Transkript: Wie funktioniert der Deutsche Behindertenrat?
20. Oktober 2022Jingle: DW. "Echt behindert!"
Moderator, Matthias Klaus: Herzlich willkommen zu "Echt behindert!". Mein Name ist Matthias Klaus.
Behinderte Menschen und Menschen mit chronischen Erkrankungen haben sehr oft dieselben Interessen. Ob es nun um Nachteilsausgleich geht oder darum, dass man in der Gesellschaft überhaupt wahrgenommen wird. Es gibt zwar inzwischen Gesetze, die unsere Interessen stärken, doch "Recht haben" und "Recht bekommen" sind immer noch zwei Sachen. Von selbst geschehen Teilhabe und Inklusion einfach nicht.
Heute geht es um Lobbyarbeit, darum, was man tun kann, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, Respekt einzufordern und Rechte durchzusetzen. Ein Bündnis, das dies seit über 20 Jahren tut, ist der Deutsche Behindertenrat. In "Echt behindert!" begrüße ich Michaela Engelmeier. Sie ist Vorstandsvorsitzende des SoVD, des Sozialverbandes Deutschland und derzeitige Sprecherratsvorsitzende des Deutschen Behindertenrats.
Außerdem Anieke Fimmen, Referentin für Behindertenpolitik in der Abteilung Sozialpolitik des SoVD.
Schönen guten Tag!
Michaela Engelmeier: Guten Tag!
Anieke Fimmen: Ich begrüße Sie auch, Hallo.
Michaela Engelmeier: Ja, natürlich, gerne. Der Deutsche Behindertenrat ist ein Aktionsbündnis der maßgeblichen Verbände chronisch kranker und behinderter Menschen. Er versteht sich als Plattform gemeinsamen Handelns und des Erfahrungsaustausches. Der Deutsche Behindertenrat ist kein Dachverband und besitzt damit kein generelles Vertretungsmandat. Die Mitgliedsorganisationen vertreten sich in aller Regel selbst. Der Deutsche Behindertenrat setzt sich zusammen aus den drei Säulen: 1. Säule traditionelle Sozialverbände. Die 2. Säule ist die BAG Selbsthilfe, ihre Mitgliedsverbände und andere behinderungsspezifische Verbände und die 3. Säule sind die unabhängigen Behindertenverbände.
Nach außen wird der DBR durch den Sprecherrat vertreten, deren Vorsitz ich im Moment innehabe. Gegründet wurde der Behindertenrat am 3. Dezember 1999 und der 3. Dezember ist der "Internationale Tag der Menschen mit Behinderung". Seitdem setzt sich der DBR für die Interessen und die Belange von Menschen mit Behinderungen ein und vertritt sie gegenüber politischen EntscheidungsträgerInnen und der Zivilgesellschaft. Und der DBR steht im engen Austausch mit dem BMAS und dem Beauftragten der Belange von Menschen mit Behinderung, Jürgen Dusel.
Matthias Klaus: Wie funktioniert das Ganze? Der Behindertenrat ist ja wahrscheinlich kein Gremium mit ganz vielen Angestellten und ganz viel Geld, um dauernd allen Leuten auf den Füßen rumzusteigen, sondern Sie haben ja alle ihre eigenen Jobs. Wie läuft das? Wie trifft sich der Behindertenrat? Wie kommt man da zu Entschlüssen? Was findet man überhaupt wichtig? Wer entscheidet das?
Anieke Fimmen: Wenn ich jetzt mal übernehmen darf, ich mache das mal einfach. Ich bin die Referentin beim SoVD für behindertenpolitische Fragen, wie Sie ja gerade schon einführend gesagt haben. Und das ist so, dass der DBR - der Deutsche Behindertenrat - sich in Ausschusssitzungen trifft und da dann im Prinzip auch die Themen, die gerade aktuell den Menschen mit Behinderungen in den Verbänden auf den Nägeln brennen, bespricht und da dann natürlich auch so ein bisschen so eine politische Strategie und Agenda aufzeigt. Und das ist natürlich in Anführungsstrichen "auch ein bisschen komplex" teilweise, weil es eben die unterschiedlichen Verbände und Interessen gibt und wir natürlich immer versuchen oder es hauptsächlich auch darum geht, eine sogenannte DBR-Position zu erlangen bei den Dingen, die uns alle bewegen. Und das ist auch nicht ganz so einfach, weil die natürlich auch vielfältig sind, weil eben die Belange, die Menschen mit Behinderung haben, auch sehr unterschiedlich und sehr vielfältig sind. Und insofern ist das immer sehr "diskussionsgeladen", um es mal so zu sagen.
