Die UNESCO hat entschieden: Die deutsche Tradition des Orgelbaus und der Orgelmusik gehört zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Auch die Pizzabäckerkunst aus Neapel wurde in die Liste aufgenommen.
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Highlights der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes
Yoga, Falknerei und jetzt auch der Deutsche Orgelbau gehören zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit. 366 geschützte Alltagskulturen und -traditionen gibt es bereits. Wir zeigen die wichtigsten:
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Orgelbau und Orgelmusik aus Deutschland
Die Tradition des Orgelbaus wird in Deutschland seit dem Mittelalter gepflegt. Rund 50.000 Orgeln gibt es bundesweit, 400 Orgelbaubetriebe und zehntausende Organisten. Die lassen die eigens für die hochkomplexen Instrumente komponierte Musik erklingen - geschrieben von deutschen Komponisten wie Johann Sebastian Bach. Hier wird die von ihm bespielte Orgel in der Leipziger Thomaskirche gereinigt.
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Neapolitanische Pizzabäckerkunst
Aber natürlich muss die Pizza dazu gehören! Was wäre die Welt ohne sie? Pizza ist Genuss, Pizza macht satt, Pizza ist preiswert. Und nirgends schmeckt sie so gut wie in Neapel. Dort wird die Kunst des Pizzabackens seit Generationen von den "pizzaioli" (Pizzabäckern) weitergegeben. Ihr Markenzeichen: das kunstvolle Herumwirbeln des Pizzateigs, das ihn mit Sauerstoff anreichert.
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Genossenschaft: Förderer der Partizipation
Auch die Idee der Genossenschaft hat die Unesco in die Liste aufgenommen. Es war der erste rein deutsche Beitrag. "Eine Genossenschaft ist eine freiwillige Vereinigung von Menschen mit gleichen Interessen, die individuelles Engagement und Selbstbewusstsein fördert", so die Unesco. Sie fördere soziale, kulturelle und ökonomische Partizipation.
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Falknerei in Deutschland
Noch immer gilt die Beizjagd mit abgerichteten Greifvögeln zur hohen Kunst des Jagens. Mit ausgebreiteten Schwingen stürzt der gefiederte Jäger auf Feder- und Haarwild herab. Trotz des Namens werden bei der Falknerei auch andere Greifvögel eingesetzt. Schon seit 2010 zählt die UNESCO die Falknerei zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Mittlerweile auch für Deutschland.
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Indisches Yoga
Im Westen versteht man unter Yoga häufig nur eine körperliche Übung. In Indien aber ist Yoga mehr, nämlich eine von sechs klassischen Schulen der indischen Philosophie - und das mit den unterschiedlichsten Formen. Mal überwiegen Meditation und geistige Konzentration, dann körperliche Positionen und Atemübungen. Andere betonen die Askese. Seit 2016 gehört das indische Yoga zum Weltkulturerbe.
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Belgische Bierkultur als lebendiges Erbe
Die Herstellung und Wertschätzung des Bieres gehörten in Belgien zum lebendigen Erbe vieler Gemeinschaften, entschied die UNESCO-Kommission. Das Getränk spiele im Alltag wie bei Festen eine große Rolle und werde auch zur Herstellung von Lebensmitteln verwendet. Etwa 1500 belgische Biersorten sind auf dem Markt. Die Geschichte des belgischen Bieres reicht über Jahrhunderte zurück ins Mittelalter.
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Identität stiftend: Das persische Neujahrsfest
Die Unesco würdigte auch das traditionelle Neujahrsfest, das in Ländern wie dem Iran, Afghanistan und Indien begangen wird. Es hebe sich durch seine traditionellen Speisen und Rituale hervor. In Deutschland ist es vor allem unter dem Namen Nouruz bekannt und wird auch als Frühlingsfest bezeichnet, da es am 20. oder 21. März gefeiert wird.
