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PolitikEuropa

Deutsche Ukraine-Hilfe: Vom BSW unter Druck gesetzt

27. September 2024

Das Bündnis Sahra Wagenknecht macht ein Ende der deutschen Ukraine-Unterstützung zur Bedingung für Regierungskoalitionen. Das bringt CDU und SPD in Bedrängnis.

Eine Frau im Wintermantel gestikuliert am Rednerpult, davor steht "Diplomatie statt Waffenlieferungen"
Sahra Wagenknecht fordert seit langem ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine, hier Anfang 2023 bei der Kundgebung "Aufstand für den Frieden" Bild: Marc Vorwerk/SULUPRESS.DE/picture alliance

Die Sozialdemokraten und die konservative CDU in Deutschland haben ein Problem: In drei Bundesländern im Osten, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wurde kürzlich gewählt, und überall gab es das gleiche Ergebnis: Hohe Zugewinne sowohl für die rechte Alternative für Deutschland (AfD) als auch für das neugegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Was AfD und BSW eint, ist der Widerstand gegen die deutsche Ukraine-Unterstützung. Beide wollen, dass sich Deutschland für Frieden zwischen Russland und der Ukraine einsetzt, auch wenn das auf Kosten der Ukraine geht. Die SPD-geführte Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz und die CDU-Opposition wollen dagegen Kiew militärisch in ihrem Abwehrkampf gegen Russland stärken – mit offenem Ende.

Ginge es bei dem Thema nur um die Auseinandersetzung mit der AfD, wäre das für CDU und SPD weniger schlimm: Mit der AfD will niemand eine Regierung bilden. Aber eine Mehrheit gegen die AfD ist in allen drei Bundesländern nur möglich, wenn das BSW mit im Koalitionsboot ist. Und das Bündnis beharrt auf seiner Forderung: gemeinsame Koalitionen nur, wenn sich die Landesregierungen für Friedensverhandlungen mit Russland aussprechen.

Es gibt keine brandenburgische Außenpolitik

Dabei ist die Ukraine-Hilfe eigentlich überhaupt kein landespolitisches Thema. Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte jetzt spöttisch, Brandenburg habe bisher kein eigenes Außen- und Verteidigungsministerium, "und das wird auch in der nächsten Landesregierung so sein".

Sowohl das BSW als auch die AfD haben sich im Wahlkampf als Friedensparteien präsentiertBild: Sascha Steinach/IMAGO

Der Politikwissenschaftler Henning Hoff von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik verweist im Gespräch mit der DW auf Umfragen, nach denen selbst unter BSW-Anhängern das Thema Ukraine-Unterstützung bei der Wahlentscheidung nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Von daher kommt er zu dem Schluss: "BSW-Forderungen in diese Richtung stehen auf schwachen Füßen und sind völlig überzogen, wenn nicht anmaßend."

Alarm in Berlin nach BSW-Forderung

Trotzdem wird sich Ministerpräsident Woidke in Brandenburg mit den Forderungen des BSW auseinandersetzen müssen, so wie auch sein sächsischer Kollege Michael Kretschmer von der CDU und der thüringische CDU-Chef und wahrscheinliche künftige Ministerpräsident des Bundeslandes, Mario Voigt. Sie alle brauchen das Bündnis Sahra Wagenknecht, um eine Regierungsmehrheit ohne die AfD zusammenzubekommen.

Ein möglicher Regierungspartner BSW in den Bundesländern, der die deutsche Ukraine-Politik radikal ablehnt - das alarmiert auch die Bundespolitik. CDU-Parteichef Friedrich Merz stellt klar: "An unserer Haltung wird sich auch durch das Erstarken von AfD und BSW nichts ändern. Wenn die Ukraine fällt, wird die Freiheit ganz Europas massiv beschädigt."

So nehmen manche AfD und BSW wahr: Ein Wagen des diesjährigen Mainzer Karnevals zeigt die AfD-Ko-Vorsitzende Alice Weidel (l.) und Sahra Wagenknecht, die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin gesteuert werdenBild: Michael Probst/AP/picture alliance

Noch weiter geht der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich  Kiesewetter. Bereits kurz vor den Landtagswahlen schrieb er der DW, seine Partei solle dem BSW in Fragen der Ukraine-Hilfe keinerlei Zugeständnisse machen. "Denn das ist ja gerade die Strategie des BSW, zur Unglaubwürdigkeit der Parteien der demokratischen Mitte beizutragen und sie somit zu untergraben. Das BSW ist ein verlängerter Arm des Kremls." Eine Zusammenarbeit mit dem BSW "würde einer Selbstzerstörung gleichkommen", so Kiesewetter.