Matthias Klaus: Da wäre ja die Frage: Wie geht das? Wie findet man denn Konsense? Ich meine, da ist sowohl die Lebenshilfe als auch die Interessengemeinschaft Selbstbestimmt leben als auch das Weibernetz. Aber eben auch zum Beispiel so doch eher traditionelle Verbände wie der SoVD oder der VdK drin. Wie schaffen Sie das trotzdem, etwas zu veröffentlichen, was in dieselbe Richtung geht?
Anieke Fimmen: Was uns alle eint, ist einfach die Idee, Teilhabe von Menschen mit Behinderungen voranzutreiben in Deutschland und ehrlich gesagt auch in der Welt. Also es gibt ja auch internationale Treffen, wo sich der DBR auch einmischt, sage ich jetzt mal so ein bisschen flapsig und klar... Also über allem steht natürlich die UN-Behindertenrechtskonvention, die uns alle... Das ist für uns alle sozusagen "die Bibel", sage ich jetzt mal so ein bisschen. Und das ist einfach das, was uns alle betrifft. Und es gibt natürlich Gesetze, zum Beispiel das Bundesteilhabegesetz, das wir ja vor einigen Jahren verabschiedet haben, was eine große sozialpolitische Errungenschaft war. Da war das natürlich auch so, dass da viele unterschiedliche Positionen waren und viel Gerangel. Aber trotzdem stand über allem einfach oder was heißt einfach, es ist eben nicht einfach, dass die Teilhabe aller Menschen mit Behinderung, egal ob sie kognitive Einschränkungen haben, ob sie eine Hirnschädigung haben, sehbeeinträchtigt sind … Trotzdem haben sie ja alle "Probleme", sozusagen. Und die gegenseitige Empathie ist ja nun auch da. Und insofern gelingt es dann schon, dass man da dann auch konsensuale Entscheidungen trifft.
Matthias Klaus: Frau Engelmeier, Sie sind Vorsitzende des Sprecherrats. Das ist, wie ich gelesen habe, ein Gremium, wo dann auch mal gewechselt wird, also wer da sozusagen "die Hauptsprecherin" ist. Wie funktioniert das, in welchem Turnus und wird das ausgelost oder geht das nach Alphabet? Wie funktioniert das?
Michaela Engelmeier: Wir haben immer für ein Jahr genau diese Sprecherrolle, und zwar haben wir jetzt am 2. Dezember die Staffelübergabe, die Staffelstabübergabe an das "Weibernetz" [Die bundesweite Selbstvertretungsorganisation von Frauen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen – Anmerkung der Redaktion]. Das ist dann der nächste Punkt, der dann kommt. Und es ist ganz spannend als Sprecherin, weil man da natürlich auch relativ viel nicht nur zu sagen hat, sondern eben auch gemeinsam mit den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern etwas zu arbeiten.
Wir haben zum Beispiel jetzt am 3. November ein Treffen mit Kanzler Scholz. Das ist für uns auch ein großer Tag, wo wir dann auch wieder unsere berechtigten Anliegen einfach mal an die Politik loswerden können. Und da sind wir jetzt derzeit gerade in einer Absprache, welche Themen da angesprochen werden sollen oder mit dem Kanzler besprochen werden sollen.
Matthias Klaus: Wenn Sie jetzt dann zum Kanzler gehen, da kommen wir ja zur Frage: Was kann man eigentlich machen? Wie können Sie diese vielen verschiedenen Interessen von Rheuma-Liga bis Blinden- und Sehbehindertenverband so kanalisieren, dass Sie da – Sie werden vielleicht eine Stunde Zeit haben - dem mal erklären, was jetzt hier gerade wichtig ist. Wir waren ja alle sehr euphorisch. Vor einem Jahr gab es sehr schöne rot-grün-gelbe Koalitionsvereinbarungen, wo sehr viel drinstand was so alles gemacht werden soll, davon ist bisher noch nicht so viel passiert, sage ich mal. Was haben Sie denn auf der Agenda, was Sie Herrn Scholz dann erzählen wollen?