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Peking-Oper als ästhetisches Ideal
Diese in China sehr beliebte Operngattung verbindet Gesang und Rezitation mit Schauspiel und Kampfkunst. Die Opern erzählen Geschichten aus Politik, Gesellschaft und Geschichte und folgen dabei einer strengen Reimform. Die Schauspieler in ihren extravaganten Kostümen bewegen ihre Hände, Augen und Füße nach einer traditionellen Choreographie. Die Szenenbilder wirken dagegen sehr reduziert.
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Koreanisches Kimchi als Aufpepper
Das durch Fermentierung haltbar gemachte Gemüse wird in Korea zu den meisten Gerichten serviert. Jede Familie hütet ihr eigenes Rezept und gibt es von Generation zu Generation weiter. In den Erntemonaten kommen ganze Gemeinden zusammen, um große Mengen ihres Lieblingsgemüses für den Winter vorzubereiten. Diese Arbeit nennt man "Kimjang" - sie soll zum sozialen Zusammenhalt beitragen.
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Portugiesischer Fado als Musik der Seele
Im Fado findet man Lissabons gesamtes multikulturelles Erbe. Sein Ursprung liegt im 19. Jahrhundert. Die Lieder erzählen sehr oft von unglücklicher Liebe oder von sozialer Ungerechtigkeit. Sie sehnen sich nach früheren Zeiten und wünschen sich soziale Verbesserungen. Die Sängerin oder der Sänger wird meistens von einer portugiesischen Gitarre mit 12 Saiten und einer Bassgitarre begleitet.
Bild: Adriao/GNU
Brasiliens Capoeira als historisches Gedächtnis
Die afro-brasilianische Tradition ist eine Kampfkunst oder eine Art Kampftanz. Sie würdigt den Widerstand der Sklaven gegen ihre Unterdrückung im Brasilien des 18. Jahrhunderts. Dabei bilden die Teilnehmer einen Kreis um zwei Spieler, die gleichzeitig kämpfen und tanzen. Die Capoeira-Gruppe singt, klatscht und trommelt nach einem ganz bestimmten Rhythmus, der "Toque" genannt wird.
Bild: dapd
Imster Schemenlaufen als Karnevalstradition
Während es Deutschland bisher vergeblich versucht hat, den Karneval auf die UNESCO-Liste setzen zu lassen, haben es die Österreicher mit ihrem einzigartigen Fastnachtsbrauch aus Imst in Tirol 2012 geschafft. Das Fest findet alle vier Jahre am Sonntag vor dem Beginn der Fastenzeit statt. Maskierte und kostümierte Männergruppen tanzen und springen durch die Straßen und läuten ihre Glocken.
Bild: Melitta Abber/UNESCO
Mexikos Mariachi als Kultur-Botschafter
Mit ihrem unverwechselbaren Sound ist die Mariachi-Musik ein wesentlicher Bestandteil der mexikanischen Kultur. Mit Liedern auf spanisch und in indianischen Sprachen bewahrt sie das kulturelle Erbe Mexikos. Die Mariachi-Gruppen erzählen mit ihren Polkas und Balladen von Schlachten und Liebesbeziehungen. Die Musiker tragen ihre traditionelle Kleidung und den typisch mexikanischen Sombrero.
Bild: 2006 by Cámara de Comercio de Guadalajara, by permission of UNESCO
Chinas Drachenbootfest als Abwehr des Bösen
Festivals erscheinen häufig auf der Liste des immateriellen Kulturerbes, einschließlich des chinesischen Drachenbootfestivals. Bei einer Sportveranstaltung mit Drachenbootrennen wird diese Gedenkzeremonie mit Reisklößen und Rubinschwefelwein sowie Opern- und Einhorntänzen kombiniert. Die Teilnehmer baden in duftendem Wasser und tragen Seide, um während des Festivals das Böse abzuwehren.
