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Deutschem Handwerk fehlen die Fachkräfte

Mischa Ehrhardt
14. September 2018

Wer einen Handwerker braucht, muss oft lange warten. Denn das Handwerk boomt. Die Kehrseite: Es mangelt an Fachkräften. Zum Tag des Handwerks am 15.09.2018 wirbt der Handwerksverband deswegen um Mitarbeiter.

Deutschland Lehrling und Meister
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Die Konjunktur brummt, die Auftragsbücher der Firmen sind voll, die Unternehmen investieren entsprechend fleißig: Es brummt im deutschen Handwerk, Betriebe und Mitarbeiter wirtschaften in goldenen Zeiten. Für dieses Jahr rechnet der Zentralverband des deutschen Handwerks mit einem Zuwachs der Umsätze seiner Unternehmen um drei Prozent.

Auch für die kommenden Monate sind die Handwerker optimistisch gestimmt - wenn ihnen kein unerwartet harter Winter einen Strich durch die Rechnung macht. "Teilweise haben wir ein Problem damit, die Aufträge auszuführen und müssen unsere Kunden warten lassen", sagte Hans Peter Wollseifer, der Präsident des Handwerksverbandes in Frankfurt.

Dort hat der Verband sozusagen zum Auftakt des bundesweiten Tag des Handwerks vor der Börse einen blauen Bullen aufgestellt. Mit fast drei Metern Höhe überragt er das Markenzeichen der Börse, den Bullen und den Bären. Der blaue Koloss des Deutschen Handwerks sollte die handwerkliche Stärke symbolisieren: In einer Dax- und Börsenfixierten Welt wirbt der Handwerksverband zu seinem Ehrentag damit, den Fokus auf handwerklich arbeitende Menschen zu richten.

Wo gibt es die Fachkräfte?

"Es sind die Menschen, die das Handwerk erfolgreich machen", sagt Wollseifer. Und es sind eine ganze Menge Menschen: In rund einer Million Handwerksbetrieben arbeiten in Deutschland rund 5,4 Millionen Menschen. "Das Handwerk ist somit eine treibende und stabile Wirtschaftskraft in Deutschland".

Damit das auch in Zukunft so bleibt, versucht die Branche gerade junge Menschen zu umwerben, sich für eine handwerkliche Ausbildung zu entscheiden. Denn die brummende Konjunktur und die vollen Auftragsbücher der Betriebe des deutschen Handwerks haben auch eine Kehrseite: Es herrscht Fachkräftemangel.

Flüchtlinge für das Handwerk?

Einer, der einmal Fachkraft sein möchte, ist Sayed Haschemi. Vor drei Jahren kam der junge Mann als Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland. "Ich habe immer gerne handwerklich gearbeitet. Und so lag es nahe, auch hier in Deutschland darauf aufzubauen". Mit Unterstützung der Handwerkskammer absolvierte er zunächst drei Praktika. Im August schließlich hat Sayed Haschemi einen Ausbildungsplatz als Augenoptiker gefunden.

Die Handwerksbetriebe spielen übrigens eine entscheidende Rolle für junge und motivierte Flüchtlinge im Land: Nach Angaben des Handwerksverbandes arbeiten die Hälfte aller Flüchtlinge, die hierzulande eine Ausbildung beginnen, in Betrieben des deutschen Handwerkes.

Immer noch umstritten ist, ob junge Flüchtlinge dem hiesigen Facharbeitermangel abhelfen können.Bild: DW/C. Röder

Handwerk hat wieder goldenen Boden

Aus Sicht ausbildungswilliger junger Menschen jedenfalls ist die Zeit äußerst günstig - sie erleben ebenfalls so etwas wie eine goldene Zeit. Denn durch den Fachkräftemangel reißen sich die Betriebe förmlich um gut qualifizierte junge Menschen, die eine handwerkliche Ausbildung oder Lehre machen wollen. "Zwischen 2006 und 2016 hat sich die Zahl der Schulabgänger um 120.000 verringert", rechnet Wollseifer vor.

"Der Wettbewerb um die guten Köpfe, die guten Auszubildenden, ist längst entbrannt. Deswegen sind die Auszubildenden in einer Situation, wie man sie noch nicht hatte: Sie können sich den Ausbildungsbetrieb aussuchen."

Überfälliger Imagewechsel

Dabei versuchen  die Handwerker und ihr Verband auch das Bild zu ändern, das in den Köpfen vieler Menschen noch vorherrscht: Das Bild von körperlich schwerer und anstrengender Arbeit, das Bild von schmutzigen Arbeitsplätzen und obendrein schlecht bezahlten Jobs.

Das sei keineswegs mehr aktuell. Denn wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch, hat auch in Handwerksbetrieben die Digitalisierung Einzug erhalten. "Es wird alles über Computer gesteuert", sagt etwa der Schreinermeister Gerhard Luther aus Darmstadt. "Es werden Aufträge digital angelegt. In der Arbeitsvorbereitung kommt das Material automatisch, die Zeichnungen gehen teilweise direkt an die Maschinen. Dadurch haben wir mittlerweile eine Präzision, die fast so hochwertig ist wie Metallbereich".

Nicht mehr unbedingt zeitgemäß, aber immer noch anzutreffen: Handwerker "auf der Walz", also auf Wanderschaft.Bild: picture-alliance/dpa/U. Baumgarten

Die Politik in die Pflicht genommen

Doch dieses Werben, das der Handwerksverband verständlicherweise rund um den Tag des Handwerks  betreibt, hat auch seine Grenzen. Deswegen fordert Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer Unterstützung von der Regierung in Berlin. "Wir erwarten  von der Bundesregierung, dass sie den im Koalitionsvertrag verankerten Berufsbildungspakt umsetzt und den Versprechen einer Gleichwertigkeit der beruflichen und akademischen Bildung endlich Taten folgen lässt. Nur so kann die berufliche Ausbildung wieder an Attraktivität gewinnen", sagt Wollseifer.

Dass es nötig ist, für das Handwerk zu werben, zeigt eine einfache Zahl: In einigen Bezirken der Handwerkskammer geben über die Häfte der Betriebe an, aktiv nach neuen Mitarbeitern zu suchen. Vor allem aber beklagen sie, dass sie trotz starker Bemühungen kein geeignetes Personal finden können.

 

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