Michaela Engelmeier: Sie haben ja schon davon gesprochen, dass im Koalitionsvertrag zumindest erfreulich eben für die Belange von Menschen mit Behinderung was drinsteht und die überhaupt Erwähnung finden. Und damit wird eigentlich auch deutlich, dass die Teilhabe für Menschen mit Behinderung für die Regierungskoalition erst mal ein wichtiges Anliegen ist.
Aber Sie haben recht, es ist ja noch nicht so viel passiert. Deswegen haben wir das auch formuliert, was wir als unsere derzeitigen Anliegen an die Politik haben. Und das wäre als erstes oder das wäre - ich will das gar nicht "erstes, zweites, drittes [nennen]...", weil alles gleich wichtig ist. Aber der Krieg in der Ukraine hat zum Beispiel vieles verändert und beschäftigt uns alle, so auch den DBR. Seit Beginn des Angriffskrieges gab es viele Unterstützungsmaßnahmen für Menschen mit Behinderungen aus der Ukraine, da diese besonders und in besonders hohem Maße der Gewalt des Krieges ausgesetzt sind und Schutz und Unterstützung brauchten.
Ansonsten beschäftigen wir uns umfassend mit dem Thema "Barrierefreiheit", welches in so vielen Bereichen des täglichen Lebens relevant ist. Und wichtig ist dabei die Barrierefreiheit auch im privaten Bereich, also Digitales, Verkehr, Wohnen, Gesundheitsversorgung weiter voranzutreiben, weil sich in dem Bereich ein großer Teil des tatsächlichen gesellschaftlichen Lebens abspielt. Aber auch der Bereich Bildung spielt für den DBR eine wichtige Rolle, weil Bildung für alle Kinder ein wichtiger Grundstein für einen guten Start ins Leben und damit der gesellschaftlichen Teilhabe ist.
Der DBR begleitet unterschiedliche Gesetzgebungsverfahren in dem Bereich sehr intensiv und tauscht sich unter anderem in AGs zu den unterschiedlichen Themen aus. Und ein richtig wichtiges Thema ist die Triage, bei der es um die Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderung im Falle einer Verknappung medizinischer Ressourcen geht.
Und auf internationaler Ebene begleitet der Behindertenrat große Veranstaltungen wie zum Beispiel den G7 Global Inclusion Summit, der im September 2022 stattfand, und auch den Global Disability Summit, der 2025 stattfinden wird und in Deutschland federführend vom BMZ betreut wird.
Matthias Klaus: Gehen wir es mal ein bisschen einzeln durch, weil es ja schon interessant ist, welche Position der Behindertenrat hat. Wie steht es denn um behinderte Menschen in der derzeitigen Debatte um Entlastungen? Ist es so, dass Behinderte da immer gut mitgedacht werden oder gibt es spezielle Probleme, die Sie dann vielleicht auch beleuchten können, auch wenn Sie, sagen wir mal, bei Herrn Scholz da im November auflaufen werden?
Anieke Fimmen: Ja, es ist natürlich so wie es eigentlich immer bei allen Gesetzgebungsverfahren ist. Und das ist für uns auch wichtig, dass wir einfach auch immer ganz besonders gucken, ob die Belange von Menschen mit Behinderungen auch mitgedacht sind. Und das ist so, wie Sie quasi indirekt gesagt haben. Häufig ist es nicht so, dass Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden und dass es dem SoVD halt auch ein wichtiges Anliegen ist oder dem DBR, dass das eben stattfindet. Und so ist es eben auch bei den Entlastungspaketen, die es jetzt gegeben hat, dass man da immer ganz genau gucken musste, ob denn auch die besonderen Belange und Probleme, die Menschen mit Behinderung haben, auch berücksichtigt sind.
Ich denke dabei nur an die Stromversorgung, das ist ja für Menschen mit Behinderung auch noch mal wichtig, wenn es darum geht, wenn sie an ein Beatmungsgerät angeschlossen sind zum Beispiel. Das ist jetzt sehr dramatisch, aber eben auch solche Dinge wie im täglichen Leben, wenn einfach mal der Aufzug ausfällt oder Beleuchtungen nicht mehr so vorhanden sind, dass es dann eben für sehbeeinträchtigte Menschen ein echtes Teilhabeproblem sein kann. Und insofern müssen wir da als DBR einfach immer darauf achten, dass das eben auch berücksichtigt wird.
