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Lifestyle

Tierschutzbund: "Zoos sollten auf Eisbären verzichten"

7. März 2017

Eisbär-Babys wie Fritz aus dem Berliner Tierpark sind klein und knuddelig. Sie erfreuen sich besonderer Beliebtheit beim Publikum. Doch haben sie im Zoo überhaupt etwas zu suchen? Wie artgerecht ist ihre Haltung?

Arktis - Eisbär schwimmt
Bild: picture-alliance/dpa/H. Bäsemann

Von den 400 Zoos, die es in Deutschland gibt, halten gerade einmal zwölf  Eisbären. Zwei Berliner Tierparks, der Zoologische Garten und der Berliner Tierpark, gehören dazu. Dort ist gerade das kleine Eisbär-Baby Fritz gestorben. Im Alter von vier Monaten. 2011 starb im Zoologischen Garten in Berlin der kleine Knut mit vier Jahren. Haben die noch 26 verbleibenden Eisbären in Deutschland überhaupt eine Aussicht auf artgerechte Haltung? Das haben wir James Brückner, zuständig für den Bereich Arten- und Naturschutz beim Deutschen Tierschutzbund, gefragt.

Nach Knut im Alter von vier Jahren ist nun Fritz mit vier Monaten gestorben. Haben es hier geborene Eisbären besonders schwer, im Zoo zu überleben?

Brückner: Es ist ein generelles Problem, dass viele Jungtiere versterben. In deutschen Zoos hat in den letzten zehn Jahren gerade einmal die Hälfte der geborenen Jungtiere überlebt. Es ist also kein Berliner Problem.

Haben Sie damit gerechnet, dass Fritz sterben würde?

In dem speziellen Fall nicht. Fritz hatte einen Zwilling, der bei der Geburt gestorben ist, und wenn die Tiere die ersten Monate überstanden haben, sind die Chancen viel besser. Der Tod von Fritz ist sehr bedauerlich, aber gerade in den ersten Monaten ist es immer noch möglich, dass die Jungtiere sterben.

Knut wurde mit der Hand ernährt, Fritz wurde von seiner Mutter gesäugt. Macht das einen Unterschied?

Handaufzucht ist schwierig, weil es sich nicht um Muttermilch handelt, die auf die Bedürfnisse des Tieres abgestimmt ist. Bei Handaufzuchten muss man abwägen, ob sie wirklich unbedingt nötig sind, weil sich die Tiere an den Menschen gewöhnen. Man möchte ja alles tun, um den Eisbären zu retten. Insofern ist die Aufzucht durch die Mutter vorzuziehen.

Knut starb mit vier JahrenBild: AP

Wie alt werden Eisbären in der freien Wildbahn?

In freier Wildbahn haben Eisbären mit vielen Faktoren zu tun, auf die sie im Zoo nicht treffen: Klima, Nahrungsmangel, Konkurrenten, Krankheiten. Viele dieser Dinge fallen im Zoo weg. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass Eisbären in freier Wildbahn zehn bis fünfzehn Jahre alt werden. Im Zoo gibt es Höchstalter, die über 30 Jahre gehen. Das sagt aber nichts per se über gute Haltung aus. In der Regel werden Zootiere älter als Eisbären in freier Wildbahn. Das ist aber nicht bei allen Arten der Fall: Gerade wenn man die Tiersterblichkeit noch mit einbezieht, ist die Überlebensrate aus meiner Sicht nicht viel besser.

Gehören Eisbären überhaupt in den Zoo? Oder muss man differenzieren: Gibt es "gute" und "schlechte" Haltung von Eisbären im Zoo?

Es gibt sicherlich bessere und schlechtere Haltung. Aber generell zählen Eisbären zu den Tieren, die im Zoo nichts zu suchen haben. Das hat damit zu tun, dass man ihnen im Zoo nicht mal ansatzweise das bieten kann, was sie brauchen. Ein Eisbär in der freien Wildbahn hat ein sehr großes Streifgebiet im Durchschnitt von 150.000 Quadratkilometern. Natürlich hat das einen speziellen Hintergrund: die Nahrungssuche, er muss sein Revier verteidigen. Das muss man im Zoo nicht Eins-zu-eins abbilden. Nur sind die Tiere natürlich für die Bedingungen in der Arktis gemacht, für die extreme Kälte, die Auseinandersetzung mit Artgenossen. Wenn diese Faktoren im Zoo wegfallen, wenn die Tiere gefüttert werden, Krankheiten nicht zum Tragen kommen, dann fällt ein großer Teil ihres natürlichen Verhaltens weg. Man kann ihnen im Zoo auch nicht genug Abwechslung bieten. Deshalb zeigen viele Eisbären im Zoo Verhaltensauffälligkeiten wie das typische mit dem Kopf Hin- und herwackeln, Hin- und herlaufen, Schwimmstereotypen. Das sind Ersatzbefriedigungen, die sie durchführen.

Leiden Eisbären generell mehr als andere Zootiere?

Das ist eine schwierige Frage. Denn wie misst man Leiden…

Also: Werden sie öfter krank oder verhaltensauffällig?

Fritz wurde gerade mal vier Monate alt Bild: picture alliance/dpa/Tierpark Berlin

Definitiv häufiger als andere Tierarten. Diese Verhaltensstörungen sind ein Ausdruck von Leid, weil bestimmte Bedürfnisse nicht befriedigt werden können. Es gibt aber auch Messungen mit Stresshormonen, die belegen sollen, dass Tiere nicht leiden. Das ist ein kontroverses Thema. Das kann man nicht genau beantworten. Aus Tierschutzsicht sagen wir, wenn man alle Faktoren zusammennimmt, muss man sagen, die Eisbären haben im Zoo nichts zu suchen.

Viele Zoos haben ihre Eisbärengehege in den letzten Jahren abgeschafft. Ist man zu der Einsicht gekommen, dass die Tiere nicht artgerecht gehalten werden können im Zoo?

Man muss sich als Zoo fragen, was kann ich auf meiner Fläche realisieren? Man baut heute natürlich größere Gehege, die sind besser eingerichtet, besser strukturiert und besser auf die Bedürfnisse angepasst. Da gibt es nicht nur ein paar Betonplatten. Dann muss man sich fragen, ob man diese Ausgaben leisten kann, und das wollen viele Zoos nicht mehr. Auch vor dem Hintergrund, dass die Besucher sensibilisiert sind und nicht mehr hin und herschaukelnde Tiere sehen wollen.

Gibt es aus Sicht des Tierschutzbunds eine Möglichkeit, die Haltung zu verbessern? Oder raten Sie dazu, Eisbären aus Zoos komplett zu verbannen?

Bei Eisbären ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Grundsätzlich ist eine artgerechte Haltung einfach nicht möglich. Da sollte man doch in die Zukunft denken und eher sagen: Wir verzichten lieber ganz auf Eisbären und setzen uns für den Schutz der Eisbären in freier Wildbahn ein.

 

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