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Deutschland: Bundestag debattiert über Rekordschulden

Veröffentlicht 24. Juni 2025Zuletzt aktualisiert 8. Juli 2025

Die Haushaltspläne der neuen Bundesregierung sehen bis 2029 fast 850 Milliarden Euro neue Kredite vor. Die Schattenseite des Investitionsprogramms ist die steigende Zinslast im Haushalt.

Deutschland Berlin 2025 | Finanzminister Klingbeil spricht vor Kanzler Merz bei den Haushaltsberatungen
Der Kanzler und sein Vize: Friedrich Merz (CDU) hörte zu, als Lars Klingbeil (SPD) den Haushaltsentwurf im Bundestag vorstellte Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Marode Straßen, einstürzende Brücken, Schulen und Universitäten, in denen es durchregnet, Züge, die zu spät kommen oder ausfallen, kein flächendeckendes, schnelles Internet - in Deutschland gehört das zum Alltag. Doch das soll sich ändern, und zwar rasch. "Unser Land ist an vielen Stellen kaputtgespart worden, der Investitionsstau ist groß", sagte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), als er im Bundestag seinen Haushaltsentwurf für das laufende Jahr vorstellte.

Kehrtwende in der Haushaltspolitik

Investitionen in die Infrastruktur spielen in den nächsten Jahren eine herausragende Rolle. Allein für dieses Jahr sind im Etatentwurf 115 Milliarden Euro vorgesehen. "Wir investieren so stark wie noch nie zuvor in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und das ist ein gutes Signal", sagte Klingbeil im Plenum. "Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Alltag spüren, dass sich etwas verändert, dass das Schwimmbad neue Duschen bekommt, dass die Schienen saniert, die Brücken stabilisiert und das Glasfaserkabel verlegt wird, so Klingbeil, der auch Vizekanzler und SPD-Chef ist.

Vier Tage debattiert der Bundestag über den HaushaltsentwurfBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Die Sanierung der Infrastruktur soll auch helfen, die schwache Wirtschaft wieder anzukurbeln. Dazu kommen massiv erhöhte Ausgaben für die Verteidigung.

Die Finanzplanung der neuen Regierung markiert eine Kehrtwende in der deutschen Haushaltspolitik. Im November 2024 war die alte Regierung am Streit um die Finanzierung des Haushalts zerbrochen. Im Februar 2025 wurde neu gewählt, jetzt regieren CDU/CSU und SPD zusammen. Das Problem der leeren Staatskassen lösen sie, indem sie bislang ungeahnte Kreditsummen aufnehmen.

Noch vor ihrem Amtsantritt hatten sich die Koalitionäre im Bundestag mit Zustimmung der Grünen ein gigantisches Finanzpaket für die kommenden Jahre bewilligen lassen. 500 Milliarden Euro für Investitionen in die marode Infrastruktur. Für die Aufrüstung der Bundeswehr und die Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands gibt es praktisch kein Kreditlimit mehr.

Andere Länder sind viel höher verschuldet

Was das konkret bedeutet, zeigt die Finanzplanung für dieses und die kommenden Jahre. Für 2025 sind Ausgaben von 503 Milliarden Euro geplant, davon sollen rund 143 Milliarden Euro aus Krediten finanziert werden. In den kommenden Jahren soll sich die Schuldenaufnahme noch erhöhen. Insgesamt sind für die kommenden Jahre neue Schulden in Höhe von 847 Milliarden Euro vorgesehen.

Milliarden für Waffen, Straßen und Brücken

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Das sind beispiellose Rekordwerte, doch der Vizekanzler verteidigt sie nachdrücklich. Deutschland habe eine Schuldenquote von 63 Prozent seiner Wirtschaftsleistung und liege damit deutlich unter anderen Ländern, deren Verschuldung teilweise mehr als 100 Prozent betrage.

Kritik an der Schuldenbremse

Nichts sei teurer als der Stillstand der letzten Jahre, betont Klingbeil. "Anders als für so manchen meiner Amtsvorgänger ist es für mich kein besonderer Wert, wenn ich das Geld behalte und es nicht ausgeben kann, wenn ich merke, dass im Land nichts vorangeht", kritisierte er schon im Juni das Festhalten früherer Finanzminister an der Schuldenbremse.

Die ist im Grundgesetz verankert und sieht eigentlich vor, dass der Staat nur so viel Geld ausgeben darf, wie er einnimmt. Um das kreditfinanzierte Investitionsprogramm und die Ausweitung der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen, musste daher das Grundgesetz geändert werden.

Deutschland soll "abschreckungs- und verteidigungsfähig" sein

Die NATO-Staaten haben sich darauf geeinigt, mittelfristig fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu investieren, davon 3,5 Prozent in klassische Militärausgaben. Klingbeil will dieses Ziel möglichst schnell erreichen.

