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Deutsche Soldaten in der Ukraine? Noch eine Phantomdebatte

22. August 2025

Noch ist unklar, wie und ob in der Ukraine ein belastbarer Frieden erreicht werden kann. In Deutschland sorgt jedoch schon jetzt die Frage nach einer Beteiligung der Bundeswehr an Friedenstruppen für Kontroversen.

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Am 18. August in Washington: US-Präsident Donald Trump empfängt unter anderen Frankreichs Präsidenten Macron und Bundeskanzler Friedrich Merz Bild: Alexander Drago/REUTERS

Kommt es bald zu einem Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj, wie es von US-Präsident Donald Trump angeregt worden ist? Und wenn sich die beiden tatsächlich auf einen Weg einigen können, wie zunächst ein Waffenstillstand und dann ein Frieden in der Ukraine möglich sein kann, was wird dann die Rolle Deutschlands dabei sein? Im Moment gibt es auf diese Fragen noch keine Antworten – dennoch sorgt das Thema im politischen Berlin für Debatten.

Eine deutsche Phantomdebatte

Deutsche Politiker streiten nämlich seit Tagen über eine Frage, die noch gar nicht zur Entscheidung ansteht: Wenn sich Russland und die Ukraine einigen, entsendet dann auch Deutschland Soldaten für eine mögliche Friedenstruppe? Dass sich Selenskyj überhaupt auf ein Gespräch mit Putin einlässt, ist wohl nur denkbar, wenn die Ukraine von vornherein Sicherheitsgarantien bekommt. Und das könnte bedeuten, dass eine    international zusammengestellte Truppe im Land selbst darüber wacht, dass es nicht zu erneuten Kampfhandlungen kommt.   Deutschland könnte dabei kaum fehlen, erst recht nicht, wenn Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wie zuletzt auf eine starke deutsche Stimme bei internationalen Konflikten pocht. Dazu passt, dass US-Vize-Präsident Vance  im Fernsehsender "Fox News" klar gemacht hat, dass Europa den "Löwenanteil" übernehmen müsse bei vorstellbaren Sicherheitsgarantien. Wie unsicher der ganze Plan aber ist, zeigt die Reaktion aus Moskau. Der russische Außenminister Sergej Lawrow bezeichnet eine Stationierung von europäischen Streitkräften in der Ukraine als "völlig inakzeptabel."

Friedrich Merz in Washington: Der Bundeskanzler lehnt eine mögliche deutsche Beteiligung an Friedenstruppen nicht ab Bild: Aaron Schwartz/MediaPunch/IMAGO

Mehrheit gegen deutsche Soldaten in der Ukraine

Und auch in Deutschland selbst scheint festzustehen: Leicht wird es für Merz nicht, eine Zustimmung zu einer solchen Truppe zu erhalten. Der Koalitionspartner, die Sozialdemokraten, warnen vor überhasteten Plänen: SPD-Chef Lars Klingbeil  sagte dem Sender Sat.1, es sei gut, wenn es jetzt zu ernsthaften Gesprächen kommen könne. Natürlich brauche die Ukraine die Sicherheit, nicht mehr angegriffen zu werden, aber: "Dazu gehört zuallererst eine starke ukrainische Armee. Und dann werden wir gucken, was noch gemacht werden kann. Aber ob es deutsche Soldaten sind oder nicht, diese Frage stellt sich gerade nicht." Das sehen offenbar auch die Menschen in Deutschland so. Bei einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von "web.de" sprachen sich 51 Prozent der Befragten gegen die deutsche Beteiligung an einer Friedensmission in der Ukraine aus. Lediglich 36 Prozent der Befragten würden das richtig finden.

