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Politik

Deutscher Reporter in venezolanischer Haft

Evan Romero-Castillo jov/chp/ut
21. Dezember 2018

"Reporter ohne Grenzen" zählt in Venezuela drei inhaftierte Journalisten, mehr als in jedem anderen Land Lateinamerikas. Einer von ihnen ist der Deutsche Billy Six.

Berlin: Billy Six nimmt an einer PK teil
Bild: picture-alliance/AP/M. Schreiber

Der deutsche Reporter Billy Six wurde ohne Haftbefehl am 17. November 2018 vom venezolanischen Geheimdienst SEBIN verhaftet. Die deutsche Botschaft konnte ihn erst letzte Woche erstmals telefonisch kontaktieren.

Emmanuel Colombie, Direktor der Lateinamerika-Sektion von "Reporter ohne Grenzen" (RoG) sagte der DW, dass es im Fall Six keine Neuigkeiten gebe, "und das ist per se eine schlechte Nachricht. Ich nehme an, dass Verhandlungen im Gange sind, damit er frei kommt, aber RoG hat weder von der deutschen Botschaft in Caracas noch vom Auswärtigen Amt in Berlin Einzelheiten erfahren." RoG-Vertreter, die im Sitz des Geheimdienstes "El Helicoide" mit Six sprechen wollten, hatten keinen Erfolg.

Emmanuel Colombie von Reporter ohne GrenzenBild: Getty Images/AFP/R. Arboleda

Colombie bestätigte, dass der deutsche Journalist bisher keinen Anwalt gesehen habe und dass sein Fall in der Hand eines Militärtribunals sei, wie mehrere venezolanische Berufsverbände schon kurz nach seiner Verhaftung beklagt hatten. Nicht bestätigen konnte Colombie das Gerücht, dass Six wegen Spionage, Rebellion und unautorisierten Zutritt zu einer Sicherheitszone verurteilt werden solle. Dem Reporter, der als freier Journalist unter anderem für die rechtsgerichtete Jugendzeitschrift "Junge Freiheit" und das ebenfalls extrem konservative "Deutschland-Magazin" arbeitet, wird aber offenbar beschuldigt, sich illegal im Land aufgehalten zu haben. Außerdem soll er Kontakte mit der eigentlich bereits aufgelösten kolumbianischen Guerilla-Organisation FARC gehabt haben und sich dem venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro bei einem öffentlichen Auftritt als Fotograf zu sehr genähert haben. "Reporter ohne Grenzen" bekam bisher keine Akteneinsicht.

Diskrete Diplomatie 

"Als Zivilist sollte Six nicht vor einem Militärgericht erscheinen, damit verletzt Maduro diverse nationale Gesetze und internationale Abkommen", unterstreicht der RoG-Sprecher und ergänzt: "Six hatte einen Hungerstreik begonnen, in der Hoffnung dadurch eine transparente Behandlung durch die Justiz zu bekommen." Ute und Edward Six, seine Eltern, sagten der DW, dass fast alle seine Forderungen "auf dem Weg der Erfüllung" seien. Noch wurde ihm nicht erlaubt, direkt mit seiner Familie zu sprechen, aber mit Vertretern der deutschen Botschaft. 

Ist der Reporter Billy Six ihm zu nahe gekommen? Präsident Nicolas Maduro hier bei seiner Vereidigung im Mai 2018Bild: picture-alliance/AP/A. Cubillos

Das Auswärtige Amt bestätigte auf Anfrage der DW, dass Six durch die Vertretung in Caracas beraten werde. Die Diskretion der deutschen Diplomatie stieß bei Kollegen von Six, aber auch in Venezuela, auf Verwunderung. "Billy Six ist ein deutscher Kollege. Seine Regierung äußert sich nicht. Was ist los?" twitterte die venezolanische Korrespondentin Ibéyise Pacheco. Bastian Behrens, Sprecher der "Jungen Freiheit", vermutet eine vorsätzliche Benachteiligung: "Die öffentliche Meinung in Deutschland hat sich lange engagiert für die Befreiung des Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Haft eingesetzt. Für Billy war das bisher nicht der Fall. Ich glaube, das ist der Tatsache geschuldet, dass Billy für ein Medium wie unseres schreibt." Medien wie "Der Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" hätten eine Meldung, mit der die "Junge Freiheit" die "liberale und linksgerichtete deutsche Presse" auf den Fall aufmerksam machen wollte, nicht übernommen und erst über den Fall berichtet, nachdem "Reporter ohne Grenzen" ihn aufgegriffen habe.

