Schwacher Start, starkes Ende: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft wirkt im Testspiel gegen Belgien zunächst chancenlos, kommt dann aber zurück. Ein früher Wechsel ist dabei entscheidend für die Wende.
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Leon Goretzka setzt sich auf den Boden und deutete an, nicht weiterspielen zu können. Es war der Tiefpunkt der ersten Halbzeit, gerade einmal eine halbe Stunde war im Kölner Stadion gespielt. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hatte sich in den ersten Minuten von der belgischen Mannschaft regelrecht vorführen lassen. Zunächst war der, aufgrund seines starken DFB-Debüts beim Arbeitssieg gegen Peru hochgelobte, Marius Wolf beim ersten Gegentor durch Yannick Carrasco nur Statist (6. Minute), dann erzielte Romelu Lukaku nach einem Spaziergang durch den Strafraum der DFB-Elf den zweiten Treffer gegen das Team von Hansi Flick (9.).
Mit der Verletzung Goretzkas schien die erste Niederlage in diesem Länderspieljahr dann bereits im ersten Durchgang besiegelt. "Wir waren zu verhalten, zu passiv und haben den Gegner nicht unter Druck setzen können. Belgien hat es gnadenlos ausgespielt. Aber die Leidenschaft hat uns noch einmal zurückgebracht", sagte Bundestrainer Flick nach der 2:3-Niederlage. Auch Kapitän Joshua Kimmich ließ seinem Frust freien Lauf: "Die ersten 30 Minuten waren ganz schlimm, in den ersten 15 waren wir überhaupt nicht auf dem Platz. Wir waren sehr fehleranfällig, vor allem mit dem Ball, überhaupt nicht hungrig."
Bundestrainer Flick lobt Emre Can
Die nötige Leidenschaft brachte Emre Can, der in einem frühen Doppelwechsel gemeinsam mit Wolfsburgs DFB-Debütant Felix Nmecha ins Spiel kam. Goretzka und Florian Wirtz mussten vom Feld. Danach ging ein Ruck durch das deutsche Team. Can, der Allrounder von Borussia Dortmund, ist seit Wochen in bestechender Form und mit verantwortlich für den Höhenflug des BVB in der Bundesliga. Bundestrainer Flick ist bekennender Fan Cans und wollte ihn bereits zu seiner Zeit als Bayern-Trainer zum Rekordmeister lotsen. Damals war Can noch bei Juventus Turin unter Vertrag.
"Wir hatten damals telefoniert", erinnert sich Can. "Am Ende ist das aber nicht zustande gekommen und ich bin nach Dortmund gewechselt." Nun ist der 29-Jährige nach zwei Jahren Pause zurück bei der Nationalmannschaft - und könnte mit seiner Mentalität zum Unterschied-Spieler werden, den man auf dem Weg zur EURO 2024 und auch bei der Europameisterschaft im eigenen Land nötig hat. "Emre ist der aggressive Leader, den wir gebraucht haben, der viele Zweikämpfe gewonnen und mit seiner Leistung die Mannschaft wach gerüttelt hat", lobte ihn der Bundestrainer. "Seine letzten Spiele waren richtig gut auf der Sechs. Da hat er viele Dinge umgesetzt, die wir auch gerne bei uns sehen würden."
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Serge Gnabry: "Er gibt uns viel Präsenz"
Can kontrollierte im defensiven Mittelfeld das Geschehen und beruhigte so die Nerven seiner Mitspieler. Immer wieder setzte er Ausrufezeichen und wies den Gegner in die Schranken. "Emre ist ein Spieler, der immer über die Tugenden, über die Zweikampfstärke und über das Auftreten kommt", erklärte Thilo Kehrer den wartenden Journalistinnen und Journalisten nach dem Spiel. Das sei genau das, was die Mannschaft brauchen würde, so der Defensivspieler von West Ham United. Auch Serge Gnabry lobte Can: "Er gibt uns viel Präsenz", so der Offensivspieler vom FC Bayern München.
Trotz Niederlage gegen Belgien darf sich Emre Can als einer der Gewinner im Team von Hansi Flick fühlen. "Ich habe mit Emre vor der WM gesprochen", hatte Flick zur Nominierung des 29-Jährigen vor zwei Wochen gesagt und ergänzt: "Ich habe ihm damals gesagt: Hör zu, wir haben 2024 eine Europameisterschaft in Deutschland. Wenn deine Entwicklung so ist, wie wir uns das vorstellen, hast du hier wieder eine Chance, in die Mannschaft zu kommen. Das ist jetzt so."
Wer die entscheidenden Tore oder besonders viele Treffer erzielt, genießt bei den Fans besonderes Ansehen. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat einige große Torjäger gehabt - diese zehn waren am erfolgreichsten.
Bild: Reuters
Michael Ballack - 42 Tore
Zwischen vielen Stürmern ist Michael Ballack der torgefährlichste Mittelfeldspieler der deutschen Nationalelf. Zwischen 1999 und 2010 macht der "Capitano" 98 Länderspiele. Sein großes Manko: Einen Titel gewinnt Ballack nie. Das WM-Finale 2002 verpasst er wegen Gelbsperre, 2006 ist im Halbfinale Schluss. 2008 geht das Endspiel gegen Spanien verloren und 2010 fehlt Ballack wegen einer Verletzung.