Fallschirmjäger der Bundeswehr trainieren Wasserlandung im BodenseeBild: Felix Kästle/dpa/picture alliance

Nach seiner Planung soll sich der deutsche Verteidigungshaushalt bis zum Jahr 2029 schrittweise mehr als verdoppeln - auf 152,8 Milliarden Euro. Das wären dann 3,5 Prozent. Deutschland müsse "abschreckungs- und verteidigungsfähig" sein, sagt Klingbeil.

Zehn Prozent des Haushalts für Zinsen ausgeben

 "Damit lösen wir auch einen Konflikt auf, den es jahrelang in unserer Gesellschaft gegeben hat", sagte der Finanzminister im Bundestag. Ob in die Bundeswehr oder die Industrie investiert werde, ob der Ukraine geholfen oder in den Klimaschutz investiert werde, seien nun keine gegensätzlichen Interessen mehr. "Ich sage hier sehr klar: Alles ist notwendig." 

Die Schattenseite der hohen Neuverschuldung ist ein Anstieg der Zinsbelastung. Für 2029 rechnet das Finanzministerium mit einer Zinslast von fast 62 Milliarden Euro. Das wäre doppelt so viel wie für 2025 erwartet. Legt man die Finanzplanung der Bundesregierung zugrunde, dann müssten 2029 zehn Prozent des Haushalts für Zinsen aufgebracht werden. Der AfD-Finanzpolitiker Michael Espendiller sprach im Bundestag von einem "finanzpolitischen Amoklauf". Der Schuldenberg sei nicht "alternativlos". Ziel müsse eine echte Haushaltskonsolidierung sein, bei der alle Ausgaben hinterfragt würden, so der Abgeordnete der größten Oppositionspartei. 

Wo kann gespart werden?

Sparmaßnamen im regulären Haushalt seien fester Bestandteil seiner Planung, erwidert Klingbeil. Zumal die 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, die 2022 nach dem russischen Überfall auf die Ukraine beschlossen wurden, 2027 aufgebraucht sein werden.

Verteidigungsminister Boris Pistorius und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj: Die Ukraine bekommt weiterhin Hilfe von DeutschlandBild: Evgeniy Maloletka/AP Photo/picture alliance

Der Anteil der Verteidigungsausgaben am normalen Haushalt wird dann deutlich steigen. Der Spielraum für andere Ausgaben wird dadurch geringer. Scharfe Kritik kommt diesbezüglich von der Linkspartei, die im Bundestag in der Opposition ist. Die Menschen in den Städten und Gemeinden brauchten "keine Panzer, sondern funktionierende Kitas, Busse und eine bezahlbare Energiewende", so ein Kommentar aus der Partei. Als "Wahnsinn" bezeichnete der Bundestagsabgeordnete Dietmar Bartsch im Bundestag die Steigerung des Verteidigungsbudgets. "Die Kinder und Enkel werden die Panzer und Raketen noch abstottern, wenn das längst Metallschrott ist."

Weniger Geld für Soziales und Klimaschutz?

Kritik kommt auch von Sozialverbänden. Die Diakonie kritisierte die nach ihrer Ansicht zu geringen "Investitionen in die soziale Infrastruktur und die soziale Sicherheit". Zur inneren und äußeren Sicherheit gehörten auch "Armutsbekämpfung, die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, die Pflege von alten und kranken Menschen, Teilhabe von Menschen mit Behinderung, Integration von Geflüchteten sowie sozial-gerechter Klimaschutz", betonte der evangelische Wohlfahrtsverband.

Armut in Berlin: Obdachlose auf dem Bürgersteig am Bahnhof Zoo Bild: Schöning/IMAGO

Die Grünen, im Bundestag in der Opposition, stoßen sich vor allem daran, dass aus den 100 Milliarden Euro, die im Investitionspaket für Klimaschutz vorgesehen sind, unter anderem eine Senkung der Energiepreise finanziert werden soll. "Ihr Haushaltsentwurf ist ohne Mut, ohne klare Richtung, ohne Zukunft", sagte der Grünen-Finanzpolitiker Sebastian Schäfer. Bestehende Ausgabenprogramme würden in das Sondervermögen verschoben, damit im Haushalt "Platz für Wahlgeschenke" sei.

Harte Debatten erwartet

Nach der ersten Debatte des Haushalts für 2025, die bis Freitag (11. Juli) dauern wird, geht der Entwurf in die Ausschüsse. Im September folgen eine weitere Debatte und der Beschluss. Das Parlament hat in Deutschland die Hoheit über das Budget.

Finanzminister Lars Klingbeil arbeitet unterdessen am Entwurf für 2026, den er am 30. Juli im Kabinett vorlegen will. Ab September wird dieser Etat ebenfalls im Bundestag debattiert, Ende November soll er beschlossen werden.

Dieser Artikel wurde am 24. Juni 2025 erstmals veröffentlicht und zuletzt am 08. Juli aktualisiert.

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