Bild: picture-alliance/dpa/ChinaPhotoPress
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Das teilte die Weltkulturorganisation Unesco in der Nacht auf Donnerstag (7.12.2017) mit. Der zwischenstaatliche Ausschuss berät derzeit über die Aufnahme von 35 Formen des Könnens und Wissens aus aller Welt. Er tagt noch bis Freitag im südkoreanischen Jeju. Bereits am Mittwoch wurden unter anderem die kubanische Musik Punto, das Shital-Pati-Weben aus Bangladesch und der Zaouli-Tanz aus der Elfenbeinküste aufgenommen.
Nach der Falknerei und der Genossenschaftsidee sind Orgelmusik und Orgelbau das dritte deutsche Kulturgut auf der internationalen Liste der Weltkulturorganisation UNESCO. "Deutschland hat mit rund 50.000 Orgeln die höchste Orgeldichte der Welt", erklärt die deutsche UNESCO-Kommission. Vizepräsident Christoph Wulf betont: "Jede Orgel ist ein Unikat, weil sie einzig für den architektonischen Raum erbaut wird, in dem sie erklingen soll."
Kulturgut seit Jahrtausenden: Orgelbau und Orgelmusik
In Deutschland gibt es etwa 400 handwerkliche Orgelbaubetriebe (s. Artikelbild, Orgelbau der Firma Klais) mit rund 1800 Mitarbeitern. Ihre Orgeln bespielen etwa 3500 hauptamtliche und 10.000 ehrenamtliche Organisten. "Die Orgel ist als Kulturgut seit Jahrtausenden im Bewusstsein der Menschheit", erklärt der Orgel-Sachverständige Michael Kaufmann. Orgelbau und Orgelmusik gehören seit drei Jahren schon zur deutschen Liste, die derzeit 68 Kulturformen wie das Hebammenwesen und das Brotbacken umfasst.
Musikwissenschaftler Michael Kaufmann, der am Aufnahmeantrag der Vereinigung der Orgelsachverständigen Deutschlands (VOD) federführend beteiligt war, reagierte hocherfreut auf die Entscheidung. "Die Orgel war schließlich immer ein Hightech-Instrument, das Musiker und Techniker bis heute gemeinsam weiterentwickelt haben", betonte er. Die Aufnahme in die Unesco-Liste verdeutliche zudem, dass Orgelmusik kein Luxusgut, sondern Teil der deutschen Identität sei. Dementsprechend müssten die Kirchen ihre finanziellen und personellen Ressourcen für Orgelbau und -musik halten; zudem sei stehe die öffentliche Hand in der Pflicht, das Orgelwesen zu fördern.
Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters kommentierte die Auszeichnung. Orgelbau und -musik blieben bis heute "ein wichtiger Teil unseres Musiklebens", sagte sie. Deutschland blicke in dieser Hinsicht auf eine Kultur zurück, "die weltweit ihresgleichen sucht".
Pizza für alle!
Auch die italienische Pizza hat es auf die begehrte Liste geschafft. Somit gibt es heute in Neapel Gratis-Pizza für alle: Das hatte der Verband der neapolitanischen Pizzabäcker im Falle eines Erfolges versprochen. "Wir sind stolz, dass wir uns für eines der ältesten Handwerke der Welt eingesetzt haben", so Verbandspräsident Sergio Miccù. Italiens Minister für Agrar-, Ernährungs- und Forstpolitik, Maurizio Martina, twitterte euphorisch "Vittoria!" ("Sieg!").
Weltweit fördert die UNESCO seit 2003 den Erhalt von Alltagskulturen und -traditionen. Die Idee dazu stammte ursprünglich aus dem asiatischen Raum. "Das gebaute Erbe hat dort einen geringeren Stellenwert als bei uns", erklärt Benjamin Hanke, Referent der Deutschen UNESCO-Kommission. "Wenn ein asiatischer Tempel abgerissen und neu aufgebaut wird, ändert das nichts an seinem spirituellen Wert." Der Konvention zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes sind mittlerweile mehr als 170 Staaten beigetreten, 2013 auch Deutschland. Die Entscheidungen in Jeju fällt ein gewähltes Gremium aus Vertretern von 24 Ländern, Deutschland ist darin derzeit nicht vertreten.