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GesellschaftDeutschland

"Es zählt allein, die Menschen zu heilen"

Cristian Stefanescu das
23. Juli 2020

Rumänien verzeichnet einen neuen Rekord der Corona-Neuinfektionen. Ein Team von deutschen Ärzten und Politikern unterstützt vor Ort die COVID-Abteilung eines rumänischen Krankenhauses in Brasov (Kronstadt).

Der Arzt Dr. Thushira Weerawarna unterstützt seine rumänischen Kollegen im Kampf gegen Covid-1
Chefarzt Dr. Thushira Weerawarna unterstützt die rumänischen Kollegen im Kampf gegen Covid-19Bild: DW/C. Ștefănescu

Am Siloah-Krankenhaus in Pforzheim hat Dr. Thushira Weerawarna bereits französische COVID-19-Patienten behandelt, die aus dem Nachbarland nach Deutschland gebracht wurden. Jetzt ist er selbst ins europäische Ausland gereist im Kampf gegen Corona: Am Kreiskrankenhaus in Brasov (Deutsch: Kronstadt) in Rumänien unterstützt der Chefarzt die rumänischen Kollegen - gemeinsam mit seinem Team aus der Abteilung für Pneumologie am Siloah-Krankenhaus. Sein Engagement für Rumänien begann schon vor der Wiedereröffnung der Grenzen in Europa: Er spendete Geld für die Deutsch-Rumänische Gesellschaft in Pforzheim, die von der gebürtigen Kronstädterin Oana Krichbaum geleitet wird.

Mithilfe der Spenden konnte der Verein diese Woche medizinische Ausrüstung im Wert von 120.000 Euro nach Kronstadt bringen. Diese Hilfsaktion sei keine Einbahnstraße – auch das Ärzte-Team aus Pforzheim würde aus den Erfahrungen der rumänischen Kollegen lernen, betont Dr. Thushira Weerawarna im Gespräch mit der DW: "Wenn wir in einzelnen Ländern einzeln arbeiten würden, wären wir mit unseren Sorgen in Deutschland und die Rumänen mit ihren Sorgen hier." Die europäische Gemeinschaft biete eine Struktur, die den Transfer der Hilfe von einem Ort zum anderen erleichtere.

Zwei Ärzte-Teams mit unterschiedlichen Erfahrungen

Doch diese Struktur müsse verbessert werden, meint der CDU-Politiker Gunther Krichbaum, der zusammen mit dem deutschen Ärzte-Team und seiner rumänischstämmigen Ehefrau Oana Krichbaum nach Rumänien gekommen ist. "Gerade zu Beginn der Krise war dieser europäische Gedanke wenig spürbar. Es war vielmehr so, dass jeder Mitgliedsstaat glaubte, für sich alleine diese Krise bewältigen zu können. Das war ein großer Trugschluss", sagt der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag im DW-Interview. "Länder wie Spanien, Italien und Frankreich wurden anfangs auch alleine gelassen. Heute ist das anders." Allerdings bestehe für die Europäische Kommission hier kaum eine Handlungsgrundlage, "weil die Gesundheitspolitik - im Unterschied beispielsweise zur Landwirtschaftspolitik - nicht vergemeinschaftet ist. Das heißt, die einzelnen nationalen Mitgliedsstaaten müssen hier der EU auch tatsächlich Kompetenzen übertragen, damit sie in Zukunft anders und kraftvoll handeln kann". 