Wenn wir Gespräche zum Beispiel mit dem BMAS (das Bundesministerium für Arbeit und Soziales) haben - es ist häufig mit dem BMAS, weil ja die Belange von Menschen mit Behinderung hauptsächlich von dem Beauftragten für Menschen mit Behinderung betreut werden, und der ist ja eben dem BMAS unterstellt. Und darum haben wir auch einen ganz regen Austausch mit diesem Ministerium und achten da halt immer drauf, dass die Belange auch berücksichtigt werden.
Matthias Klaus: Sie haben bei Herrn Dusel auch mal gearbeitet, habe ich gelesen.
Anieke Fimmen: Ja, das ist richtig. Bis vor kurzem ja.
Matthias Klaus: (lacht)
Michaela Engelmeier: (lacht)
Anieke Fimmen: (lacht)
Michaela Engelmeier: Das stimmt. Frau Fimmen und ich, wir haben quasi beide am 1.9. hier angefangen beim SoVD. Also wir beide sind jetzt seit knapp fünf Wochen dabei und das ist eine sehr spannende und tolle Zusammenarbeit. Aber vielleicht auch noch mal, Anieke, was wir jetzt auch immer wieder machen: Wir führen natürlich viele, viele politische Gespräche mit Politikerinnen, Staatssekretären, Ministern und da ist es immer ein Tagesordnungspunkt, bei diesen Gesprächen natürlich auch für die Menschen mit Behinderungen dort mitzusprechen. Das hatten wir heute zum Beispiel. Wir hatten Staatssekretär Schmachtenberg zu Besuch, und da habe ich das natürlich auch zum Thema gemacht, zum Beispiel was Anieke gerade sagte mit diesen Aufzügen. Aber barrierefreies Wohnen auch, wo man sich dann eigentlich wünscht, dass das bei uns eigentlich selbstverständlich sein sollte, dass alle Bauanträge von Wohnungen, Genossenschaften und Wohnungsgenossenschaften immer barrierefrei gedacht werden. Aber das ist leider noch nicht so und deswegen gibt es natürlich da auch noch unfassbar viel zu tun. Und wir sind da halt immer mit dran.
Matthias Klaus: Das Triagegesetz war hier auch Thema bei uns im Podcast. Ich habe damals mit Herrn Tolmein gesprochen, der die Klage beim Bundesverfassungsgericht damals vertreten hat. Welchen Eindruck haben Sie? Ist da jetzt ein Kompromiss in Sicht, mit dem auch behinderte Menschen leben können? Oder ist es so, dass es am Ende immer noch darauf hinausläuft, dass man sortiert, wer hier die besten Überlebenschancen hat - der darf überleben, wenn es denn mal so weit kommt -, dass Menschen auf der Intensivstation wirklich sortiert werden müssen.
Anieke Fimmen: Das ist natürlich ein sehr emotionales Thema, was ja schon seit langem Thema ist und hochgekommen ist es ja natürlich in der COVID Pandemie. Das brauche ich hier, glaube ich, auch nicht zu sagen. Und insofern ist das, seitdem wir mit dieser Pandemie zu tun haben, auch Thema gewesen. Und was jetzt gut ist und was wir alle als DBR und als Behindertenverbände sehr begrüßen, ist halt die Tatsache, dass die sogenannte "Ex-Post-Triage" aus dem Gesetz raus ist. Also, es wird nicht stattfinden, dass, wenn sozusagen, die medizinische Versorgung schon vergeben ist und dann jemand anders kommt, der auch einer medizinischen Behandlung bedarf, der andere dann abgestellt wird - ganz flapsig ausgedrückt, Entschuldigung. Und also das ist schon mal gut. Und was uns als DBR auch ganz wichtig ist, dass eben die Weiterbildung von den Menschen, die eben im medizinischen Bereich zu entscheiden haben, also sprich Pflege und Ärztinnen und Ärzte, dass die eine behindertenspezifische Weiterbildung bekommen. Das soll auch im Gesetz sein und das begrüßen wir auch sehr.
Was natürlich auch noch mal sehr wichtig ist, was auch eine heiße Diskussion war, dass das Mehraugenprinzip im Gesetz drin ist. Das ist uns auch noch sehr wichtig, Das sind so die, da sag ich jetzt mal so die "Big Points", die uns wichtig sind, dass das bleibt.
