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Literatur

Streitpunkt Deutscher Buchpreis - beliebt und verschmäht

Sabine Peschel
17. Oktober 2016

Alljährlich im Oktober wird der Roman des Jahres gekürt. Doch der Deutsche Buchpreis ist viel mehr. Höhepunkt des deutschen Buchherbstes und alljährlich Anlass für Scharmützel im Literaturbetrieb.

Themenbild Bücher
Bild: utemov - Fotolia.com

Eines steht außer Frage: Der Deutsche Buchpreis ist ein Erfolg. Als Prestigeprojekt der Buchbranche wurde er 2005 lanciert. Damals wurde die Auszeichnung vom altehrwürdigen Börsenverein des Deutschen Buchhandels ins Leben gerufen. Seitdem hat er die Aufmerksamkeit für deutschsprachige Romane erhöht und den Umsatz befördert. Er würdigt Verlage für ihr literarisches Engagement und befriedigt das Bedürfnis der Leser nach Orientierung. Und - er hat sich als leistungsfähiges Marketinginstrument bewiesen.

Prestigeprojekt der Buchbranche

Internationale Vorbilder

Als der Deutsche Buchpreis aus der Taufe gehoben wurde, hatte der Buchhandel ein paar harte Jahre hinter sich. Etwas Neues, eine Art "Schwungrad" musste her. Der Börsenverein unternahm den Versuch, einen Preis zu etablieren, der ein einzelnes Buch ins Rampenlicht rückt und nicht wie beim renommierten Büchner-Preis das Gesamtwerk eines Autors würdigt. Der englische Man Booker Prize und der Prix Goncourt aus Frankreich waren die Vorbilder. Große Sponsoren wie die Deutsche Bank Stiftung wurden ins Boot geholt. 37.500 Euro sind alljährlich im Topf, 25.000 Euro davon für den Sieger, 2.500 Euro jeweils für die anderen fünf Shortlist-Kandidaten.

Man könnte meinen, Autoren, Verlage, Buchhandel und Medien sollten glücklich sein über eine so vielversprechende und medienwirksame Auszeichnung. Das Gegenteil ist der Fall. Seit seiner Einführung steht der Preis in der Kritik. Die Satirezeitschrift "Titanic" beschimpfte ihn gar als "Reklamepreis".

Unfairer Vergleich?

Moment der Bekanntgabe 2013 - ein freudiger Schock für die Gewinnerin Terézia MoraBild: picture-alliance/dpa

Die Frage, auf wessen Kosten jedes Jahr am Vorabend der Buchmesse ein Buch zum "Roman des Jahres" gekürt wird, gehört unvermeidlich zum Echo der Zeremonie im Kaisersaal des Frankfurter Römers. Kann es ein stimmiges Verfahren sein, bei dem eine jährlich wechselnde Jury zwanzig Romane durch ihre Auswahl besonders hervorhebt, ehe sie sechs davon auf ihrer Shortlist und damit ins Licht der medialen Scheinwerfer stellt?

Ist es überhaupt fair, einen Roman unter hunderten, die erst gar nicht in die Auswahl kommen, zum Sieger zu küren? Vergleicht man nicht unweigerlich den großen Familienroman mit dem fragmentierten Experiment, Äpfel mit Birnen? Ist die aus Literaturkritikern und Buchhändlern zusammengesetzte Jury überhaupt ausreichend kompetent?

Umsatz und Ehre nur für wenige Autoren

Es gibt in Deutschland 465 Literaturpreise, etwa 80 internationale Preise, von denen viele auch für deutschsprachige Literatur berücksichtigen, kommen noch hinzu. Vor dem Deutschen Buchpreis existierte bereits der in Leipzig verliehene Deutsche Bücherpreis, der später unter dem Namen "Preis der Leipziger Buchmesse" bekannt wurde. Gut dotiert mit 45.000 Euro und angesehen unter Kritikern, reicht seine Ausstrahlung doch nicht an die des "großen Bruders" vom Main heran. Die Verleihung des Deutschen Buchpreises am Vorabend der Frankfurter Buchmesse, der größten Bücherschau der Welt – kluges Timing mit Aufmerksamkeitsgarantie. Und gerade hier setzt immer wieder die Kritik an.

