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PolitikNahost

Deutsche Anzeige gegen Syrien wegen Folter

10. November 2020

Der für eine Hilfsorganisation tätige Martin Lautwein wurde in Syrien verhaftet - und erlebte im Gefängnis die Hölle. Mit seiner Anzeige will er mit dazu beitragen, die Brutalität des Assad-Regimes zu entlarven.

Verletzungen durch Folter am Bein eines früheren Häftlings eines Gefängnisses in Damaskus (Foto: DW/A. Alahdab)
Verletzungen durch Folter am Bein eines früheren Häftlings eines Gefängnisses in DamaskusBild: DW/A. Alahdab

Erstmals hat ein deutscher Staatsbürger Strafanzeige wegen Folter gegen Syriens Geheimdienst erstattet. Martin Lautwein sei 2018 vom syrischen Militärgeheimdienst 48 Tage lang inhaftiert worden, als er humanitäre Hilfe habe leisten wollen, teilte das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) in Berlin mit. Der Deutsche habe sich einer Strafanzeige von syrischen Folteropfern in Deutschland angeschlossen, um einen Beitrag zur Aufarbeitung der Verbrechen in Syrien zu leisten.

Sich wie ein Tier gefühlt

Lautweins Anzeige wurde beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe erstattet, wie WDR, SWR und "Süddeutsche Zeitung" berichteten. In der Anzeige seien zahlreiche Verbrechen aufgeführt, darunter Folter, Tötung und Vergewaltigung. Man habe Lautwein vorgeworfen, für einen ausländischen Geheimdienst zu arbeiten, womöglich weil er Kontakt zu Kurden hatte. Auch er selbst sei im Gefängnis gefoltert worden. Zudem habe er miterlebt, wie andere brutal misshandelt, vergewaltigt und getötet worden seien. Zwei Tage lang habe er sich gefühlt wie ein Tier.

Die Wunden eines Syrers, der in der Nähe von Aleppo von Truppen des Assad-Regime misshandelt wurdeBild: James Lawler Duggan/AFP

"Nur wegen meines deutschen Passes konnte ich nach Hause", sagte Lautwein laut der Menschenrechtsorganisation. "Jetzt will ich mein Privileg dafür nutzen, Menschen in Deutschland darauf aufmerksam zu machen, was in Syrien jeden Tag passiert."

Den Angaben zufolge wurde der Deutsche zusammen mit einem australischen Freund auf offener Straße in Qamischli im Nordosten Syriens inhaftiert und nach Damaskus in die Abteilung 235 gebracht. Dank diplomatischer Intervention kamen beide frei. Tschechien hatte laut ECCHR mit dem Regime von Machthaber Baschar al-Assad die Freilassung verhandelt, weil das Land als einziger EU-Staat noch über eine Botschaft in Syrien verfügte.

Zustände halten vermutlich bis heute an

Lautwein habe keine Augenbinde tragen müssen und könne daher detaillierte Angaben zu den schweren Menschenrechtsverbrechen im Gefängnis machen, wie Folter, sexualisierte Gewalt und menschenunwürdigen Verhältnissen. Mit seiner Aussage könne er belegen, dass solche Zustände auch 2018 und vermutlich bis heute in Syrien herrschten, sagte Patrick Kroker vom ECCHR. Bisher hätten Zeugen vor allem von Taten bis 2015 berichtet. Deutschland müsse diese Beweise ernst nehmen und handeln.

Eine syrische Aktivistin zeigt in Koblenz das Fotos ihres Vaters, der in syrischer Haft verschwunden istBild: DW/M. von Hein

Seit April müssen sich vor dem Oberlandesgericht Koblenz zwei ehemalige syrische Geheimdienstfunktionäre wegen Folter und Mord verantworten. 13 syrische Folteropfer hatten Anzeige erstattet. Zudem hat die Bundesanwaltschaft 2018 Haftbefehl gegen den Ex-Chef des syrischen Luftwaffengeheimdienstes erlassen. Weitere Schritte müssten folgen, um die Verbrechen in Syrien aufzuarbeiten, forderte das ECCHR.

sti/se (afp, epd, kna)