Deutsche Wirtschaft: Wann geht's wieder aufwärts?
21. Mai 2025
Rezession heißt, dass die Wirtschaft schrumpft. Als einzigem Land in der Europäischen Union ist das in Deutschland seit zwei Jahren der Fall. 2024 wurden so viele Unternehmen geschlossen wie zuletzt 2011 in der großen Finanz- und Wirtschaftskrise. Besonders stark betroffen waren und sind wegen der hohen Strompreise energieintensive Industriebranchen. Aber auch der Arbeits- und Fachkräftemangel in einer alternden Gesellschaft und die hohen Kosten für zu viel Bürokratie spiegeln sich in mehr Unternehmsaufgaben wider.
Die neue Bundesregierung ist mit dem Anspruch angetreten, die Lage schnell und nachhaltig zu verbessern. Doch eine spontane Heilung kann und wird es nicht geben. Diesen Befund hat die Bundesregierung von ihrem wirtschaftswissenschaftlichen Beratergremium bekommen. In seinem Frühjahrsgutachten spricht der Sachverständigenrat Wirtschaft von einer "ausgeprägten Schwächephase" und schließt eine schnelle Erholung praktisch aus.
International nicht mehr wettbewerbsfähig
Für 2025 prognostizieren die fünf Wirtschaftsprofessorinnen und -professoren eine Stagnation, also ein Null-Wachstum. 2026 könnte sich die Konjunktur mit einem Prozent Wachstum etwas erholen. Doch ob Deutschland auch mittel- und langfristig zurück in die wirtschaftliche Erfolgsspur findet, ist aus Sicht der Experten alles andere als sicher.
Die deutsche Wirtschaft ist weltweit immer weniger wettbewerbsfähig geworden. Einschneidend war der Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 und der Stopp russischer Gaslieferungen. Das erfolgreiche deutsche Geschäftsmodell, mit billiger Energie und hoher Ingenieurskunst weltweit gefragte Produkte herzustellen, ist seitdem Geschichte.
Donald Trump bremst deutsche Exporte
Dazu kommen hausgemachte Probleme. "Bürokratische Anforderungen und lange Genehmigungsverfahren bremsen das gesamtwirtschaftliche Wachstum", heißt es im Gutachten der sogenannten "Wirtschaftsweisen". Negativen Einfluss hat auch US-Präsident Donald Trump. Die Zollpolitik gefährde das Wirtschaftswachstum weltweit, habe für die exportorientierte deutsche Wirtschaft aber besonders negative Folgen.
Um die Unternehmen zu entlasten, will Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche schon bis Mitte Juli erste Maßnahmen auf den Weg bringen. Die Stromsteuer solle gesenkt werden und erste Reformen auf dem Arbeitsmarkt seien geplant, sagte die CDU-Politikerin auf einem Wirtschaftsforum. Weitere Punkte würden bis zum Jahresende folgen müssen. Wachstum sei das Gebot der Stunde, und die Regierung werde Impulse setzen, auch mit einer Senkung der Unternehmenssteuern.
Neue Geschäftsmodelle sind gefragt
Die Wirtschaftsexperten fordern von der Bundesregierung einen realistischen Blick in die Zukunft. Es dürfe nicht versucht werden, Arbeitsplätze zu erhalten, die langfristig nicht überlebensfähig seien. "Eine Wirtschaftspolitik, die darauf setzt, den Strukturwandel mit Subventionen aufzuhalten, kann auf Dauer nicht erfolgreich sein", sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats, Monika Schnitzer. Stattdessen solle man gezielt den Übergang in neue Geschäftsmodelle und Berufe fördern.
Hoffnung macht das milliardenschwere Finanzpaket, das die regierenden Parteien CDU/CSU und SPD unmittelbar nach der Bundestagswahl mit Zusammenstimmung der Grünen auf den Weg gebracht haben. 500 Milliarden Euro sollen in den kommenden zwölf Jahren in die marode Infrastruktur gesteckt werden.
Geld weckt Begehrlichkeiten
Das Finanzpaket erweitere die Spielräume erheblich, sagte der Wirtschaftsweise Achim Truger. "Richtig eingesetzt, können die Mittel Deutschland zukunftsfähig machen, es winken erhebliche positive Wachstumseffekte". Allerdings nur, wenn das Geld tatsächlich für Investitionen ausgegeben wird. Daran zweifeln die Sachverständigen. "Stichwort: Mütterrente, Agrardiesel-Subventionen, Gastrosteuersenkung", sagte die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier mit Blick auf Vorhaben der Regierung. Es müsse gesetzlich festgeschrieben werden, dass Mittel aus dem Paket nicht zweckentfremdet werden können.
Da das viele Geld so schnell gar nicht ausgegeben werden kann, erwarten die Sachverständigen einen positiven Effekt frühestens ab 2026. Ein großes Problem ist, dass die 500 Milliarden Euro über Kredite finanziert werden sollen. Genauso wie die massiv erhöhten Verteidigungsausgaben. Das wird absehbar dazu führen, dass Deutschland die EU-Schuldenvorgaben nicht mehr einhalten kann. Davor warnen auch die Sachverständigen. Nur wenn Deutschland es schaffe, sich strukturell zu modernisieren, wären die Ausgaben zu rechtfertigen.
Viele Deutsche arbeiten in Teilzeit
Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz betont immer wieder, dass die Menschen in Deutschland mehr arbeiten müssten. "Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance können wir den Wohlstand nicht erhalten", sagte er zuletzt beim Wirtschaftsrat der CDU. Als konkrete Maßnahmen nannte er eine Flexibilisierung der Arbeitszeit und Anreize für freiwilliges Weiterarbeiten im Rentenalter.
Es sei richtig, dass es Anreize brauche, um die Beteiligung am Arbeitsmarkt zu erhöhen, sagte die Wirtschaftsprofessorin Veronika Grimm. Besonders viel Potenzial sehe sie in einer stärkeren Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt, etwa durch eine Verbesserung der Kinderbetreuung. Doch wie soll die ausgebaut werden, wenn es zu wenige Erzieherinnen und Erzieher gibt?
Das Problem ist die alternde Gesellschaft, in der immer mehr Rentner immer weniger Erwerbstätigen gegenüberstehen. Wichtig sei daher, mit weniger Arbeitskräften produktiver zu werden, fordert Grimm. Das sei mittels Digitalisierung und Bürokratieabbau möglich.
Bürokratieabbau lässt auf sich warten
Trotz zahlreicher politischer Initiativen seien die Belastungen der Unternehmen mit Bürokratiekosten bislang nicht spürbar zurückgegangen, bemängelt der Sachverständigenrat. Er schlägt vor, schnell mehrere Maßnahmen gleichzeitig anzustoßen: Beschleunigung von Antrags- und Genehmigungsverfahren, Abbau von Informationspflichten, die Unternehmen gegenüber dem Staat haben, Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sowie der Aufbau eines bundesweit einheitlichen E-Government-Portals. Neue Regelungen sollten wirksam und nutzerfreundlich sein. Sonst entstehe nur zusätzliche und ineffiziente Bürokratie.
"Zwischen Hoffen und Bangen", so beschreibt der Sachverständigenrat seine Einschätzung der Lage. Ähnlich fallen auch die Reaktionen der Wirtschaft auf das Gutachten aus. "Von einer echten Aufbruchstimmung kann keine Rede sein", heißt es von der Deutschen Industrie- und Handelskammer. "Die Zeit drängt, die Unternehmen sind bereit. Jetzt muss die Politik liefern."