Neue Töne vom deutschen Bundeskanzler

Schon jetzt verändert sich allerdings die Rhetorik der Berliner Politik und scheint dem BSW entgegenzukommen. Bundeskanzler Olaf Scholz will zwar nach wie vor dem bedrängten Land militärisch helfen, betont aber inzwischen verstärkt eine deutsche Friedensrolle. In seiner jüngsten Videobotschaft sagte er, die Mehrheit in Deutschland erwarte, dass alle diplomatischen Mittel genutzt würden, um zu einem gerechten Frieden zu kommen. "Dafür ist jetzt die Zeit." Von konkreten Berliner Vermittlungsbemühungen ist allerdings im Moment nichts zu sehen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) traf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zuletzt bei der UN-Generalversammlung in New YorkBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Eine greifbare Änderung bei Scholz gibt es allerdings: Bei Waffenlieferungen hat der Bundeskanzler bisher meist im Gleichschritt mit US-Präsident Joe Biden gehandelt und wartete jeweils auf eine Entscheidung aus Washington, bevor er nachzog. Jetzt antwortete der Kanzler auf die Frage, ob er die Beschränkung für den Einsatz gelieferter Waffen auf Ziele in Russland aufheben werde, wenn Biden dies auch tue: "Das ist mit meiner persönlichen Haltung nicht vereinbar. Wir werden das nicht machen und dafür haben wir gute Gründe." Die Gewichte in Berlin haben sich verschoben.

Noch gibt es keinerlei Koalitionsvereinbarung mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht in den drei östlichen Bundesländern. Aber der Politikwissenschaftler Henning Hoff glaubt, dass allein solche Überlegungen die Glaubwürdigkeit der deutschen Ukraine-Politik untergraben: "Deutschlands Verbündete fragen sich, was das für die deutsche Verlässlichkeit bedeutet, zumal die Bundesregierung mit der Halbierung der Ukrainehilfe im Haushaltsentwurf für 2025 von acht auf vier Milliarden ein fatales Signal gesetzt bzw. zu wenig getan hat, den Eindruck nachlassender Anstrengungen auszuräumen."

Trump will "raus" aus der Ukraine

Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA erzeugt zusätzliche Nervosität in Berlin. Während der amtierende Präsident Joe Biden in der UN-Generalversammlung noch einmal sagte "Wir werden in unserer Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen", schlug der republikanische Kandidat Donald Trump ganz andere Töne an. Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris - Trumps Rivalin im Wahlkampf - hätten die USA in den Krieg hineingezogen, sagte Trump bei einem Wahlkampfauftritt. "Jetzt kriegen sie uns nicht mehr raus." Nur mit ihm als Präsidenten könnten die USA aus dem Krieg herauskommen: "Ich werde das erledigen. Wir müssen raus."

Donald Trump hat erkennen lassen, dass er als Präsident das Engagement der USA in der Ukraine beenden könnteBild: Win McNamee/Getty Images

Sollte Trump im November gewinnen und die Ukraine-Unterstützung der USA beenden, kämen ganz neue Belastungen auf die Europäer zu, vor allem auf Deutschland, das ganz oben auf die Liste der Unterstützer steht. Im Jahr der Bundestagswahl 2025 wäre das eine komplizierte Situation für alle deutschen Parteien, die fest an der Seite Kiews stehen. Auch dann könnte das Bündnis Sahra Wagenknecht für Koalitionen gebraucht werden und Forderungen nach einem Ende der Ukraine-Hilfe stellen.

Henning Hoff sieht weiterhin eine stabile Unterstützung der deutschen Bevölkerung für den Ukraine-Unterstützungskurs der Bundesregierung. "Das Problem liegt eher darin, dass die Bundesregierung (und auch die CDU/CSU) zwar bekräftigen, man werde der Ukraine 'so lange wie nötig' Unterstützung leisten, aber unklar bleibt: zu welchem Zweck? Wenn es darum gehen soll, Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen, dann reicht das bisherige nicht aus. Nur wenn Putin militärisch unter Druck gerät, wird er sich auf Verhandlungen einlassen."

Für Mitte Oktober hat Präsident Biden zu einem Treffen der Ukraine-Unterstützer nach Deutschland eingeladen, wahrscheinlich auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein. Es dürfte die letzte Gelegenheit vor der US-Wahl sein, die Verbündeten auf noch mehr Hilfe für  Kiew einzuschwören. Eine Annäherung in Deutschland an das BSW würde Zweifel an der Verlässlichkeit der Bundesregierung säen.

Wird Putin die NATO zur Kriegspartei erklären?

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