Michaela Engelmeier: Ich finde das auch ganz wichtig, da wir ja quasi so wie ein kleiner Zweckverband sind. Wir werden nächste Woche im Gesundheitsausschuss auch nicht nur ich als Sprecherin dort sitzen für den DBR, sondern alle beteiligten Verbände sitzen mit mir da und jeder von uns hat dann eben in einem Teil der Anhörung dort sein Statement abzugeben. Das ist auch ganz gut. Es ist jetzt nicht so, dass ich als Sprecherin dann überall alleine unterwegs bin, sondern wir sind immer alle zusammen.
Anieke Fimmen: Wo das im Prinzip ganz groß gemacht worden ist, diese Partizipation von Menschen mit Behinderung war eben das, was vorhin von uns schon gesagt wurde: das Bundesteilhabegesetz und es den Behindertenverbänden besonders wichtig war, dass sie eben in den politischen Entscheidungen, die sie betreffen, eben auch selbst mitsprechen können. Der Punkt ist eben einfach, dass Menschen mit Behinderung einfach wissen, wovon sie sprechen, wenn sie von Barrierefreiheit und von Inklusion sprechen.
Und in diesem von Ihnen erwähnten Papier geht es eben darum, dass Menschen mit Behinderungen beteiligt werden sollen und dass das aber auch und das ist auch immer wieder ein Problem, wo wir auch als Verbände bzw. auch als DBR immer wieder darauf hinweisen, dass die Fristen teilweise etwas kurz sind, um irgendwie Stellungnahmen zu machen. Und das ist natürlich für Menschen mit Behinderung noch mal besonders schwierig, weil sie ja teilweise eben auch körperliche Beeinträchtigungen haben und es dadurch eben auch teilweise schwieriger ist, schnell zu reagieren. Und irgendwie, wenn man nur eine 24 Stunden Frist hat, ist es einfach kompliziert, da dann adäquat drauf einzugehen. Und darum geht es hauptsächlich in diesem Papier.
Matthias Klaus: Man muss an der Stelle mal sagen, dass das wirklich passiert ist dieses Jahr. Gerade bei den Anhörungen zum Thema "Triage" gab es solche Fristen von ein, zwei Tagen: "Ach ja, euch haben wir vergessen einzuladen. Könnt ihr denn zufällig morgen Mittag?" So was ist natürlich... Da muss man schon fast vermuten, dass es Gründe gibt, warum man das macht, ob man vielleicht schnell mal was durchwinken möchte.
Eine andere Frage, die "Nichts über uns ohne uns Frage": Im SoVD geht es ja nicht nur um Behinderte. Wie sind behinderte Menschen im SoVD vertreten? Wie wichtig sind die eigentlich? Wie groß ist der Bereich? Vielleicht können Sie noch mal ein bisschen erklären, wie der SoVD da so aufgestellt ist. Was gibt es da noch alles für Bestandteile? Wen vertreten Sie noch? Ich nehme mal an, das weiß hier nicht jeder. Ist auch nicht jeder dort Mitglied. Wie ist das Verhältnis von Behinderung zu anderen Sozialthemen im SoVD?
Michaela Engelmeier: Ja, also vielleicht stelle ich einfach ganz kurz raus: Was ist denn der SoVD? Wir im SoVD setzen uns für die Verbesserung der Sozialgesetze und für die Rechte von sozial Benachteiligten sowie Menschen mit Behinderung und sozialem Beratungsbedarf ein. Wir geben ihnen gegenüber der Öffentlichkeit, der Politik und den Verwaltungen und Gerichten eine starke Stimme. Und die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen in allen Lebenslagen ist unser vorrangiges Ziel.
Der SoVD vertritt die Interessen der Rentner, der Patienten und gesetzlich Krankenversicherten sowie der pflegebedürftigen und behinderten Menschen. Und welche Bedeutung haben die Interessen behinderter Menschen innerhalb unseres Verbandes, innerhalb des SoVDs? Der SoVD setzt sich schon aufgrund seiner Gründungsgeschichte als Kriegsopferverband seit jeher für die Interessen von Menschen mit Behinderung ein. Und die Themen Inklusion, gleichberechtigte Teilhabe und Barrierefreiheit stehen ganz oben auf unserer sozialpolitischen Agenda. Und der SoVD ist - wie wir wissen - Mitglied im Deutschen Behindertenrat und bezieht regelmäßig gegenüber der Politik Stellung. Und wir machen ja sehr viele Sozialberatungen oder Sozialrechtsberatungen. Das ist eigentlich auch so mit unser großes Geschäft. Nein, nicht "Geschäft", denn wir verdienen nichts daran. Aber wir beraten eben die Menschen auch ganz intensiv. Und das ist der SoVD.
