Deutsche Schuldenbremse adé: Berlin macht Rekordschulden
24. Juni 2025
Marode Straßen, einstürzende Brücken, Schulen und Universitäten, in denen es durchregnet, Züge, die zu spät kommen oder ausfallen, kein flächendeckendes, schnelles Internet - in Deutschland gehört das zum Alltag. Doch das soll sich ändern, und zwar rasch.
"Wir wollen, dass die Bagger jetzt schnell rollen", sagte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) bei der Vorstellung seiner Haushaltsplanung in Berlin.
Das Bundeskabinett hat am Dienstag (24.6.) den Haushaltsentwurf für 2025, Eckwerte für das Jahr 2026 und die grobe Finanzplanung bis 2029 beschlossen. Außerdem ein Gesetz, mit dem ein schuldenfinanziertes Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz geschaffen werden soll.
Kehrtwende in der Haushaltspolitik
Investitionen in die Infrastruktur spielen in Zukunft eine herausragende Rolle. Allein für dieses Jahr sind im Etatentwurf 115 Milliarden Euro vorgesehen. "Unser Land ist an vielen Stellen kaputtgespart worden, der Investitionsstau ist groß", so Klingbeil, der auch Vizekanzler und SPD-Chef ist.
Die Sanierung der Infrastruktur soll auch helfen, die schwache Wirtschaft wieder anzukurbeln. Dazu kommen massiv erhöhte Ausgaben für die Verteidigung.
Die Finanzplanung der neuen Regierung markiert eine Kehrtwende in der deutschen Haushaltspolitik. Im November 2024 war die alte Regierung am Streit um die Finanzierung des Haushalts zerbrochen. Im Februar 2025 wurde neu gewählt, jetzt regieren CDU/CSU und SPD zusammen. Das Problem der leeren Staatskassen lösen sie, indem sie bislang ungeahnte Kreditsummen aufnehmen.
Noch vor ihrem Amtsantritt hatten sich die Koalitionäre im Bundestag mit Zustimmung der Grünen ein gigantisches Finanzpaket für die kommenden Jahre bewilligen lassen. 500 Milliarden Euro für Investitionen in die marode Infrastruktur. Für die Aufrüstung der Bundeswehr und die Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands gibt es praktisch kein Kreditlimit mehr.
Andere Länder sind viel höher verschuldet
Was das konkret bedeutet, zeigen die Pläne, die Klingbeil 49 Tage nach dem Amtsantritt der neuen Regierung nun vorgelegt hat. Für dieses Jahr sind Ausgaben von 503 Milliarden Euro geplant, davon sollen rund 143 Milliarden Euro aus Krediten finanziert werden. In den kommenden Jahren soll sich die Schuldenaufnahme noch erhöhen. Insgesamt sind für die kommenden Jahre neue Schulden in Höhe von 847 Milliarden Euro vorgesehen.
Das sind beispiellose Rekordwerte, doch der Vizekanzler verteidigt sie nachdrücklich. Deutschland habe eine Schuldenquote von 63 Prozent seiner Wirtschaftsleistung und liege damit deutlich unter anderen Ländern, deren Verschuldung teilweise mehr als 100 Prozent betrage.
Kritik an der Schuldenbremse
Nichts sei teurer als der Stillstand der letzten Jahre, betont Klingbeil. "Anders als für so manchen meiner Amtsvorgänger ist es für mich kein besonderer Wert, wenn ich das Geld behalte und es nicht ausgeben kann, wenn ich merke, dass im Land nichts vorangeht", kritisiert er das Festhalten früherer Finanzminister an der Schuldenbremse.
Die ist im Grundgesetz verankert und sieht eigentlich vor, dass der Staat nur so viel Geld ausgeben darf, wie er einnimmt. Um das kreditfinanzierte Investitionsprogramm und die Ausweitung der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen, musste daher das Grundgesetz geändert werden.
Zehn Prozent des Haushalts für Zinsen ausgeben
Die NATO-Staaten haben sich darauf geeinigt, mittelfristig fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu investieren, davon 3,5 Prozent in klassische Militärausgaben. Klingbeil will dieses Ziel möglichst schnell erreichen.
Nach seiner Planung soll sich der deutsche Verteidigungshaushalt bis zum Jahr 2029 schrittweise mehr als verdoppeln - auf 152,8 Milliarden Euro. Das wären dann 3,5 Prozent. Deutschland müsse "abschreckungs- und verteidigungsfähig" sein, sagt Klingbeil.
Die Schattenseite der hohen Neuverschuldung ist ein Anstieg der Zinsbelastung. Für 2029 rechnet das Finanzministerium mit einer Zinslast von fast 62 Milliarden Euro. Das wäre doppelt so viel wie für 2025 erwartet. Legt man die Finanzplanung der Bundesregierung zugrunde, dann müssten 2029 zehn Prozent des Haushalts für Zinsen aufgebracht werden.
Wo kann gespart werden?
Die Zinskosten allein sind Grund genug, um in den kommenden Jahren über Sparmaßnamen im regulären Haushalt nachdenken zu müssen. Konsolidierung sei fester Bestandteil seiner Planung, so Klingbeil. Dazu kommt, dass die 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, die 2022 nach dem russischen Überfall auf die Ukraine beschlossen wurden, 2027 aufgebraucht sein werden.
Der Anteil der Verteidigungsausgaben am normalen Haushalt wird dann deutlich steigen. Das lässt wenig Spielraum für andere Ausgaben. Scharfe Kritik kommt diesbezüglich von der Linkspartei, die im Bundestag in der Opposition ist. Die Menschen in den Städten und Gemeinden brauchten "keine Panzer, sondern funktionierende Kitas, Busse und eine bezahlbare Energiewende", so ein Kommentar aus der Partei.
Weniger Geld für Soziales und Klimaschutz?
Kritik kommt auch von Sozialverbänden. Die Diakonie kritisierte die nach ihrer Ansicht zu geringen "Investitionen in die soziale Infrastruktur und die soziale Sicherheit". Zur inneren und äußeren Sicherheit gehörten auch "Armutsbekämpfung, die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, die Pflege von alten und kranken Menschen, Teilhabe von Menschen mit Behinderung, Integration von Geflüchteten sowie sozial-gerechter Klimaschutz", betonte der evangelische Wohlfahrtsverband.
Die Grünen, im Bundestag in der Opposition, stoßen sich vor allem daran, dass aus den 100 Milliarden Euro, die im Investitionspaket für Klimaschutz vorgesehen sind, unter anderem eine Senkung der Energiepreise finanziert werden soll. Klimaschutz verkomme im Haushalt zu einer Randnotiz, heißt es von den Grünen.
Harte Debatten erwartet
Der Haushaltsentwurf 2025 geht jetzt in den Bundestag, wo er noch vor der Sommerpause in den Ausschüssen und im Plenum erstmals debattiert und wohl an manchen Stellen auch noch geändert wird. Im September soll er beschlossen werden. Das Parlament hat in Deutschland die Hoheit über das Budget.
Finanzminister Lars Klingbeil arbeitet unterdessen am Entwurf für 2026, den er am 30. Juli im Kabinett vorlegen will. Ab September wird dieser Etat ebenfalls im Bundestag debattiert und Ende November beschlossen werden.