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Politik

Deutschland braucht mehr Wohnungen

Marko Langer
12. September 2019

Es fehlt an Handwerkern. Und es fehlt die Möglichkeit, günstig Wohnungen zu bauen. Was nicht fehlt, ist ein Mietendeckel, sagen die Immobilien- und Wohnungsunternehmen - und stellen der Politik ein mieses Zeugnis aus.

Deutschland Wohnungsbau Handwerker
Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

"Fahren Sie zum Beispiel 'mal nach Genf. Da bröckelt der Putz von der Decke", sagt Andreas Ibel. Im Umland dagegen sei es wunderbar. Ibel führt das auf den "Mietendeckel" zurück, der vor mehr als 20 Jahren in der zweitgrößten Stadt der Schweiz beschlossen wurde. In viele Gebäude sei seitdem kaum noch investiert worden. Für Andreas Ibel ist das ein Beispiel dafür, was eine fehlgeleitete politische Diskussion anrichten kann.

Schau an: zufriedene Mieter

Ibel ist Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) in Deutschland und als solcher natürlich Lobbyist, also befangen. Aber er hat sich für seine Pressekonferenz in Berlin Unterstützung von Manfred Güllner geholt, dem Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Bei ihm wurde eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben, die belegt, was der Verband fordert: Deutschland braucht mehr Wohnungen! Und es muss wieder einfacher werden, in Deutschland Wohnraum zu bauen.

Ein Altbau in Genf: pittoresk, aber marodeBild: Imago Images/imagebroker/G. Fischer

Rund 1500 Mieter hat Güllner befragen lassen, außerdem 473 Immobilieneigentümer. Den Ergebnissen der Umfrage zufolge wird in Deutschland oft ein falsches Bild gezeichnet, wenn es um die Situation am Wohnungsmarkt geht. Denn 84 Prozent der Mieter sind mit ihrer gegenwärtigen Wohnsituation der Umfrage zufolge zufrieden oder sehr zufrieden. 76 Prozent bezeichnen die Miete alles in allem als angemessen.

Ibel, zugleich Chef der Hamburger Immobilienfirma Airea GmbH, räumt vor Journalisten ein: "Natürlich gibt es Auswüchse, die uns auch stören und die wir bekämpfen müssen." Was ihn aber mindestens genauso stört, ist die gegenwärtige politische Diskussion über Mietpreisbremsen, Mietendeckel - oder wie man das auch immer bezeichnen mag. "Ideologie darf keine Fakten ersetzen. Deshalb ist es höchste Zeit für eine Rückkehr zu Sachlichkeit und zielgenauen wohnungspolitischen Instrumenten."

BFW-Chef Ibel: "Ideologie darf keine Fakten ersetzen"Bild: picture-alliance/NurPhoto/M. Heine

Der Verband beklagt, dass es gegenwärtig in Deutschland viel zu schwierig sei, Genehmigungen für den Bau von Wohnraum zu bekommen. Man müsse sich nicht wundern, wenn dann mehr Gewerbeeinheiten entstünden. Gleichzeitig sei nicht nur dem BFW völlig klar, dass es gerade in den Metropolen an Wohnraum fehle.

Kommunen sind gefragt

Bereits im August machte der Verband auf das Problem der sinkenden Baugenehmigungen aufmerksam: Dem Statistischen Bundesamt zufolge wurde im ersten Halbjahr 2019 der Bau von 164.000 Wohnungen genehmigt, was einem Rückgang von 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Die Kommunen seien gefragt, ausreichend bezahlbares Bauland auszuweisen und Verfahren zu beschleunigen, so der BFW. Zumal noch ein anderes Problem hinzukomme: "Wenn Sie einen Rohrbruch haben, versuchen Sie einmal, schnell einen Handwerker zu bekommen", sagt Ibel.

In Sorge vor dem Alter

Der Verband verweist auf der Grundlage seiner Umfrage auch darauf, dass 55 Prozent der Mieter in Sorge sind, ob ihr Einkommen im Alter noch ausreicht, den jetzigen Wohnstandard zu halten. Selbst unter Wohnungseigentümern gibt es diese Sorge. Für den BFW-Präsidenten ist gleichwohl der Weg zum Eigenheim die beste Möglichkeit, hier vorzusorgen. Es sei ein politisches Versäumnis, dass nicht mehr Menschen in die Lage versetzt würden, zum Beispiel von den aktuell niedrigen Zinsen zu profitieren.

Ibel macht folgende Rechnung auf: "Den Sorgen der Menschen kann nur durch frühzeitige Eigentumsbildung entgegengewirkt werden, da die Belastung durch Wohnkosten beim selbst genutzten Eigentum im Laufe der Zeit abnimmt." Oder, noch einfacher ausgedrückt: "Hier hilft es nur, mehr Menschen den Weg ins Eigentum zu ermöglichen, anstatt am Mietrecht herumzudoktern."

Wohnungsbau in Berlin: Insgesamt gehen die Genehmigungen zurückBild: picture-alliance/Bildagentur-online/Schoening

Dass der soziale Wohnungsbau in Deutschland praktisch nicht mehr existent ist, stört natürlich auch die Bau- und Immobilienfirmen. "Wir hatten einmal vorgeschlagen, den Sozialwohnungsbau von der Mehrwertsteuer zu befreien", berichtet Ibel. Ein Vorschlag, von dem der Verband dann nie mehr etwas gehört hat, während das im Zusammenhang mit der Attraktivität der Bahn ja gerade wieder debattiert wird.

In den eigenen vier Wänden

An dieser Stelle von Ibels Pressekonferenz kann man den Eindruck bekommen: Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn Politiker und Immobilienfirmen mehr miteinander reden würden als übereinander. Dann könnte man vielleicht auch Vorurteilen vorbeugen: So gehen der Umfrage zufolge 46 Prozent der Bundesbürger davon aus, dass börsennotierte Unternehmen mehr als ein Viertel des Wohnungsbestandes halten. Tatsächlich sind es: 2,2 Prozent. Der überwiegende Teil (77 Prozent) der Wohnungen in Deutschland gehört nach BFW-Angaben Immobilienbesitzern, die die vier Wände selbst nutzen oder die der BFW als "private Kleinvermieter" bezeichnet.

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