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Politik

Deutsche sollen Ukraine sofort verlassen

19. Februar 2022

Die Bundesregierung verschärft ihre Reisewarnung für das Land. Bundeskanzler Olaf Scholz warnt Russland abermals eindringlich vor einem Angriff auf die Ukraine.

Bundeskanzler Olaf Scholz spricht auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2022
Olaf Scholz reicht dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nochmals die Hand zum DialogBild: Tobias Hase/dpa/picture alliance

Das Auswärtige Amt in Berlin hat seine bereits geltende Reisewarnung für die Ukraine verschärft. "Deutsche Staatsangehörige werden dringend aufgefordert, das Land jetzt zu verlassen."

Hieß es zuvor noch: "Eine militärische Auseinandersetzung ist nicht auszuschließen", so lautet die Formulierung nun, eine solche sei "jederzeit möglich". Zugleich warnt die Bundesregierung, im Falle eines russischen Angriffs auf die Ukraine seien "die Möglichkeiten zur Unterstützung deutscher Staatsbürger sehr begrenzt".

Lufthansa setzt Flüge nach Kiew aus

Die Lufthansa teilte derweil mit, die ukrainische Hauptstadt Kiew werde von Montag an "vorerst bis Ende Februar" nicht mehr angeflogen. Gleiches gelte für die Küstenstadt Odessa, erklärte ein Unternehmenssprecher. Lediglich das westukrainische Lwiw (Lemberg) in der Nähe der polnischen Grenze stehe weiterhin regulär auf dem Flugplan. Die Entscheidung betrifft alle Fluggesellschaften der Lufthansa Group, also auch Austrian Airlines, Swiss, Brussels Airlines und Eurowings.

Mit Blick auf eine drohende Eskalation hieß es weiter, die Lufthansa beobachte die Situation "ständig", und sie werde "zu einem späteren Zeitpunkt über weitere Flüge entscheiden". Die Sicherheit der Fluggäste und Besatzungsmitglieder habe "zu jeder Zeit oberste Priorität".

"So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein"

In der Krise um die Ukraine hatte Bundeskanzler Olaf Scholz zuvor den russischen Präsidenten Wladimir Putin ein weiteres Mal mit Nachdruck zu Verhandlungen aufgerufen. "So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein - das ist der Anspruch", sagte Scholz bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Der Aufmarsch von weit mehr als 100.000 russischen Soldaten rings um die Ukraine sei durch nichts gerechtfertigt, betonte der Kanzler. Russland habe die Frage einer möglichen NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zum casus belli - zum Kriegsgrund - erhoben. "Das ist paradox, denn hierzu steht gar keine Entscheidung an", so der SPD-Politiker weiter.

Eine militärische Aggression gegen die Ukraine wäre ein schwerer Fehler, fügte Scholz hinzu. "Und wir wollen, dass es dazu nicht kommt." Bei den Gesprächen mit der Führung in Moskau müsse allerdings zwischen unhaltbaren Forderungen Russlands und legitimen Sicherheitsinteressen unterschieden werden.

"Seid ehrlich": der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf der MSCBild: Thomas Kienzle/AFP/Getty Images

Für nicht verhandelbar erklärte Scholz das Recht auf freie Bündniswahl, also auch die prinzipielle Möglichkeit für die Ukraine, der NATO beizutreten. "Gleichzeitig gibt es Sicherheitsfragen, die für beide Seiten wichtig sind. Allen voran Transparenz bei Waffensystemen und Übungen, Mechanismen zur Risikovermeidung oder neue Ansätze zur Rüstungskontrolle."

Selenskyj: "Irgendjemand lügt hier"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verlangte von der NATO eine ehrliche Antwort darauf, ob sein Land überhaupt Mitglied werden könnte. "Wenn uns nicht alle da sehen wollen, dann seid ehrlich", sagte er - ebenfalls auf der MSC - in Anspielung auf die nötige Einstimmigkeit unter den NATO-Mitgliedern. "Wir brauchen ehrliche Antworten." Niemand solle aber glauben, dass die Ukraine ein permanenter Puffer zwischen dem Westen und Russland bleiben könne.

