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Politik

Zwischen Misstrauen und Demokratisierung

Alexander Kauschanski
10. November 2019

Parteinahe deutsche Stiftungen im Ausland sind ein weltweit einzigartiges Modell. Sie werben für Demokratie und gesellschaftliche Verständigung. In Russland stehen sie unter kritischer Beobachtung.

Stiftungen in Russland
Bild: DW/A. Kauschanski

Ein kleines erlesenes Publikum hat sich im Moskauer Museum für moderne Kunst versammelt. Es sind überwiegend junge Leute, die über "Anthropologie von Infrastrukturen" in Russland diskutieren. Es geht um russische Straßen, die niemanden gehören und riesige Brückenbauprojekte, die kaum praktischen Nutzen haben. Es fallen Begriffe wie post-marxistisch, kolonial und dysfunktional.

Dann mahnt Nuria Fatikhova: "Wir sollten uns daran erinnern, dass nicht alle Menschen hier im Land diese Diskussion führen. Wir sind eine kleine, privilegierte Gruppe in einem der wohlhabendsten Viertel Moskaus, die eine elitäre Debatte führt." Als Projektmitarbeiterin des Moskauer Büros der Heinrich-Böll-Stiftung richtet die junge Frau die Veranstaltung aus.

"Natürlich sind wir uns bewusst, dass wir nicht alle erreichen", erzählt Fatikhova im Büro der Böll-Stiftung. Die Organisation versuche allerdings, zu verschiedenen sozialen Gruppen Kontakt auszubauen, "anstatt nur auf die Arbeiterschaft, Mittelschicht oder Eliten zu schielen".

Fragen stellen statt Antworten geben

Die den Grünen nahestehende Stiftung setzt in Russland auf die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. "Wir sind nicht interessiert daran, eng mit der Regierung zusammenzuarbeiten", sagt Fatikhova. "Stattdessen ist uns das Graswurzelprinzip sehr wichtig."

Nuria Fatikhova von der Heinrich-Böll-Stiftung: "Das Graswurzelprinzip ist wichtig"Bild: DW/A. Kauschanski

Fatikhova wuchs in Usbekistan und der russischen Industriestadt Tscheljabinsk auf. Sie lebte in Deutschland und arbeitete als Journalistin in Moskau. Ihre Teilnahme an den regierungskritischen Protesten im Winter 2012 haben sie politisiert, sagt sie. "Danach wollte ich einen Arbeitsplatz, an dem ich gesellschaftlich aktiv sein konnte."

Demokratie braucht politische Bildung

Die Heinrich-Böll-Stiftung ist eine von sechs in Russland vertretenen Stiftungen. Ein Büro in Moskau haben auch die Stiftungen, die der SPD, der Links-Partei, der FDP und den beiden Unionsparteien nahestehen. Jeder im Bundestag vertretenen Partei steht eine ihr angegliederte Stiftung zu, die aus Steuergeldern finanziert wird. Alle Stiftungen vertreten die Werte ihrer Partei, arbeiten aber unabhängig von ihr. Die rechtspopulistische AfD ist bisher nicht in Moskau vertreten.

Als Denkfabriken sollen die Stiftungen zur politischen Bildung beitragen. Sie veröffentlichen Studien zu politischen Themen, fördern Studierende und laden zu Diskussionen ein. Die Leiter der Auslandsbüros kommen aus Deutschland, die Projektmitarbeitenden sind meistens ortsansässig.

Weltweit ist das deutsche Modell einzigartig. Es ist unter anderem eine Reaktion auf die Nazi-Zeit. "Das immense Unrechtsregime hat uns gezeigt: Demokratische Gesellschaften brauchen politische Bildung", erklärt Johannes Voswinkel. Der Leiter des Moskauer Büros der Heinrich-Böll-Stiftung arbeitete lange als Journalist in Russland.

Johannes Voswinkel, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Moskau: "Große Fragen global lösen"Bild: DW/A. Kauschanski

"Über die Aufklärung im Inland hinaus brauchen wir auch Verständigungsarbeit im Ausland", sagt Voßwinkel. Gewissermaßen seien die deutschen Organisationen in Moskau ein Völkerverständigungsprojekt.