Eugen Ruge schaffte es mit seinem Gewinner-Roman 2011 auf Platz 1 der BestsellerlistenBild: picture-alliance/dpa/U.Baumgarten

Knapp 90.000 Neuerscheinungen warfen die Verlage 2015 auf den deutschen Buchmarkt. Welchen Anteil literarisch anspruchsvolle, deutschsprachige Belletristik daran hat, lässt sich nur schätzen. Es kursiert eine Zahl in der Größenordnung von 2000. Doch in den großen Feuilletons besprochen und damit wahrgenommen, werden die wenigsten Bücher. Der Deutsche Buchpreis befördere diese Monopolisierung der medialen Aufmerksamkeit nur – ein immer wieder erhobener Vorwurf. Er verenge den Blick auf das weite Feld der schönen Literatur, schärfe die Konzentration auf einige wenige Autoren.

Der Umsatz scheint den Kritikern recht zu geben. Für jeden der bisherigen elf Preisträger bedeutete die Auszeichnung einen enormen Anstieg der Verkaufszahlen. Das erste Siegerbuch "Es geht uns gut", Arno Geigers österreichische Familiensaga, verkaufte sich schon im ersten Jahr nach dem Gewinn rund 200.000 Mal. Die Buchpreisträger von 2008 und 2011, Uwe Tellkamp und Eugen Ruge, erreichten mit ihren Romanen über die DDR-Vergangenheit Auflagen von mehr als einer halben Million. Deutschsprachige Autoren ohne das Label "Buchpreis-Gewinner" können von solchen Umsätzen nur träumen.

Kritiker Daniel Kehlmann - nominiert, aber nie ausgezeichnet mit dem Deutschen BuchpreisBild: picture alliance

Harte Vorwürfe

Daniel Kehlmann gehört zu den ganz wenigen, die es auch ohne die renommierte Auszeichnung im Literaturbetrieb geschafft haben. Ausgerechnet er forderte 2008 die Abschaffung des "Spektakels", dessen Prozedur für die Schriftsteller nur deprimierend sei. Bei der Verleihung säßen die sechs Autoren der Shortlist "wie Schlagersänger in einer Castingshow" vor dem Podium. 2014, in seinem zehnten Jahr, hagelte es besonders harte Kritik. Die Auswahl der Bücher für die Longlist sei undemokratisch, qualitativ fragwürdig und nur auf den Verkauf schielend.

Als frauenfeindlich, geradezu sexistisch geschmäht hat den Preis die Autorin Marlene Streeruwitz. Daran änderte für sie auch die Tatsache nichts, dass es bis dahin mehr Schriftstellerinnen gab, die ausgezeichnet worden waren, als männliche Kollegen. 2015 fuhr die Tageszeitung "Die Welt" eine scharfe Attacke, indem sie der Buchpreis-Jury schlicht die Kompetenz absprach.

Wer schafft es auf die Shortlist?

Trotz aller Kritik wird der Preis 2016 nun zum zwölften Mal nach den bekannten Spielregeln vergeben. 98 Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben bis zu drei vielversprechende neue Romane eingereicht, dazu konnten die Jurymitglieder eigene Vorschläge ergänzen. Die Jury wählte aus 178 Titeln aus und setzte am Ende sechs Bücher auf die begehrte Shortlist. Die Auswahl wartete mit Überraschungen auf und wurde im deutschen Feuilleton – in guter alter Tradition – verrissen.

Man echauffierte sich über fehlende Namen. Dass einige Autoren mit ihren Romanen spät fertig wurden und somit nicht berücksichtigt werden konnten, ignorierte man dezent. Ebenso die Tatsache, dass viele Verlage bestimmte Neuerscheinungen, manche auch auf Wunsch der Schriftsteller selber, nicht eingereicht hatten. Der möglichen Schmach, nominiert zu werden, auf den großen Durchbruch zu hoffen und dann leer auszugehen, mag sich nicht jeder Schriftsteller aussetzen.

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