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PolitikEuropa

DW nun "unerwünscht" in Russland: Was bedeutet das?

DW Russisch
Veröffentlicht 14. Dezember 2025Zuletzt aktualisiert 16. Dezember 2025

Russland hat die Deutsche Welle zur "unerwünschten Organisation" erklärt. Was sind die Folgen? Kann man die DW in Russland noch risikolos nutzen?

Blick auf den Kreml in Moskau
Der Kreml in MoskauBild: uncredited/AP/picture alliance

Deutschlands Auslandsrundfunk Deutsche Welle (DW) ist in Russland zur "unerwünschten Organisation" erklärt worden. Das Justizministerium setzte die DW am 16. Dezember auf die Liste der "unerwünschten Organisationen", nachdem die Generalstaatsanwaltschaft dies am 1. Dezember beschlossen hatte.

Was ist die Grundlage für die Entscheidung?

Russische Behörden können Organisationen seit 2015 als "unerwünscht" einstufen. Grundlage ist ein Gesetz, das es erlaubt, jede nicht-kommerzielle Einrichtung mit ausländischen Verbindungen oder Finanzmitteln zu schließen, wenn sie angeblich eine Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung Russlands darstellt. In der Praxis wurde das Gesetz vor allem genutzt, um ausländische Nichtregierungsorganisationen zu schwächen und aus dem Land zu drängen. Betroffen waren unter anderem die Moskauer Büros von Human Rights Watch, Amnesty International und weiteren Organisationen.

Im Juli 2024 verabschiedete das russische Parlament zusätzliche Gesetzesänderungen. Seither kann jede Organisation als "unerwünscht" eingestuft werden, deren Gründer oder Teilnehmer ausländische Regierungsbehörden sind. Dadurch wurde der Anwendungsbereich erheblich ausgeweitet.

Die Deutsche Welle wird aus dem deutschen Bundeshaushalt finanziert, arbeitet jedoch journalistisch unabhängig und ist keine Regierungsorganisation. Dennoch reiht sich der Sender nun in eine Liste von 290 Organisationen ein, die in Russland bereits als "unerwünscht" gelten. Darunter befinden sich auch mehrere russischsprachige Medien, etwa der Fernsehsender TV Doschd sowie die Online-Publikationen Nowaja Gaseta und Medusa.

Moderatorin Margarita Kalz von DW Russisch im StudioBild: DW

Kann man die DW noch problemlos lesen oder sehen?

Für Menschen in Russland, die die Angebote der Deutschen Welle nutzen möchten, beginnen rechtliche Probleme dort, wo Behörden das Verhalten einer Person als "Beteiligung an den Aktivitäten einer unerwünschten Organisation" einstufen, sagt Iwan Pawlow. Er ist russischer Anwalt im Exil und Gründer der Rechtsgruppe Pjerwy Otdjel, auf Deutsch etwa "Abteilung Eins" oder "Erste Abteilung".

Darunter kann beispielsweise das Teilen von Videos oder Texten in sozialen Netzwerken fallen. "Schon ein alter, seit Langem bestehender Link zu einer Veröffentlichung eines solchen Mediums kann Anlass für ein Verwaltungsverfahren sein", so Pawlow zur DW. "Und wenn nach einer Verwaltungsstrafe später noch etwas gefunden wird, kann daraus ein Strafverfahren werden."

Selbst die bloße Erwähnung einer "unerwünschten Organisation" in einem öffentlichen Chat oder auf einer Website kann theoretisch strafrechtliche Konsequenzen haben. Wer der Beteiligung an Aktivitäten einer solchen Organisation beschuldigt wird, muss mit Geldstrafen zwischen 5000 und 15.000 Rubel rechnen, umgerechnet etwa 53 bis 160 Euro. "Wird die angebliche Straftat innerhalb eines Jahres nach einer Verwaltungsstrafe wiederholt, greift das Strafrecht", erklärt Pawlow.

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Was bedeutet das für Mitarbeitende und Interviewpartner?

Noch gravierender sind die Folgen für Menschen, die für eine als "unerwünscht" eingestufte Organisation arbeiten. Leitende Mitarbeiter müssen ebenso mit einer sofortigen strafrechtlichen Verfolgung rechnen wie Personen, die solche Organisationen finanziell unterstützen, etwa durch Spenden. Auch wer an der journalistischen Arbeit beteiligt ist – zum Beispiel durch ein Interview, ein Zitat in einem Artikel oder einen Auftritt in einem Video – könnte strafrechtlich belangt werden.

Was bedeutet das für Inhalte auf sozialen Medien?

Was soziale Medien betrifft, gibt es bislang keine feste Praxis, Personen allein wegen eines "Likes" strafrechtlich zu verfolgen. "Aber wenn der politische Wille da ist", so Pawlow, "könnte man das wahrscheinlich konstruieren."

Wichtig: Das Abonnieren von als "unerwünscht" eingestuften Medienseiten in sozialen Netzwerken sowie das reine Lesen oder Ansehen ihrer Inhalte, ohne diese weiterzuverbreiten, gilt nach Einschätzung Pawlows weiterhin als vergleichsweise sicher.

Die DW erreicht von Deutschland aus Nutzende in aller Welt - auch in RusslandBild: Björn Kietzmann/DW

Für Videos, die von "unerwünschten Organisationen" etwa auf YouTube veröffentlicht werden, fasst er es so zusammen: "Ansehen ist erlaubt, verbreiten nicht."

Aus den Erfahrungen ähnlicher Fälle folgert Pawlow: "Ein Repost, ein Hyperlink oder ein Kommentar kann bereits als Beteiligung an den Aktivitäten einer unerwünschten Organisation ausgelegt werden. Auch jede Zahlung an ein solches Medium – etwa eine Spende oder eine Werbezahlung – gilt als Straftat."

Wie kommt man technisch an die Inhalte der DW?

Dennoch gibt es Möglichkeiten, vergleichsweise sicher von Russland aus mit in Russland verbotenen Organisationen zu interagieren. Dazu zählen die Nutzung der App der DW auf dem Smartphone und das Angebot DW Access, das Anhören von Podcasts oder das Lesen von Artikeln auf der Website. Dazu empfiehlt sich die Nutzung eines virtuellen privaten Netzwerks, eines VPN, um den eigenen Standort zu verschleiern.

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Russisch verfasst und erschien bereits am 14.12. nach den ersten Medienberichten in Russland über die Einstufung der DW. Er wurde am 16.12. mit den neusten Entwicklungen aktualisiert. 

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