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Wieso mehr Abschiebungen für Deutschland schwierig sind

4. November 2025

Außenminister Johann Wadephul hält Abschiebungen nach Syrien aktuell für fragwürdig. Grundsätzlich aber erhöht die Bundesregierung den Druck auf Ausreisepflichtige. Freiwillige Ausreisen sind häufiger als Abschiebungen.

Zwei Bundespolizisten begleiten einen Mann mit untergehakten Armen in ein Flugzeug. Die Beamten tragen gelbe Warnwesten mit der Aufschrift "Escort" auf dem Rücken.
Bundespolizisten begleiten einen Mann aus Pakistan, der per Flugzeug in sein Heimatland abgeschoben werden sollBild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

Unter dem Schlagwort "Rückführungsoffensive“ will die seit Mai 2025 amtierende Koalition aus Unionsparteien (CDU/CSU) und Sozialdemokraten (SPD) die Zahl der potenziell ausreisepflichtigen Menschen deutlich erhöhen. In der politischen und medialen Debatte steht dabei jedoch meist ein anderes Stichwort im Vordergrund: Abschiebungen.

Wie schwierig dieses Vorhaben ist - und wie weit die Vorstellungen selbst innerhalb der christlichen Schwesterparteien auseinandergehen - zeigt der Streit über Abschiebungen in das nach einem langen Bürgerkrieg zerstörte Syrien. Deutschlands Außenminister Johann Wadephul (CDU) war kürzlich vor Ort und äußerte sich anschließend zurückhaltend: "Zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt möglich“, lautete seine Einschätzung zu erzwungenen Abschiebungen.

Der Innenminister widerspricht dem Außenminister

Lediglich Abschiebungen syrischer Straftäter hält Wadephul in "ganz wenigen Ausnahmefällen" für möglich. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) betonte hingegen, grundsätzlich an Abschiebungen festhalten zu wollen.

Praktisch stößt er dabei jedoch schnell an Grenzen, weil die rechtlichen Rahmenbedingungen sehr komplex sind. Darauf verweist der in Berlin ansässige Mediendienst Integration in seiner am Montag vorgestellten Analyse über Abschiebungen.

"Abschiebungen sind geprägt durch das nationale Aufenthalts- und Verfahrensrecht, das nationale Verfassungsrecht, europäische Richtlinien und Verordnungen und völkerrechtliche Verpflichtungen", heißt es in der Expertise.

Daran beteiligt war die Rechtswissenschaftlerin Hannah Franz von der Universität Hamburg. Sie ordnet die von der Bundesregierung angekündigte Rückführungsoffensive mit Blick auf die geplante verstärkte Abschiebungshaft ein.

Fast alle Abschiebungen aus Deutschland erfolgen auf dem Luftweg, wie hier im Juli 2025 nach AfghanistanBild: EHL Media/IMAGO

Zu wenig Plätze für Abschiebungshäftlinge?     

Dafür sollen zusätzliche Unterbringungsplätze in speziellen Haftanstalten oder abgetrennten Bereichen geschaffen werden, die für Abschiebungshaft vorgesehen sind. Im Moment gibt es landesweit etwa 800.

Die Zahl der jährlich Inhaftierten steigt laut Franz schon seit vielen Jahren, 2024 seien es rund 6000 gewesen. Dabei gibt es einen sehr großen Unterschied zwischen den Geschlechtern: Deutlich über 90 Prozent seien Männer.

"Nur ganz vereinzelt sind Hafteinrichtungen überhaupt darauf ausgerichtet, auch Frauen zu inhaftieren", lenkt Franz den Blick auf ein ungelöstes Problem der Unterbringung von Abschiebungshäftlingen.

Um wen es sich dabei üblicherweise handelt, weiß Franca Röll, die im Regierungspräsidium Karlsruhe (Baden-Württemberg) für solche Fälle zuständig ist. Demnach kommen aus Sicht der Behörden vor allem Leute infrage, die Straftaten begangen haben, aber auch andere: "Wenn wir eine Person haben, die aggressiv bei der Ausländerbehörde auftritt oder als Störer in der Unterkunft auffällt. Und auch Personen, die sich bei einer gescheiterten Abschiebung bereits renitent gezeigt haben." 

Wie lässt sich die Identität von Menschen ohne Pass klären?       

Das Problem: Lediglich zehn von 16 Bundesländern haben überhaupt eigene Plätze für Abschiebungshäftlinge. Deshalb müssen sie woanders untergebracht werden. Der Direktor des Landesamts für Einwanderung in Berlin, Engelhard Mazanke, muss für diesen Mangel ständig nach Lösungen suchen.

Hinzu kommen hohe Hürden, die rechtlich unanfechtbaren Abschiebungen im Wege stehen. Oft hat das mit der ungeklärten Herkunft der Betroffenen zu tun. Wenn die keinen Pass vorlegen können oder wollen, wird es schwierig, wie Mazanke in über 30 Jahren Erfahrung Arbeit im Migrationsbereich immer wieder erlebt. 

Kommt ein Kurde aus der Türkei, dem Iran oder Syrien?

"Wir haben viele Regionen, in denen die Nationalstaaten nicht ethnisch homogen sind." Beispielhaft nennt er Kurden, die aus der Türkei stammen können, aber auch aus dem Iran oder Syrien.

"Das heißt, es gibt manchmal gar keine Klarheit darüber, aus welchem Land eine Person stammt." Hilfreich seien dann Anknüpfungspunkte für die mögliche Identität: Das könnten Dokumente wie ein Wehrpass oder Führerschein sein, aber auch Zeugenaussagen im Rahmen von Verfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

In solchen Fällen gebe es auch mal Vorführungen in den Botschaften der mutmaßlichen Heimatstaaten. "Am Ende braucht man aber immer einen Heimatstaat, der seine Bereitschaft erklärt, die betreffende Person aufzunehmen", verweist Mazanke auf den entscheidenden Punkt. 

Viel mehr Menschen ohne Bleibeperspektive reisen freiwillig aus

Der Schlüssel liegt aus Sicht des Chefs der Berliner Einwanderungsbehörde ohnehin weniger auf Abschiebungen als auf freiwilligen Ausreisen. Der Fachmann belegt das anhand von Zahlen: Im Jahr 2019, dem letzten vor dem Beginn der Corona-Pandemie, hätten rund 6000 Menschen ohne Bleiberecht die deutsche Hauptstadt verlassen. Zeitgleich seien aber lediglich 1000 abgeschoben worden.

Das Verhältnis zwischen freiwilligem Verlassen Berlins und erzwungener Rückkehr in das Herkunftsland lag also bei sechs zu eins. Bis zum Jahresende 2025 rechnet Mazanke mit 15.000 freiwilligen Rückkehrern und 1700 Abschiebungen. Das wäre eine Steigerung auf elf zu eins - also fast eine Verdopplung. 

Abschiebungen nur als letztes Mittel?

Auch der Bundesregierung ist bekannt, wo der Hebel anzusetzen wäre, wenn mehr Menschen ohne realistische Bleibeperspektive in Deutschland gehen sollen. "Wir wollen die freiwillige Rückkehr besser unterstützen, indem wir Anreize und die Rückkehrberatung stärken", heißt es im Koalitionsvertrag. Und weiter: "Wenn dies nicht freiwillig geschieht, muss die Ausreisepflicht staatlich durchgesetzt werden." Damit sind Abschiebungen gemeint.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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