Selenskyj begann seine Rede mit einem Blick auf die widersprüchlichen Darstellungen der Krise: "Die Ukraine sehnt sich nach Frieden, Europa sehnt sich nach Frieden. Die Welt sagt, dass sie keinen Krieg möchte, während Russland sagt, es wolle nicht angreifen. - Irgendjemand lügt hier."

Falls es zu einer größeren Invasion komme, werde die ukrainische Armee das Land mit oder ohne internationale Hilfe gegen Russland verteidigen. Mit Blick auf westliche Waffenlieferungen ergänzte der Präsident, diese seien keine "Spenden", vielmehr ein Beitrag für die europäische und internationale Sicherheit.

"Russland missachtet UN-Charta"

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte Russland in ihrer Rede eine Missachtung der Charta der Vereinten Nationen vorgeworfen. Im Gründungsvertrag der UN heiße es, dass sich die Länder "jeder Androhung oder Anwendung von Gewalt, die gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet ist, enthalten", so von der Leyen in München.

Heute schaue die Welt nun aber "ungläubig zu, wie auf europäischem Boden die größten Truppenverbände seit den dunkelsten Tagen des Kalten Krieges zusammengezogen werden". Sie hielt Moskau den "unverhohlenen Versuch" vor, die Regeln der internationalen Ordnung umzuschreiben. Die 44 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer seien "Tag für Tag mit Aggression und Einmischung von außen konfrontiert".

Robustes Sanktionspaket

Für den Fall eines Einmarschs in die Ukraine drohte von der Leyen der russischen Führung abermals mit Strafmaßnahmen. Die EU und ihre transatlantischen Partner arbeiteten weiter an einem robusten Paket finanzieller und wirtschaftlicher Sanktionen, auch in Sachen Energie und Spitzentechnologie. "Wenn der Kreml einen Krieg anzettelt, wird das hohe Kosten und schwerwiegende Konsequenzen für Moskaus Wirtschaftsinteressen haben", warnte die Kommissionspräsidentin.

Neben der russischen kritisierte von der Leyen auch die chinesische Politik. Für beide Regierungen stehe "das Recht des Stärkeren über der Rechtsstaatlichkeit, die Einschüchterung über der Selbstbestimmung, der Zwang über der Zusammenarbeit", sagte sie.

Harris: Europäische Sicherheit unmittelbar bedroht

US-Vizepräsidentin Kamala Harris rief die Verbündeten in der Ukraine-Krise zur Geschlossenheit auf. Die Grundlage der europäischen Sicherheit sei in der Ukraine unmittelbar bedroht, sagte Harris bei der Sicherheitskonferenz. Sie sprach dort nach Kanzler Scholz und erstmals auf großer politischer Bühne in Europa.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris bei der Münchner Sicherheitskonferenz Bild: Tobias Hase/dpa/picture alliance

In zwei Weltkriegen sei ein Konsens entstanden, wonach Ordnung statt Chaos und Sicherheit statt Konflikt zu suchen seien, sagte Harris. Völker und Nationen hätten das Recht, ihre Regierungsform und Bündnisse zu wählen. Nationale Grenzen dürften nicht mit Gewalt verändert werden. 

Russland und sein Truppenaufmarsch im Grenzgebiet zur Ukraine sind beherrschendes Thema der internationalen Sicherheitskonferenz in München. Im Westen wird befürchtet, dass Putin einen Einmarsch in das Nachbarland plant und eine Ausweitung des Konflikts auf NATO-Staaten drohen könnte. Russland weist Angriffsabsichten immer wieder zurück.

se/jj/qu (phoenix, dpa, rtr, afp)

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