Bisher ungeklärt ist, ob die leise Handhabung des Falles auf deutscher Seite mit rechtlichen Problemen bei Six' Aufenthaltsstatus zu tun hat. 

Six "ist zu allem fähig"

Behrens jedenfalls kann das nicht vollkommen ausschließen: "Billy ist im Auftrag des 'Deutschland-Magazins', einer Zeitschrift der 'Deutschen Konservativen', nach Venezuela gereist. Ich habe in ihrem Büro angerufen und sie haben mir gesagt, dass Billy legal eingereist ist." Die Kollegen dort hätten aber auch gesagt "dass Ausländer nach Ablauf einer bestimmten Zeit das Venezuela verlassen müssten und erst einige Monate später wieder einreisen können", ergänzt der Sprecher der "Jungen Feiheit"  und betont, er wisse nicht, ob Six sich an solche Regeln gehalten habe.

Wollte Six von der diesjährigen Militärparade berichten - Angehörige gehen davon ausBild: Getty Images/AFP/F. Parra

Peter Helmes, Chef der Korrespondenten des "Deutschland-Magazins", bestreitet diese Aussagen: "Billy ist nicht in unserem Auftrag nach Venezuela gereist. Er hat uns Bescheid gesagt, dass er hinfährt, und wir haben ihn gebeten, dass er uns Reportagen von dort schickt, und das hat er getan. Er hat diese Reise auf eigene Initiative gemacht. Man muss Billy kennen, um das zu verstehen: Er ist sehr unabhängig, er mag es nicht, andere Leute in seine Pläne einzubeziehen." Und Helmes räumt ein: "Kann sein, dass Billy länger in Venezuela war als erlaubt, aber ich bin ganz offen, wenn ich sage, dass ich noch nicht einmal weiß, wie er hingekommen ist. Ich kenne Billy Six seit zehn Jahren, er ist zu allem fähig."

Die venezolanische Nicht-Regierungsorganisation "Espacio Público” gibt an, dass Six auf dem Landweg aus der kolumbianischen Stadt Cúcuta eingereist ist, und weist darauf hin, dass die örtlichen Behörden keinen Beweis dafür vorgelegt haben, dass er es illegal getan habe. Von Deutschen werden offiziell nur dann Touristenvisa verlangt, wenn sie per Schiff oder auf dem Landweg mit Privatwagen einreisen. Dennoch sehen zum Beispiel die Sicherheitshinweise der DW für ihre Reporter ein anderes Vorgehen vor. In der jetzigen Situation in Venezuela raten sie grundsätzlich nur mit Visum einzureisen, aus Sicherheitsgründen auf dem Luftweg, und in jedem Fall deutlich zu machen, dass sie als Journalist arbeiten werden.

Abenteuerliche Erlebnisse

Nach Angaben von Familienangehörigen beziehen sich die Anschuldigungen gegen Six unter anderem darauf, dass er sowohl bei Militärparaden zum Unabhängigkeitstag Venezuelas am 5. Juli in diesem und im letzten Jahr sowie bei einer öffentlichen Veranstaltung mit Anhängern des Präsidenten fotografiert hatte.

Am 5. März 2013 wurde Six aus syrischer Haft befreit - vermittelt durch den damaligen russischen Botschafter (links im Bild) Bild: picture-alliance/dpa

Sein Kollege Behrens erzählt, dass der Reporter 2013 in Syrien schon einmal in einer ähnlichen Situation  war, aber dort wegen illegaler Einreise zwölf Wochen in Haft war: "Damals liefen die Anstrengungen des Auswärtigen Amtes gut, weil die Russen als Vermittler auftraten. Außerdem hatte Baschar al-Assad (Syriens Staatschef, Anm. d. Red.) ein Interesse daran, gute Beziehungen zu Deutschland aufrecht zu erhalten. Mit Venezuela scheint das schwieriger zu sein." 

Unabhängig von der Art der Beschuldigungen gegen ihn hat Billy Six ein Recht auf konsularische Unterstützung durch die deutsche Botschaft, das von venezolanischer Seite bisher nicht ausreichend respektiert wird. Nach der Wiener Konvention über konsularische Beziehungen muss Venezuela ihm Besuche durch Vertreter der Botschaft gestatten. Auch ein Anwalt steht ihm zu, der allerdings in Venezuela zugelassen sein muss. Einen Einfluss auf die venezolanische Rechtsprechung kann die deutsche Vertretung in keinem Fall nehmen.