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Deutsche Rüstungsindustrie findet Kunden in Südostasien

David Hutt
23. Mai 2025

Die südostasiatischen Länder betrachten nicht mehr ausschließlich die USA und Russland als ihre Sicherheitspartner. Das nützt den deutschen Rüstungsherstellern.

Bundesverteidigungsminister wird am Flughafen von Manila mit militärischen Ehren begrüßt, Mai 2024
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius in Manila, Mai 2024Bild: Soeren Stache/dpa/picture alliance

Deutschland und die Philippinen sind sich einig. In diesem Monat haben sich beide Länder darauf verständigt, ihre Verteidigungsbeziehungen zu stärken und gemeinsame Aktivitäten, einschließlich der Wiederaufrüstung, zu intensivieren. Das neue deutsch-philippinische Abkommen wird die Zusammenarbeit auf die Bereiche Cybersicherheit, Rüstung, Logistik und Friedenssicherungsaufgaben ausweiten.

Um ihre Sicherheitsvereinbarungen zu diversifizieren, setzen neben den Philippinen auch andere südostasiatische Staaten zunehmend auf Europa. Zugleich gehen sie auf diese Weise auf Distanz zu ihren traditionellen Partnern wie den USA oder Russland.

Philippinen: Suche nach neuen Partnern

Mitte Mai unterzeichneten der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein philippinischer Amtskollege Gilberto Teodoro in Berlin die entsprechende "Vereinbarung über die Verteidigungskooperation".

In den letzten zwölf Monaten haben die Philippinen eine Reihe neuer Verteidigungsabkommen abgeschlossen, darunter eine Vereinbarung mit Neuseeland im April. In Manila gehen politische Beobachter davon aus, dass ihre Regierung noch in diesem Jahr ein ähnliches Verteidigungsabkommen mit Kanada unterzeichnen werde.

Insgesamt legen die Philippinen ein hohes Tempo vor. Im Dezember ging Manila auf eine Militärkooperation mit Japan ein. In Kürze wird sie mit Frankreich über gegenseitigen Truppenbesuch verhandeln. Das soll die Stationierung französischer Truppen auf philippinischen Stützpunkten ermöglichen. Vorbild ist eine ähnliche Vereinbarung zwischen den Philippinen und den USA.

Wachsende Distanz zu China und den USA

Für dieses Tempo bestehen aus Sicht Manilas vor allem zwei Gründe. Zum einen wachsen im asienpazifischen RaumZweifel an den US-Sicherheitsgarantien unter der Regierung von Präsident Donald Trump.

 

Zum anderen werfen die Philippinen und viele andere südostasiatische Staaten China vor, mit seiner Marineflotte aggressiv im Südchinesischen Meer vorzugehen. Die Philippinnen klagten 2013 vor dem Ständigen Schiedshof in Den Haag gegen Chinas Machtansprüche in den umstrittenen Gewässern. 2016 gab der Schiedshof der Regierung in Manila in fast allen Punkten Recht. Allerdings China kündigte später an, dieses Urteil nicht zu akzeptieren. 

2024 entsandte Deutschland zwei Kriegsschiffe der Bundeswehr in den Indopazifik und demonstrierte damit Berlins Engagement für die Freiheit der Schifffahrt.

Im Februar wurden Deutschland und die Türkei als Beobachterstaaten in das ASEAN-Verteidigungsministertreffen (ADMM) aufgenommen, das wichtigste Verteidigungsforum des südostasiatischen Staatenbundes.

Chinesische Kriegsschiffe umringen ein Boot der philippinischen Küstenwache im Oktober 2023 Bild: Adrian Portugal/REUTERS

Konkurrenz um Aufträge

Neben Verteidigungsabkommen streben die südostasiatischen Staaten auch eine Diversifizierung ihrer Waffenlieferanten an. Im vergangenen Jahr genehmigten die Philippinen ein 35 Milliarden US-Dollar schweres Programm zur Modernisierung ihrer Streitkräfte. Unter anderem sollen erstmals U-Boote gekauft werden. Bislang haben mehrere Werften Angebote eingereicht, so etwa das südkoreanische Unternehmen Hanwha Ocean, die französischen Naval Group, die spanische Navantia sowie ein Joint Venture zwischen der italienischen Fincantieri und der deutschen ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS). Die Entscheidung steht noch aus.

Der Kaufvertrag mit Singapur ist dagegen schon in den trocknen Tüchern. Der deutsche Marineschiffbauer TKMS  erhielt den Zuschlag für den Bau von zwei weiteren U-Booten des Typs 218SG. Der asiatische Stadtstaat hatte 2013 und 2017 jeweils zwei von diesem konventionell angetriebenen U-Boot bestellt. Dieses Modell ist extra für Singapur entwickelt, deswegen die Abkürzung SG. Zwei davon waren bereits in Dienst worden, zwei weitere befinden sich derzeit noch in der Testphase.

Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums genehmigte Deutschland im vergangenen Jahr Waffenverkäufe an Singapur im Wert von 1,2 Milliarden Euro.

