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Die Kandidaten für den Deutschen Buchpreis

Aygül Cizmecioglu12. September 2012

Die "Shortlist" ist raus, mit den sechs Büchern, die ins Rennen um den renommierten Deutschen Buchpreis gehen. Eines davon wird am 8. Oktober zum besten Roman des Jahres 2012 gekürt. Wir stellen die Favoriten vor.

Bücherstapel
Bücher Bücherstapel Symbolbild Literaturbetrieb Literatur VerlagBild: Fotolia/svort

Portugal, Maghreb, Kuba - viele der nominierten Bücher führen uns in die Ferne. Es sind Geschichten von Ausbrechern und Heimkehrern. Neben einfühlsamen Familienromanen dominieren experimentierfreudige Abenteuer die so genannte "Shortlist". Eine Jury aus Literaturkritikern hat aus 162 Neuerscheinungen sechs Bücher in die Endauswahl für 2012 genommen. Unter den Nominierten fehlt in diesem Jahr die große Überraschung. Ein Debütant ist nicht dabei. Dafür gibt es gleich zwei Autoren, die es schon einmal in die Endauswahl geschafft hatten. Die Jury setzt auf bewährte, aber nicht allzu bekannte Namen - mit Ausnahme eines preisgekrönten Bestseller-Autors.

Wer am 8. Oktober 2012 das Rennen um den Deutschen Buchpreis gewinnt, kann sich über 25.000 Euro und eine große Publikumsresonanz freuen. Die Auszeichnung wird seit 2005 vergeben und orientiert sich an renommierten Vorbildern wie dem französischen Prix Goncourt und dem britischen Booker Prize. Ziel ist es, deutschsprachige Literatur, besonders im Ausland, bekannter zu machen. Wir stellen Ihnen die Favoriten vor:

Ernst Augustin: "Robinsons blaues Haus", C.H. Beck Verlag
Mit 84 Jahren ist Ernst Augustin der Älteste unter den Nominierten und einer der wichtigsten Vertreter der phantastischen Literatur. In seinem neuen Roman lässt der Münchner Autor und Psychiater einen modernen Robinson durch Zeit und Raum reisen. Der Titelheld ist ein gewiefter Banker, der sich mit riskanten Geldtransaktionen auskennt und auf der Flucht ist. Von New York bis Warschau hat er sich luxuriöse Besenkammern eingerichtet, in denen er in die virtuelle Welt abtaucht. Ein getriebener Einzelgänger, dessen Leben zwischen Wahrheit und Wahn changiert. Augustins Roman ist erzählerisch voller doppelter Böden und Falltüren. Ein traumhaftes Erzähllabyrinth, in dem man sich verlaufen soll.

Wolfgang Herrndorf: "Sand", Rowohlt Berlin
Seine Bücher sind wie Filme zum lesen. Wolfgang Herrendorf, geboren 1965, wird als einer der besten Schriftsteller seiner Generation gefeiert. Mit seinem Roadmovie-Roman "Tschick" landete er einen Bestseller. "Sand" ist das düstere Gegenstück dazu. Eine Geschichte, die 1972 irgendwo im Maghreb, einer Region in Nordwestafrika, spielt. In einer Hippie-Kommune geschehen Morde. Exzentrische Greise, geheimnisvolle Frauen und ein Mann ohne Erinnerung tauchen auf. Zwischen Flower-Power-Romantik und Spionage erzählt Herrendorf von der Unendlichkeit der Wüste. Seit er an einem Gehirntumor erkrankt ist, hat sich der Autor aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Sein lakonischer Abenteuerroman heimste 2012 bereits den Preis der Leipziger Buchmesse ein. Gewinnt er für "Sand" auch den Deutschen Buchpreis, wäre das eine Sensation.