Argwöhnische russische Behörden

Seit den späten 1990er Jahren ist die Heinrich-Böll-Stiftung in Russland aktiv. Sie widmet sich Ökologie, Geschlechterdemokratie und Menschenrechten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Aufarbeitung der Verbrechen unter Stalin. Mit einer feministischen Expertenplattform möchte sie mehr Frauen in politische Diskussionsrunden bringen.

Viele ihrer Projekte riefen gerade an staatlicher Stelle Misstrauen hervor. "Wir nehmen keinen politischen Einfluss", erläutert Voswinkel. "Aber große Fragen wie der Klimawandel beschäftigen die gesamte Menschheit und sind nur global zu lösen."

"Natürlich hat das Agentengesetz von 2012 unseren Partnern eine erhebliche Verschlechterung gebracht", sagt Voswinkel. Russische Organisationen, welche politisch arbeiten und Geld aus dem Ausland erhalten, werden seitdem als "ausländische Agenten" eingestuft. Das ist zwar kein Verbot, aber eine Stigmatisierung, die jedes Engagement erschwert. "Einige Partner sind uns so verloren gegangen."

Das schränke die Tätigkeit der Heinrich-Böll-Stiftung allerdings nicht ein, so Voswinkel. "Unsere Arbeit ist geleitet von der Überzeugung, dass ein demokratisches Russland langfristig ein stabilerer, engerer und friedlicherer Partner für Deutschland und die EU wäre."

Entscheidungsträger ansprechen

Seit kurzem leitet Thomas Kunze wieder das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Moskau. Er schätzt die Stiftungen als "einzigartiges Instrument der Außenpolitik". Denn anders als die Botschaften erreichten sie nicht nur offizielle Ansprechpartner, sondern auch andere Zielgruppen, die ihrer "ideologischen Ausrichtung nahestehen".

Thomas Kunze ist Moskauer Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung: "Gemeinsam in die Zukunft schauen"Bild: DW/A. Kauschanski

Kunze stand bereits zwischen 2005 und 2007 dem Moskauer Büro vor. Bei seiner Rückkehr im Sommer 2019 erwartete er in dem derzeitigen politischen Klima einen kühleren Empfang. "Ich war absolut überrascht, wie groß das Interesse an unserer Arbeit in Russland ist", sagt er heute. "Auch von Seiten der Politik."

Seine Organisation trage dabei eine große Verantwortung. "Es ist kein Geheimnis, dass unsere Stiftung der CDU als Regierungspartei nahesteht. Daher haben wir mit unserer Arbeit im Ausland immer ein besonderes Gewicht."

"Uns ist wichtig, mit Entscheidungsträgern ins Gespräch zu kommen", sagt Kunze. "Wir dürfen nicht von vornherein sagen, dass die Arbeit mit Politik und Parteien für uns nicht in Frage kommt." Er wird nicht müde zu betonen, die Adenauer-Stiftung sei zu Gast in Russland. "Wir besprechen hier Themen mit unseren Partnern. Ohne Austausch können wir keine gemeinsamen Visionen entwickeln."

Geschützes Forum

Sein Büro plant dafür mit französischen und russischen Partnern eine Konferenz zur Außen- und Sicherheitspolitik. "Nach den vielen Verwerfungen zwischen Russland und der EU müssen wir heute Themen diskutieren, die ohne Russland nur schwer zu lösen sind."

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Zu den Aktivitäten der Adenauer-Stiftung gehört ein jährlicher Austausch zwischen den höchsten Richtern aus Russland und Deutschland. "Weil die Veranstaltung ohne Publikum stattfindet, wird dort kein Blatt vor den Mund genommen", freut sich Kunze. Weil die Organisation einer christlichen Partei nahesteht, pflegt sie auch enge Verbindungen zur russisch-orthodoxen Kirche.

Kunzes Vision: "Wir möchten mit unserer Arbeit und unseren Projekten dazu beitragen, dass Russland und Deutschland sich als Freunde und Partner in einem gemeinsamen Haus Europa verstehen. Bei allen Differenzen müssen wir gemeinsam in die Zukunft schauen."

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