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Deutscher Afrika-Preis für umweltfreundliche Bürgermeisterin

Martina Schwikowski
16. Oktober 2024

In Sierra Leone hat die Bürgermeisterin von Freetown ihre Stadt nachhaltig geprägt - mit einer Million Bäumen, Wasserkiosken und anderen klimafreundlichen Maßnahmen. Die Deutsche Afrika-Stiftung ehrt Yvonne Aki-Sawyerr.

Yvonne Aki-Sawyerr Bürgermeisterin von Freetown in Sierra Leone
Freetowns Bürgermeisterin Yvonne Aki-Sawyerr engagiert sich unermüdlich für die Umwelt - die Deutsche Afrika Stiftung ehrt sie für ihr EngagementBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Yvonne Aki-Sawyerr hatte eine Vision, als sie 2018 in Sierre Leones Hauptstadt Freetown für das Bürgermeisteramt antrat: "Ich wuchs in einer grünen Stadt auf. Ich liebte es, die Bäume hochzuklettern, schon als ich noch klein war," sagte Aki-Sawyerr im DW-Interview. 

Aus ihrer Liebe zur Natur wurde ein nachhaltiges Engagement. "Wenn man dann sieht, dass das alles zerstört wird - dazu kamen die Abwasserprobleme zu der Zeit - das war der Auslöser, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren", erinnert sich die charismatische Umweltschützerin.

In den sechs Jahren ihrer Amtszeit hat sich die vernachlässigte und von Jahren des Bürgerkriegs geprägte Stadt bereits zu einem lebenswerten Ort gewandelt - Wohnungsangebot, Wasserversorgung und Müllabfuhr haben sich deutlich verbessert. 

In Freetown gibt es weniger Luftverschutzung - eine Million neue Bäume verbessern das KlimaBild: Seth/Xinhuapicture alliance

Ihr Einsatz wird auch im Ausland anerkannt: Am Mittwoch wurde Yvonne Aki-Sawyerr der Deutsche Afrika-Preis 2024 verliehen. Damit würdigte die Deutsche Afrika Stiftung den "unerschütterlichen Einsatz" der 56-jährigen Bürgermeisterin und ihren Einsatz für nachhaltige Stadtentwicklung und lokale Teilhabe. 

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas überreichte ihr den Preis und hob hervor, wie entscheidend der Kampf für Gleichberechtigung und gegen häusliche Gewalt sei – sowohl in Sierra Leone als auch in Deutschland. Aki-Sawyerr gehe dabei mit gutem Beispiel voran und sei eine große Inspiration für zukünftige Politikerinnen. "Sie sind eine Frau, die sich überall auf der Welt zuhause fühlt: Sie wirken stets authentisch, egal ob auf einer Podiumsdiskussion bei den Vereinten Nationen oder in Gesprächen auf den Straßen von Freetown", sagte Bas.  

"Tatenlosigkeit keine Option” 

Die Deutsche Afrika Stiftung, die den Preis vergibt, ist eine überparteiliche Organisation, die seit 1993 herausragendes Engagement für Demokratie, Frieden, Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung, Forschung, Kunst und Kultur sowie gesellschaftliche Belange in Afrika auszeichnet. Der unabhängigen, 20-köpfigen Jury stand der Leiter der Afrika-Programme der Deutschen Welle, Claus Stäcker, vor. In seiner Laudatio zeichnete Stäcker den Werdegang der Preisträgerin nach, der von dem Glauben geprägt sei, dass echte Transformation nur gemeinsam gelingen könne. "Tatenlosigkeit ist für Yvonne Aki-Sawyerr gar keine Option", sagte Stäcker. 

Yvonne Aki Sawyerr (r.) bei der Verleihung des Afrika-Preises durch Bundestagspräsidentin Bärbel BasBild: Luisa von Richthofen/DW

Yvonne Aki-Sawyerr weiß, was sie will - und handelte nach innerer Überzeugung: Die grüne Stadt ihrer Kindheit sollte für künftige Generationen lebenswert bleiben.

Nach ihrem Studium in Sierra Leone und Großbritannien begann Aki-Sawyerr zunächst eine Karriere im Finanzsektor: Sie war mehr als 25 Jahre als Finanzexpertin und Wirtschaftsprüferin in London tätig. Als ihre westafrikanische Heimat 2014 jedoch von der Ebola-Krise erschüttert wurde, kehrte sie als Krisenmanagerin nach Freetown zurück, eine Hafenstadt mit mehr als einer Million Einwohnern.

Die Stadt der Bäume

Damals setzte sie sich mit ihrem Vierjahresplan "Transform Freetown" gegen fünf männliche Bewerber durch, erstmals regiert eine Frau die Stadt. Sie ging die katastrophale Müllsituation an und begann, Freetowns abgeholzte Hügel zu begrünen. Die Stadt Freetown werde jetzt 25.000 Bäume verschenken, sagt Aki-Sawyerr.

