte nicht miteinander zu vergleichen. "In China hat man ein Stück Land bekommen, durfte loslegen und konnte sich darauf verlassen, dass der Staat für Strom und Straßen sorgt." In Indien, so Hegenberg, sei das alles viel komplizierter und vor allem langsamer. Da brauche es manchmal Jahre, um überhaupt geklärt zu bekommen, wem das Land gehöre. "Es ist natürlich viel schwerer in einer Demokratie Dinge durchzusetzen", fügt der Chef von etwa 700 Mitarbeitern indienweit dazu.

Bürokratie, Steuern und Zölle

Nach einer kürzlich durchgeführten Studie der Unternehmensberatung Dr. Wamser und Batra sehen sich zwei von drei Unternehmen in Indien grundsätzlich auf Wachstumskurs und blicken optimistisch in die Zukunft. Auf der anderen Seite ist darin auch zu lesen, dass "nur wenige der befragten Mittelständler ihre eigenen Umsatzziele in Indien auch wirklich erreichen konnten".

Überschwemmungen nach Tropenstürmen sind in Chennai keine SeltenheitBild: Getty Images/AFP/Str

Als Ursachen gaben die Unternehmen zu viel Bürokratie, den preissensitiven Markt und die Billigkonkurrenz aus Asien an. Auf Platz Nummer drei stünden Probleme im interkulturellen Bereich, wie zum Beispiel unterschiedliche Mentalitäten der Deutschen und Inder, so die Studie.

Kultursensitive Personalführung

"Grundsätzlich sind auch wir optimistisch, dass Modi den richtigen Weg geht. Vielleicht hat er aber nicht immer die richtigen Leute, um Probleme zu beseitigen und die Reformen intern durchzusetzen", erklärt Christian Wiese. Er leitet von Singapur aus das Indien-Geschäft des deutschen Prüfmaschinenherstellers Zwick Roell. In Indien hat der Mittelständler 35 Mitarbeiter. Auch wenn Modi dem Investitionsklima gut tue, bilde Indien bei den Rahmenbedingungen für Unternehmen im asienweiten Vergleich immer noch das klare Schlusslicht, so Wiese.

Um manchen Problemen von vornherein anders zu begegnen, leistet sich Zwick Roell seit drei Jahren einen eigenen indischen Personalmanager. "Manchmal telefoniert der bis tief in die Nacht mit unseren indischen Mitarbeitern", erklärt Wiese. Beispielsweise als ein Hochwasser in der Stadt Chennai, dem Sitz der Firmenzentrale von Zwick Roell, die Häuser einiger Angestellter unbewohnbar machte und sie Hilfe brauchten. "Die Erwartungshaltung gegenüber einem Arbeitgeber ist in Indien eine andere", erklärt Wiese. "Feiertage oder Hochzeiten eines Familienangehörigen, all das muss in die Planungen mit einbezogen werden."

 

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