Brasov (Kronstadt) in Siebenbürgen Bild: picture-alliance/VisualEyze/Torino

Die Abteilung für COVID-Erkrankte auf der Intensivstation des Krankenhauses in Kronstadt wurde direkt nach dem Beginn der Corona-Krise eingerichtet. 123 COVID-19-Patienten wurden bis jetzt hier behandelt. Jetzt ist das Ärzte-Team aus Pforzheim dort im Einsatz - Seite an Seite mit den rumänischen Kollegen. "Für mich ist es toll, zu sehen, wie engagiert, wissbegierig und neugierig die rumänische Mannschaft ist", sagt Dr. Thushira Weerawarna, der aus Sri Lanka stammt. Die Patienten werden jetzt gemeinsam behandelt, außerdem gibt es viele Workshops: Darüber freut sich auch Dr. Cristina Vecerdi, Leiterin der Notaufnahme des rumänischen Krankenhauses: "Es sind zwei Ärzte-Teams mit unterschiedlichen Erfahrungen. Während der Pandemie waren wir bis jetzt gewissermaßen isoliert. Doch jetzt kommen diese unterschiedlichen Erfahrungen zusammen: Dieses deutsche Team, mit seiner Erfahrung und der technischen Ausrüstung, die es uns zur Verfügung gestellt hat, erweitert unsere diagnostischen Möglichkeiten. Und das hilft, die Folgen der Infektion für die Patienten einzudämmen." 

Mehr als 1100 Neuinfektionen in 24 Stunden

Nicht nur in Rumänien, sondern auch in Deutschland sei man noch am Anfang des Weges, wenn es darum geht, diese neue Krankheit zu verstehen und zu bekämpfen, erläutert Dr. Weerawarna. Die neuen Informationen rund um das Coronavirus werden von der Weltgesundheitsorganisation und diversen Fachzeitschriften auch online verbreitet, zudem gibt es viele Webinare für Fachleute. Doch "nichts ersetzt die direkte Erfahrung und den zwischenmenschlichen Austausch", sagt die rumänische Ärztin Dr. Cristina Vecerdi. "Wenn man die Erkenntnisse der Ärzte aus Pforzheim, die zum Teil andere diagnostische Prozeduren haben als wir, mit unseren zusammenführt, ist das im Interesse der Patienten - und auch im Interesse der Wissenschaft."

Oana Krichbaum (zweite von links) zusammen mit Chefarzt Thushira Weerawarna (Mitte) und dem Politiker Gunther Krichbaum in Brasov (Kronstadt)Bild: DW/C. Ștefănescu

In Rumänien steigt die Zahl der Corona-Infektionen wieder stark an, an diesem Donnerstag (23.07.) meldeten die Behörden einen neuen Rekord von 1112 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden. Der Kreis Kronstadt gehört zu den Regionen mit besonders vielen Infektionen. Seit dem Beginn der Pandemie sind im südosteuropäischen EU-Staat 2126 Menschen an oder mit COVID-19 gestorben. Trotzdem gibt es im öffentlichen Raum Stimmen, die behaupten, das Coronavirus sei nicht so schlimm - oder es existiere gar nicht. Von Corona-Skeptikern und Verschwörungstheoretikern - ob in Rumänien oder in Deutschland - lässt sich Dr. Weerawarna aber nicht entmutigen: "Sowas gibt es immer, in allen Ländern. Es ist eine menschliche Reaktion, wenn die Leute etwas nicht verstehen und sich eingeschränkt fühlen: Irgendjemand muss daran schuld sein." Doch ihm gehe es nicht darum, wie die Krankheit entstanden sei, sondern es zähle allein, "die Menschen zu heilen".

"Es wird noch lange dauern, bis wir diese Pandemie überwinden", warnt Dr. Cristina Vecerdi, die als Leiterin der Notaufnahme Tag für Tag das Leid der Patienten und ihrer Familien miterlebt. "Die statistischen Daten der Behörden sind korrekt. Wichtig ist, wie wir mit dieser Krise umgehen - nicht nur wir Ärzte, sondern die Gesellschaft insgesamt. Wenn sich die Bevölkerung an ein paar einfache Maßnahmen hält - wie die Maskenpflicht und das Händewaschen - werden weniger COVID-19-Patienten in kritischem Zustand auf unsere Intensivstationen kommen."

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