Ursula Krechel: "Landgericht", Jung und Jung Verlag
Sie ist die einzige Frau auf der diesjährigen "Shortlist". Ursula Krechel, bis jetzt vor allem als Lyrikerin bekannt, geht mit ihrem zweiten Roman auf Spurensuche in die deutsche Vergangenheit. Ein jüdischer Richter kommt nach Jahren im kubanischen Exil wieder zurück ins Nachkriegsdeutschland. Die einstige Heimat ist ihm fremd geworden, genauso wie seine Familie. Krechel setzt die einzelnen Lebenslinien zu einem Kaleidoskop zusammen. Die einsame zurückgebliebene Ehefrau, ein Mann, der nicht mehr zurechtkommt in seinem Alltag und Kinder, die sich entfremdet haben und zurück zu den Pflegeeltern in Großbritannien möchten. In den 1950er Jahren war kein Platz für solche Familienschicksale. "Landgericht" nimmt dem deutschen Wirtschaftswunder den Glanz und zeigt, welche feinen Risse sich dahinter verbargen.

Clemens J. Setz: "Indigo", Suhrkamp Verlag
Als "Wunderkind der österreichischen Literatur" wird er vom Feuilleton gelobt. Clemens J. Setz ist mit 29 Jahren der Jüngste unter den Nominierten und hat es nach 2009 schon zum zweiten Mal in die Endauswahl für den Deutschen Buchpreis geschafft. In seinem neuen Roman wütet eine rätselhafte Krankheit, das "Indigo-Syndrom" in einem Internat. Schüler verschwinden auf mysteriöse Weise. Ein junger Mathematiklehrer namens Clemens Setz beginnt mit Nachforschungen und wird prompt aus dem Schuldienst entlassen. Der Grazer Autor spielt gekonnt mit Identitäten, auch seiner eigenen. Keine leichte Wohlfühlprosa, die abperlt, sondern ein wagemutiges Erzählkonstrukt, das überrascht.

Stephan Thome: "Fliehkräfte", Suhrkamp Verlag
Auch Stephan Thome schaffte es 2009 bereits auf die "Shortlist". Nach seinem Debüt "Grenzgang" darf er sich nun mit "Fliehkräfte", seinem zweiten Roman, Hoffnungen auf den Deutschen Buchpreis machen. Der studierte Sinologe, Jahrgang 1972, erzählt diesmal von der Sinnkrise eines saturierten Philosophieprofessors. Die Tochter ist aus dem Hause, seine Frau genießt ihren neuen Job in einer anderen Stadt. Die Fernbeziehung und die Umwälzungen an der Universität lassen den Endfünfziger straucheln. Auf einer langen Fahrt nach Portugal will er die Koordinaten seines Lebens neu ordnen. Es wird eine Reise ans Meer und zu sich selbst - ohne ein reinigendes Gewitter.

Ulf Erdmann Ziegler: "Nichts Weißes", Suhrkamp Verlag
In diesem Roman geht es um das, was Literatur zusammenhält. Buchstaben, einzelne Lettern, die Stück für Stück ganze Universen erschaffen. Es ist die Geschichte einer Typografin, die von der perfekten Schrift träumt. Gleichzeitig entwirft Ulf Erdmann Ziegler das gesellschaftliche Panorama Westdeutschlands in den 1970er und 1980er Jahren. Eine Welt aus Neubausiedlungen und liberalen Erziehungsmethoden, durchdrungen von der New Wave-Musik dieser Zeit. Der Autor, selbst geboren 1959, ist ein genauer Chronist seiner Generation mit einem besonderen Faible für Relikte und Zeitenwenden. Am Ende seines Romans ahnt man das Ende der Galaxis von Johannes Gutenberg, dem Erfinder des Buchdrucks. Die Bleilettern werden bald umziehen in eine digitale Welt. Und nichts wird mehr so sein, wie es einmal war.

Bild: Arne Reimer
Bild: HeikeSteinweg / Suhrkamp Verlag
Bild: Paul Schirnhofer / Suhrkamp Verlag
Bild: Alexander Paul Englert
Bild: picture-alliance/dpa
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