Armenviertel in Freetown: Bäume und Abwasserreinigung sollen die Umwelt nachhaltig verbessernBild: -/Artcolor/picture-alliance

Was immer die Bürgermeisterin anpackt, die Einwohner sind dabei. Ohne aktive Beteiligung fällt sie keine Entscheidung. Dieser bürgernahe Führungsstil verschafft ihr viel Anerkennung, vor Ort und längst auch international. 

Noch bleibt viel zu tun: "Das Bevölkerungswachstum, die fehlende Stadtplanung, die Herausforderungen bei der Erteilung von Baugenehmigungen, all das hat dazu geführt, dass wir trotz fünf Jahren harter Arbeit immer noch einen weiten Weg vor uns haben", blickt Aki-Sawyerr auf künftige Aufgaben. Aber auch Stolz auf das Erreichte kommt durch: "Es gibt zwei Dinge, von denen ich definitiv sagen würde, dass sie als mein Vermächtnis als Bürgermeisterin von Freetown in Erinnerung bleiben werden", sagt sie zur DW. "Zum einen - das ist nicht so überraschend - Freetown die Stadt der Bäume. Das zweite ist die Abwasserreinigung."

Anfang 2020 rief Aki-Sawyerr die Initiative "Freetown The Treetown" ins Leben, mit dem ambitionierten Ziel, eine Million Bäume innerhalb von zwei Jahren in Freetown zu pflanzen. Das hat sie heute mit 977.000 gepflanzten Bäumen fast erreicht. Die vielen neuen Bäume schützen die Stadt auch vor Überhitzung und erhöhen ihre Resilienz gegen Überflutungen. 

Bessere Lebensqualität

Ganz oben stehen Projekte mit direktem Nutzen. Klärschlamm wird in CO2-freie Briketts verwandelt. Die Stadt hat eine Abwasseraufbereitungsanlage erhalten, 160 Wasserspeicher und Regenwassersammelsysteme wurden installiert, wertvolle Hochwasserschutzmaßnahmen in der Küstenstadt umgesetzt. Abfälle aus Toiletten werden zu Kompost, Biogas und Heiz-Briketts verarbeitet, sagt Aki-Sawyerr zur DW.

Preisträgerin Yvonne Aki-Sawyerr (Mitte) mit Sabine Odihambo (rechts), Generalsekretärin der Deutschen Afrika-Stiftung und Jens Kraus-Masse´, deutscher Botschafter in Sierra LeoneBild: DW

2021 ernannte sie für Freetown eine Hitzebeauftragte - die erste in ganz Afrika, die sich im urbanen Kontext um diese Folge des Klimawandels kümmern sollte. Zwei Jahre später initiierte Aki-Sawyerr den ersten Klimaaktionsplan der Stadt, die regelmäßig mit starken Überflutungen und Hitze zu kämpfen hat. Andere innovative Projekte sind solarbetriebene Wasserkioske, die Zugang zu sauberem Wasser ermöglichen. Eine Seilbahn soll - nach erfolgreich abgeschlossener Machbarkeitsprüfung - Staus und Luftverschmutzung reduzieren.

Es gehe nicht nur darum, Umweltprobleme zu bekämpfen. Da sei viel erreicht worden, betont sie. Ihr sei vor allem wichtig zu erkennen, dass diese Umweltprobleme das Leben der Menschen in der Stadt verschlechtern. "Der Klimawandel geht weiter. Die Temperaturen steigen, der Meeresspiegel steigt und extreme Wetterereignisse häufen sich." Sie will, dass die anstehende Arbeit im Sinne der Bewohner von Freetown erledigt wird: "Da muss jetzt kein Name drauf stehen, es muss einfach nur getan werden."

Der eingeleitete Wandel Freetowns ist schon jetzt untrennbar mit ihrem Namen verbunden. 2023 ist sie nicht nur als Bürgermeisterin für eine zweite Amtszeit bestätigt, sondern auch Co-Vorsitzende der "C40 Cities" geworden, eine Bewegung, die sie jetzt gemeinsam mit dem Bürgermeister von London, Sadiq Khan, steuert. C40 ist ein globales Netzwerk von fast 100 Bürgermeistern der weltweit führenden Städte, die sich gemeinsam für die Bekämpfung der Klimakrise einsetzen. 

Mit dem Deutschen Afrika-Preis 2024 ist die Hoffnung verbunden, dass Yvonne Aki-Sawyerr viele Nachahmer findet. 

Mitarbeit: Nikolas Fischer, Adenike Hamilton, Luisa von Richthofen