Deutsche Waffenexporte nach Südostasien 

Weitere Länder in Südostasien gehören zu den Kunden deutscher Rüstungshersteller. 2024 lieferte Deutschland vier leichte Mehrzweckhubschrauber des Types EC-145 vom europäischen Gemeinschaftsunternehmen Airbus Helicopters an Indonesien. Thailand erhielt vom deutschen Rüstungskonzern Diehl Defence Luft-Luft-Raketen der Baureihe IRIS-T für ihre Luftwaffe.

Die Fregatte "Baden-Württemberg" nahm im vergangenen Jahr an der Marine-Übung RIMPAC im Indopazifik teil.Bild: Nico Theska/Bundeswehr/dpa/picture alliance

Derzeit erwägt auch Vietnamden Kauf weiterer europäischer Waffen, vor allem aus Frankreich. Am kommenden Sonntag (25.05.) wird der französische Präsident Emmanuel Macron zu einer Südostasienreise nach Vietnam aufbrechen. Zugleich macht er auch Station in Indonesien und Singapur, wo er beim Shangri-La-Dialog, Asiens wichtigstem Sicherheitsgipfel, eine Grundsatzrede halten wird.

Anfang des Monats trafen indonesische Truppen in Italien ein, um an zwei FREMM-Fregatten zu trainieren, die eine Verdrängung von mehr als 6.000 Tonnen haben. Indonesien hatte 2021 insgesamt sechs Fregatten beim italienischen Schiffsbauer Fincantieri bestellt. Drei werden in Italien gebaut, drein in Indonesien. Nun soll die erste dieser Fregatten im Juni an Indonesien ausgeliefert werden.

"So genannte Multi-Alignment-Strategien sind derzeit auf dem Vormarsch, da sie gut auf die volatile und unbeständige Weltpolitik reagieren", sagt Alexander Vuving vom Asia-Pacific Center for Security Studies in Honolulu, im DW-Gespräch. Durch die "mehrfache Ausrichtung" wollen die Länder des globalen Südens ihre Allianzen mit den großen Weltmächten ausweiten. Somit können sie sich
von den ideologischen Zwängen der Vergangenheit befreien, um geopolitische Risiken zu verringern.

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"Die südostasiatischen Länder beobachten derzeit die Rivalität zwischen den USA und China. Aus ihrer Sicht stellen europäische Staaten wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien gute Alternativen dar", so Vuving weiter. Würden die Europäer ihre gegenwärtig schwierigen Beziehungen zu Russland auf der einen und den USA auf der anderen Seite meistern, könnten sie zu einem bedeutenden Waffenlieferanten für Südostasien werden.

Europäische Länder "gut aufgestellt"

Die europäischen Länder seien "gut aufgestellt", um ihre Rüstungsverkäufe in die Region zu steigern, sagt Ian Storey vom ISEAS-Yusof Ishak Institute in Singapur der DW, nach dem Einbruch der russischen Waffenexporte. Dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut (SIPRI) zufolge sind russische Waffenexporte seit der groß angelegten Invasion auf die Ukraine 2022 infolge internationaler Sanktionen um 64 Prozent zurückgegangen.

Vietnam, auf das fast alle Einfuhren russischer Waffen nach Südostasien entfallen, sucht deswegen nach alternativen Lieferanten und wird auf Europa aufmerksam.

Exportware: Produkte des deutschen Rüstungsherstellers Heckler & Koch, hier auf einer Fachmesse in Nürnberg im März 2025Bild: Dwi Anoraganingrum/Panama Pictures/picture alliance

"Nischenanbieter" aus Deutschland

Allerdings befänden sich europäische Rüstungsunternehmen in einem "harten Wettbewerb" mit traditionellen Lieferanten wie den USA und neuen Akteuren wie Südkorea und der Türkei, sagt Storey. "Insbesondere Südkorea ist in Südostasien auf Erfolgskurs." 2023 gehörte Südkorea zu den zehn größten Waffenexporteuren der Welt. Die Regierung in Seoul will das Land bis 2027 zum viertgrößten Waffenexporteur machen.

Ein größeres Problem sei weniger die globale Nachfrage als die begrenzte Produktionskapazität deutscher Hersteller, sagt Zachary Abuza vom National War College in Washington der DW.

Angesichts der russischen Bedrohung des Kontinents, des anhaltenden Krieges in der Ukraine und des schwachen Engagements der Trump-Administration für die europäische Sicherheit könne sich Abuza allerdings nicht vorstellen, "dass die deutsche Rüstungsindustrie auf dem südostasiatischen Rüstungsmarkt mehr als ein Nischenanbieter wird."

Maschinengewehre und andere Kleinwaffen des deutschen Rüstungsunternehmen Heckler & Koch (H&K) könnten eine Ausnahme sein, so Abuza. Doch die deutsche Rüstungsindustrie müsse auch in Europa und bei anderen NATO-Verbündeten eine enorme Lücke füllen. "Ich sehe keine Überkapazitäten für weitere Exportgeschäfte."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp

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David Hutt Journalist mit Fokus auf die Beziehungen zwischen Europa und Südostasien@davidhuttjourno