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Deutsche Wirtschaft schrumpft - aber nur minimal

30. Oktober 2023

Auch im dritten Quartal fehlt der deutschen Wirtschaft der Schwung. Das BIP sank um 0,1 Prozent. Allerdings signalisieren erste Stimmungsindikatoren ein Ende der Talfahrt.

Das weltgrößte Containerschiffs "MSC Zoe" in Hamburg
Die exportorientierte deutsche Wirtschaft bekommt die Schwäche der Weltwirtschaft zu spüren. Die Weltwirtschaft erholt nur sich nur langsam von den Folgen der Pandemie, vom russischen Krieg gegen die Ukraine und der Inflation - das Wachstum ist dem IWF zufolge historisch schwach.Bild: Bodo Marks/dpa/picture alliance

Die deutsche Wirtschaft ist auch im Sommer nicht in Schwung gekommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im dritten Quartal verglichen mit dem Vorquartal preis-, saison- und kalenderbereinigt leicht um 0,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden in einer ersten Schätzung mitteilte.

Volkswirte und die Bundesregierung rechneten zuletzt damit, dass Europas größte Volkswirtschaft auch im Gesamtjahr schrumpfen wird, bevor es 2024 wieder aufwärts gehen soll. Zur jetzigen Entwicklung sagt Jens-Oliver Niklasch: "Das war etwas besser als von uns befürchtet. Dennoch ändert sich das Gesamtbild dadurch nicht." Deutschlands Wirtschaft trete mehr oder weniger auf der Stelle. "Auch im Schlussquartal 2023 dürfte die Bilanz ähnlich ausfallen", meint der Ökonom der LBBW.

Im Frühjahr war die Wirtschaftsleistung nach den neuesten Daten noch geringfügig gewachsen (plus 0,1 Prozent), zu Jahresanfang stagnierte sie. Im Sommer nahmen insbesondere die privaten Konsumausgaben ab, wie die Statistiker mitteilten. Positive Impulse seien dagegen von den Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen zum Beispiel in Fahrzeuge gekommen.

Gegenwind für die deutsche Wirtschaft

Die noch immer hohe Inflation belastet Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Viele Menschen schränken ihre Konsumausgaben ein. "Trotz des Rückgangs der Inflation erwarten wir, dass der private Verbrauch nur allmählich aus seiner Flaute herauskommt, da das Verbrauchervertrauen nach wie vor gedämpft ist", analysierten Volkswirte der Deutschen Bank. Die Inflationsrate war im September auf 4,5 Prozent gesunken nach 6,1 Prozent im August. Nahrungsmittel verteuerten sich erneut überdurchschnittlich stark.

Gegenwind kommt auch von den gestiegenen Zinsen. Diese drücken die Nachfrage unter anderem nach Bauleistungen. Zugleich bekommt die deutsche Exportwirtschaft die Schwäche der Weltwirtschaft zu spüren.

Hohe Zinsen machen Investitionen in Immobilien teurer. Die deutsche Baubranche steckt in der Krise.Bild: Thomas Koehler/photothek/picture alliance

"Es fehlt derzeit an der nötigen Fantasie, wo denn nun der Umschwung zum Besseren herkommen soll", sagt Thomas Gitzel von der VP Bank. "Die chinesische Volkswirtschaft präsentiert sich angeschlagen, und in den USA wird sich eine wirtschaftliche Abkühlung in Folge der massiven Zinsanhebungen erst noch bemerkbar machen." Außenwirtschaftliche Impulse seien deshalb nicht zu erwarten. "Und dass nun der private Verbraucher plötzlich in einen Konsumrausch verfällt, ist ebenfalls unwahrscheinlich."

Die fallenden Inflationsraten könnten zumindest die Verbraucherstimmung aber etwas anheben und zu einem zumindest mäßigen Konsumwachstum beitragen, meint der Chefökonom der VP Bank. "Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitsmarkt Kurs hält. Hinter letzterem steht in Anbetracht dünner Auftragsbücher auch noch ein Fragezeichen."

Immerhin verbesserte sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft im Oktober erstmals seit einem halben Jahr. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartungen wurden besser beurteilt, wie aus dem Ifo-Geschäftsklima-Index hervorging. "Die deutsche Wirtschaft sieht einen Silberstreif am Horizont", kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Laut Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe könnte das BIP im laufenden vierten Quartal wieder leicht wachsen. Es könne zu einem Plus von etwa 0,2 Prozent im Vergleich zum Sommer-Quartal reichen.

Konjunkturprognosen gesenkt

Führende Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt im Gesamtjahr 2023 um 0,6 Prozent schrumpft. Im Frühjahr waren die Institute noch von einem Mini-Wachstum von 0,3 Prozent ausgegangen. Im kommenden Jahr soll die deutsche Wirtschaft dann um 1,3 Prozent wachsen.

Die Bundesregierung senkte inzwischen die Erwartung für 2023 und rechnet nun mit einem um 0,4 Prozent schrumpfenden Bruttoinlandsprodukt. Damit dürfte Deutschland im laufenden Jahr als einzige große Industrienation nicht wachsen.

Die Talsohle sieht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mittlerweile aber erreicht. "Wir haben eine Bodenbildung erreicht, wir verlassen das Tal und dann geht es wieder aufwärts", sagte der Grünen-Politiker unlängst. Für 2024 rechnet sein Haus mit einem Wachstum von 1,3 Prozent.

"Im nächsten Jahr dürfte es dank rückläufiger Inflation und steigender Einkommen vor allem über den Konsum mit der Wirtschaft wieder aufwärtsgehen", meint Fritzi Köhler-Geib, Chefökonomin der Kreditanstalt für Wiederaufbau.Bild: Monika Skolimowska/dpa/picture alliance

"Institute wie auch die Bundesregierung gehen in den nächsten Jahren von einem deutschen Potenzialwachstum von rund dreiviertel Prozent pro Jahr aus, was auf ein trendmäßiges Quartalswachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts von 0,2 Prozent hinausläuft", kommentiert Andreas Scheuerle von der DekaBank. "Damit bewegt sich Deutschlands Konjunktur auch in den kommenden Jahren gefährlich nahe an der Nulllinie. Man muss sich also an häufigere Stagnations- und Rezessionsquartale wie zuletzt gewöhnen.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zeigt an, wie gut oder schlecht sich die Wirtschaft eines Landes entwickelt. Eingerechnet wird alles, was in einem bestimmten Zeitraum hergestellt wird. Zudem fließen der Wert von Dienstleistungen ein und die Ausgaben von Verbrauchern sowie Investitionen von Unternehmen - beispielsweise in Maschinen.

Berücksichtigt werden alle Wirtschaftsbereiche. Größter Posten ist der private Konsum. Weiterer Bestandteil ist der sogenannte Außenbeitrag - also die Differenz dessen, was Unternehmen ins Ausland verkaufen (Exporte) und von dort einkaufen (Importe).

iw/hb (rtr, dpa)

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