Außenminister Johann Wadephul in Jakarta im Gespräch mit der Leiterin des DW-Hauptstadtstudios, Rosalia Romaniec: "Auf dem Schlachtfeld geht alles weiter."Bild: DW

Zurückhaltung bei Wadephul, eher Zustimmung bei Merz

Eher vorsichtig äußerte sich auch Außenminister Johann Wadephul, der wie Merz zu den Konservativen von der CDU zählt.   Auf einer Reise nach Indonesien und Japan sorgte Wadephul für Schlagzeilen, als er im Podcast "Table.Today" sagte, ein Einsatz in der Ukraine würde Deutschland "voraussichtlich auch überfordern". Schon die im Aufbau befindliche Bundeswehr-Kampf-Brigade in Litauen  mit etwa 5000 Soldaten beschäftige die Bundeswehr massiv. Im späteren Verlauf der Reise zeigte sich Wadephul dann im Interview mit der DW skeptisch, ob es überhaupt zu Friedensgesprächen kommen könne: "Alle warten jetzt darauf, das Waldimir Putin wirklich ernsthaft bereit ist, über eine Beendigung dieses Krieges Gespräche zu führen. Auf dem Schlachtfeld sieht es bedauerlicherweise immer noch völlig anders aus."

Deutschland überfordert, bevor es überhaupt losgeht? Beim Treffen von Trump mit Selenskyj und diversen europäischen Spitzen-Politikern hatte Kanzler Merz vor gut einer Woche noch anders geklungen: Zum möglichen Friedensprozess sagte er, dass "wir daran auch als Bundesrepublik Deutschland ein hohes Interesse und eine hohe Verantwortung haben, uns zu beteiligen. Das ist für mich klar." Aber natürlich müsse das dann auch in der Koalition beraten werden, "bis hin zu der Frage, ob wir hier möglicherweise mandatspflichtige Beschlüsse zu fassen haben." Für einen Einsatz der Bundeswehr im Ausland ist jedes Mal ein Beschluss des Bundestages nötig.

Im Mai diesen Jahres in Vilnius: Aufstellung der Bundeswehrbrigade für Litauen. Hätte die Bundeswehr noch die Kraft auch für eine Friedenstruppe in der Ukraine? Bild: Ints Kalnins/REUTERS

Große Skepsis vor allem im Osten Deutschlands

Wahrscheinlich aufgeschreckt durch diese recht mutige Äußerung des Kanzlers melden sich mittlerweile fast täglich Politiker zur Idee eines Truppeneinsatzes in der Ukraine zu Wort. Die meisten skeptisch bis ablehnend, fast alle mit dem Zusatz, dass der Zeitpunkt der Entscheidung darüber noch in weiter Ferne liege. Ganz besonders vehement wenden sich konservative Politiker aus dem Osten Deutschlands gegen den Plan. Denn dort lehnen sowohl links- wie rechtsgerichtete Parteien wie die Linken und die in Teilen rechtsextreme "Alternative für Deutschland" (AfD)   solche Gedankenspiele ab. Auch deshalb sagte der CDU-Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer: "Dass deutsche Soldaten in der Ukraine kämpfen, darf kein Thema sein." Ganz anders klang da der Chef der konservativen Jugendorganisation "Junge Union", Johannes Winkel. Er sagte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND: "Wir können doch nicht auf der einen Seite sagen, dass unsere Abhängigkeit vom US-Militär reduziert und Europa endlich erwachsen werden muss, und auf der anderen Seite die Verantwortung verweigern, wenn es zum ersten Mal konkret wird."

Nur wann es konkret wird, weiß im Moment eben niemand. Und vielleicht ist auch ein mögliches Treffen zwischen Putin und Selenskyi entweder Teil einer großen Show, oder sogar gefährlich für die Ukraine, wie der langjährige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, fürchtet.  Schon nach dem Treffen Putins mit US-Präsident Trump in Alaska schrieb Ischinger auf der Plattform X: "Es gibt kein einziges Indiz dafür, dass Präsident Putin bereit ist, diesen Krieg im Augenblick zu beenden." Und weiter zu einem Treffen des ukrainischen und des russischen Präsidenten: "Ich kann mir hier eigentlich nur ein Horrorszenario ausdenken." Das Treffen würde nicht zu einer Lösung führen, sondern von Putin genutzt werden, um Zeit zu gewinnen. Um dann weiter Krieg zu führen. Eine Ansicht, die nicht wenige deutsche Politiker teilen. Die Frage nach Einsatz einer Friedenstruppe - sie würde sich dann nicht mehr stellen.

Wadephul: Zweifel an Putins Verhandlungsbereitschaft

14:22

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