Nach dem WM-Gewinn von 1954 beruft Bundestrainer Sepp Herberger den damals erst 17-jährigen Seeler ins Nationalteam. 1961 ist Seeler erstmals Kapitän. Der ewige HSV-Stürmer spielt bis 1970 für Deutschland und steht dabei insgesamt 72 Mal auf dem Platz. Sein berühmtestes Tor erzielt er 1970 im WM-Viertelfinale gegen England mit dem Hinterkopf (Foto).
Bild: Sven Simon/picture-alliance
Karl-Heinz Rummenigge - 45 Tore
Der spätere Vereinsboss des FC Bayern ist 1976 bei seinem Debüt im DFB-Team 21 Jahre alt. Er stürmt seit 1974 für die Münchener und ist bereits zweifacher Europapokalsieger. Rummenigge ist 1978 bei der WM dabei, gewinnt 1980 mit Deutschland die Europameisterschaft und führt das DFB-Team 1982 und 1986 als Kapitän ins WM-Finale, geht aber jeweils als Verlierer vom Platz.
Bild: Photoshot/picture alliance
Thomas Müller - 45 Tore
Der Weltmeister von 2014 und WM-Torschützenkönig von 2010 erlebt seine "zweite Karriere" in der Nationalelf. Im März 2019 sortierte Bundestrainer Joachim Löw Müller zum Unverständnis vieler Fans und Experten aus und "begnadigt" den vielseitigen Offensivspieler erst kurz vor der EURO im Jahr 2021. Auch bei der WM 2022 und der Heim-EM 2024 ist er dabei. Direkt nach dem Turnier tritt er zurück.
Bild: Jürgen Fromme /firo/augenklick/picture alliance
Jürgen Klinsmann - 47 Tore
Elf Jahre lang, von 1987 bis 1998, ist Jürgen Klinsmann Nationalspieler und bestreitet 108 Länderspiele. 1990 wird er Weltmeister, 1996 darf er als Kapitän den EM-Pokal aus den Händen der Queen entgegennehmen. Eines seiner herausragenden Länderspiele macht Klinsmann 1990 im WM-Achtelfinale gegen die Niederlande, als Deutschland den Europameister mit 2:1 besiegt (Foto).
Bild: Getty Images
Rudi Völler - 47 Tore
Ebenfalls 47 Treffer erzielt Klinsmanns langjähriger Sturmpartner, allerdings benötigt "Rudi Nazionale" nur 90 Länderspiele dafür. Völler trägt das DFB-Trikot von November 1982 bis Juli 1994 und nimmt in dieser Zeit an allen Turnieren teil. Der spätere Sportdirektor von Bayer Leverkusen steht mit dem DFB-Team 1986 im WM-Finale und verliert, vier Jahre später wird er Weltmeister.
Bild: imago-images/C. Bergmann
Lukas Podolski - 49 Tore
Mit dem Ball am Fuß lossprinten und überlegt ins lange Eck abschließen, auf diese Art und Weise erzielt Lukas Podolski einige seiner 49 Treffer im DFB-Dress. In Polen geboren hätte er auch für das dortige Nationalteam spielen können, entscheidet sich aber für Deutschland, für das er 130 Mal aufläuft. Von der EM 2004 bis zur EM 2016 ist er bei allen Turnieren dabei und wird 2014 Weltmeister.
Bild: Reuters/W. Rattay
Joachim Streich - 55 Tore
Der schnelle Angreifer ist einer der besten Rechtsaußen, die für ein deutsches Nationalteam gespielt haben. Streich erzielt seine 55 Tore zwischen 1969 und 1984 in 102 Länderspielen für die DDR-Auswahl. Er nimmt mit der DDR an der WM 1974 teil, fehlt aus taktischen Gründen aber ausgerechnet beim Duell mit dem "Klassenfeind" BRD. Die DDR gewinnt auch ohne ihren besten Torjäger mit 1:0.
Bild: WEREK/imago images
Gerd Müller - 68 Tore
Lange Zeit gilt seine Marke von 68 Länderspieltoren als unerreichbar. Müller, genannt der "Bomber der Nation", benötigt für seine 68 Treffer gerade einmal 62 Länderspiele, die er zwischen 1966 und 1974 bestreitet. Oft macht er die entscheidenden Tore - so auch den Siegtreffer im WM-Endspiel von 1974 (Foto), seinem letzten Auftritt im Trikot der Nationalmannschaft.
Bild: picture-alliance/dpa/P.Robinson
Miroslav Klose - 71 Tore
Drei Tore mehr als der "Bomber" erzielt Miroslav Klose in seinen 137 Länderspielen. Sein erstes Tor im DFB-Dress gelingt ihm gleich beim Debüt im März 2001. Kloses größter Erfolg: der Gewinn der WM 2014 in Brasilien. Anschließend tritt er aus der Nationalelf zurück. Klose ist mit 16 Treffern erfolgreichster WM-Torschütze aller Zeiten.