Deutsche Regierung spricht mit Taliban über Abschiebungen
18. September 2025
Auch wenn es heftige Kritik von zahlreichen Hilfsorganisationen und Oppositions-Politikern gibt: Die Bundesregierung hat einen Bericht der Zeitung "Bild" bestätigt, wonach Gesandte von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) mit Abgesandten der in Afghanistan herrschenden Islamisten der "Taliban" Gespräche über Abschiebungen aus Deutschland führen. Dobrindt sagte der "Deutschen Presse Agentur" (dpa) : "Wir wollen reguläre und regelmäßige Rückführungen nach Afghanistan ermöglichen." Es gebe dazu Gespräche "mit afghanischen Vertretern".
Wie im politischen Berlin berichtet wurde, haben sich Anfang September Vertreter der Bundesregierung mit Abgesandten der Taliban in der katarischen Hauptstadt Doha getroffen, um über einen regulären Mechanismus für Abschiebungen zu sprechen. Vertreter Katars würden, wie in vielen anderen Fällen üblich, als Vermittler dienen.
Offiziell keine Kontakte zwischen Deutschland und Afghanistan
Die Gespräche mit den Taliban sind nicht nur politisch hoch umstritten, sie finden auch in einer diplomatisch sehr komplexen Situation statt. Eigentlich bestehen zwischen Deutschland und dem heutigen Afghanistan offiziell so gut wie keine Kontakte. Die Bundesrepublik erkennt die Taliban nicht an.
Während sich die afghanische Botschaft in Berlin und das Konsulat in Bonn strikt weigern, mit den Taliban zu kooperieren, arbeitet das Konsulat in München mit den Taliban zusammen. Die radikalen Islamisten hatten im August 2021 die Macht in dem Land übernommen. Die Bundeswehr war zuvor nach jahrzehntelanger Präsenz in dem Land am Hindukusch überstürzt abgezogen. In Afghanistan ist die Lage für viele Menschen äußerst gefährlich, es kommt zu schwersten Menschenrechtsverletzungen, von denen vor allem Frauen betroffen sind.
Außenpolitisch gefährlich nannte die Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg von den oppositionellen Grünen in der "Tageszeitung" (taz) die Gespräche mit dem afghanischen Terrorregime über Abschiebungen: "Diese Art von Diplomatie mit den Taliban legitimiert Terror und Unterdrückung und verrät jene, die sich mit uns für ein demokratisches Afghanistan eingesetzt haben."
Und noch ein weiteres Detail der Afghanistan-Politik der neuen Regierung erregt die Gemüter in Berlin: Das Bündnis aus Konservativen (CDU/CSU) und Sozialdemokraten (SPD) hatte im Koalitionsvertrag im Frühjahr beschlossen, die zahlreichen Aufnahmeprogramme für bedrohte Menschen aus Afghanistan möglichst rasch und umfassend zu beenden.
Dabei hatten die beiden Vorgängerregierungen vor allem sogenannten Ortskräften und ihren Familien zugesagt, eine großzügige Aufnahme in Deutschland in die Wege zu leiten. Ortskräfte sind etwa Dolmetscher, die lange für die deutschen Soldaten tätig waren und nun fürchten müssen, den Zorn der Taliban auf sich zu ziehen. Auch andere Gruppen wie Menschenrechts-Aktivisten oder Kulturschaffende bekamen solche Zusagen.
Hitzige Debatte über die Aufnahmeprogramme im Bundestag
In der vergangenen Woche debattierte der Deutsche Bundestag in Berlin über deren Lage. Der Abgeordnete Detlev Seif (CDU) sagte, er könne sich gut erinnern, dass der Plan, bedrohte frühere Helfer der Deutschen aufzunehmen, damals auf einen breiten Konsens aller demokratischen Parteien getroffen sei.
Allerdings habe sich die Zahl der dann aufgenommenen Menschen dramatisch erhöht: "Zunächst habe ich eine Zahl von 900 gehört, und dann mit dem Faktor Drei, also Familienangehörigen. Also am Anfang gingen wir von drei- bis viertausend Personen aus. Im Fokus standen da nämlich Ortskräfte, die in einem sicherheitsrelevanten Bereich unterwegs waren und von denen man tatsächlich davon ausgehen konnte, dass ihnen nach dem Machtwechsel nicht nur Repressalien, sondern auch Verfolgung drohte." Mittlerweile sei aber rund 45.000 Menschen eine Aufnahmezusage gemacht worden, rund 38.000 seien tatsächlich mittlerweile in Deutschland.
Vorwurf der Grünen: Rechtsbruch durch Bundesregierung
In einem verzweifelten Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz forderten einige von denen, die trotz Aufnahmezusage der früheren Regierungen aus Pakistan wieder nach Afghanistan abgeschoben wurden, doch noch nach Deutschland kommen zu können. Im Bundestag sagte Schahina Gambir von den oppositionellen Grünen zu den Menschen in Pakistan : "Etwa 2450 Betroffene warten auf die ihnen versprochene Rettung. Und trotzdem setzt die Bundesregierung das nicht um. Das ist Rechtsbruch mit Ansage."
Hakan Demir von der Regierungspartei SPD setzte sich dafür ein, eine Aufnahme der Menschen großzügig zu prüfen: "Die wussten, dass sie für Ihre Werte angegriffen werden können - von den Taliban, vom IS, von anderen Extremisten. Mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 haben sie nicht nur ihre Hoffnung auf ein freies Afghanistan verloren, sie haben ihre Heimat verloren."
Früherer Chef der Aufnahmestelle im Innenministerium ist empört
Besonders prekär ist die Lage von Geflüchteten in Pakistan, denen eine Abschiebung zurück nach Afghanistan droht. Einige der bereits früher ausgesprochenen Zusagen, nach Deutschland kommen zu können, will die neue Regierung nun noch einmal prüfen.
Das ärgert den früheren Chef der Koordinierungsstelle im Bundesinnenministerium, Tilmann Röder. Er sagte dem ARD-Magazin Panorama: "Die Forderung, jeden Einzelfall erneut zu prüfen, ist ein Affront gegenüber allen Beteiligten am Programm. Gegenüber der Koordinierungsstelle und ihren Mitarbeitern, aber auch und insbesondere gegenüber den deutschen Behörden, die jeden Fall genau durchleuchtet haben."
Mitte August wurde bekannt, dass Pakistan erstmals 34 Menschen nach Afghanistan ausgewiesen hat, die eigentlich auf ihren Flug nach Deutschland warteten. Mittlerweile hat es nach Angaben der deutschen Regierung rund 250 Abschiebungen gegeben. Insgesamt sollen mehr als 600 Personen in Pakistan festgenommen worden sein.
Einige Verwaltungsgerichte entschieden, dass Deutschland seine Aufnahmezusagen einhalten muss. Der Druck auf die Bundesregierung stieg, so dass Anfang September rund 50 Afghaninnen und Afghanen nach langer Wartezeit nach Deutschland kommen konnten. Sie landeten auf dem Flughafen in Hannover. Wann es zu weiteren Flügen kommen kann, ist derzeit unklar.