Matthias Klaus: Frau Fimmen, wie steht es um die "Nichts über uns ohne uns“-Forderungen in der praktischen Arbeit des SoVD, wenn Sie darüber reden möchten? Gibt es genug behinderte Menschen, die dort ihre Interessen aus der eigenen Anschauung vertreten? Oder spricht der Verband für jemanden und Sie sind die einzige?
Anieke Fimmen: Nein, also da kann ich jetzt mal ganz klar sagen, dass dem SoVD die Belange von Menschen mit Behinderung sehr wichtig sind, wie Frau Engelmeier gerade gesagt hat, aber vor allem auch die Teilhabe am Arbeitsleben. Und das kann ich jetzt auch selber sagen, das sieht hier keiner, weil wir nur zuhören und wir hier nur auditiv unterwegs sind, ich sitze selber im Rollstuhl. Und bin seit meiner Geburt schwerbehindert und sitze seit langer, langer Zeit im Rollstuhl. Also, als andere Leute laufen gelernt haben, habe ich meinen ersten Rollstuhl gekriegt und das kann ich einfach sagen, ich bin ja jetzt erst seit – wie Frau Engelmeier vorhin auch schon sagte - erst ein paar Wochen da. Aber ich kann sagen, dass es dem SoVD ein wichtiges Anliegen ist. Und insofern ja, ich versuche jetzt natürlich meine Perspektive, meine Sichtweise auf die Dinge eher aus den unterschiedlichen Perspektiven, die ich habe, mit einzubringen. Und ich finde das gut, dass der SoVD da auch mitzieht.
Matthias Klaus: Was steht als Nächstes an, jenseits des Treffens mit Herrn Scholz im November? Was sind die nächsten Aktionen, die der Behindertenrat durchführen möchte?
Michaela Engelmeier: Na ja, können wir uns mal abwechseln, Anieke? Dann machen wir jetzt nächste Woche der Gesundheitsausschuss, also die Anhörung, wo wir dabei sind. Dann haben wir die Staffelstabübergabe am 2. Dezember zu dem "Weibernetz" hin. Wir haben jetzt demnächst wieder ein Treffen mit dem Arbeits- und Sozialminister, da werden wir unsere Forderungen gut anbringen.
Wir sind jetzt in der Terminfindung mit der Bauministerin, weil auch da gibt es ja ganz viel, was wir machen und Anieke, was kannst du sagen?
Anieke Fimmen: Ich kann noch mal ergänzen: Also am 2. Dezember geht es eben darum, wie Frau Engelmeier gerade sagte, um die sogenannte "Staffelstabübergabe", die einmal im Jahr stattfindet. Und da werden wir dann jetzt im Prinzip auch eine große Veranstaltung machen, wo es eben auch darum geht, die unterschiedlichen Behinderungen, also von Menschen mit Behinderung, möglichst sichtbar zu machen. Und ja, ich glaube, ich spreche da für uns beide. Wir sind beide sehr gespannt drauf, wie das wird und hoffen eben auch, dass wir da eben auch so ein bisschen Bewusstseinsbildung für die unterschiedlichen Behinderungen auch so ein bisschen dazu beitragen können. Genau.
Matthias Klaus: Das war "Echt behindert!" für heute. Zu Gast war Michaela Engelmeier vom SoVD und derzeitige Sprecherratsvorsitzende des Deutschen Behindertenrates und Anieke Fimmen vom SoVD. Sie ist dort Referentin für Sozial- und Behindertenthemen.
Ich danke Ihnen beiden, dass Sie Zeit hatten und wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren Kampagnen. Schönen Dank, dass Sie Zeit für uns hatten.
Michaela Engelmeier: Oh, danke schön.
Anieke Fimmen: Danke schön.
Matthias Klaus: Das war "Echt behindert!" für heute. Mein Name ist Matthias Klaus.
Sprecher: Mehr folgen unter dw.com/echtbehindert.
Mehr Informationen zum Deutschen Behinderten rat gibt es hier: https://www.deutscher-behindertenrat.de/
Dieses Transkript wurde zum Zwecke der Barrierefreiheit unter Nutzung einer Spracherkennungs-Software erstellt und danach auf offensichtliche Fehler hin korrigiert. Es erfüllt nicht unsere Ansprüche an ein vollständig redigiertes Interview. Wir danken für das Verständnis.