Urteil: Rückführung von Geflüchteten nach Griechenland legal
24. April 2025
Zumindest junge, gesunde und arbeitsfähige Männer, die in Griechenland bereits als Flüchtlinge anerkannt wurden, können dorthin auch zurückgeführt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am vergangenen Mittwoch (16.4.2025) entschieden. Den Flüchtlingen drohten in dem südosteuropäischen EU-Mitgliedsstaat keine "erniedrigenden oder unmenschlichen Lebensbedingungen" und ihre Grundrechte würden dort nicht verletzt, stellten die Richter fest. Zwar gebe es Schwachstellen im griechischen Asylsystem - aber die Betroffenen seien durchaus in der Lage, ausreichend für sich zu sorgen.
Konkret ging es um einen heute 34-jährigen staatenlosen Mann aus Gaza und einen 32-jährigen Somalier. Die beiden Männer kamen im Jahr 2017 bzw. 2018 über die Türkei nach Griechenland und wurden dort als Flüchtlinge anerkannt. Gleichwohl reisten sie später nach Deutschland und stellten weitere Asylanträge. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte die inhaltliche Prüfung dieser Anträge ab und ordnete zudem die Rückführung der beiden Männer nach Griechenland an.
Rechtsgrundlage dafür sind die Dublin-Regelungen der Europäischen Union. Sie sehen vor, dass für die Prüfung eines Asylantrags allein der Staat verantwortlich ist, in den der Antragssteller zuerst eingereist war - in diesem Fall eben Griechenland. Das sogenannte "Erststaats-Prinzip" soll verhindern, dass Asylsuchende ihr Zielland selbst auswählen oder aber von Staat zu Staat weitergereicht werden. Mit Hinweis auf die Dublin-Regelungen könnte Deutschland Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land Asyl erhalten haben, dorthin zurückführen. Allerdings greift ein Abschiebungsverbot ein, wenn dem Betroffenen nach seiner Rückführung eine menschenunwürdige Behandlung droht.
Bisherige Rechtsprechung revidiert
In der Vergangenheit hatten Gerichte die Lage in Griechenland als besonders kritisch eingeschätzt und eine Abschiebung dorthin für unzulässig erachtet. So etwa das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster im Januar 2021: In einem vielbeachteten Urteil erklärten die Richter damals, es bestehe die Gefahr, dass die Betroffenen in Griechenland ihre elementarsten Bedürfnisse - Dinge wie ein Bett, Brot oder Seife - nicht befriedigen könnten. Damit würden ihre Rechte aus der EU-Grundrechtecharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt.
Eine ähnliche Auffassung vertrat auch das OVG des Saarlandes in fünf Fällen im November 2022: Flüchtlinge in Griechenland seien nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt eigenständig zu erwirtschaften, so die Richter. Diese Rechtsprechung wird nun revidiert. Im August 2024 erklärte der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel, gesunden und arbeitsfähigen Flüchtlingen drohe in Griechenland "nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit" eine unmenschliche Behandlung. Gegen dieses Urteil wollten sich die Betroffenen vor dem Bundesverwaltungsgericht wehren - ohne Erfolg.
Die Frage der "Sekundärmigration"
Der Richterspruch wird vermutlich auch ein politisches Nachspiel haben. Denn: Die jüngsten Urteile verweisen auf die komplizierte Frage der "Sekundärmigration", die bereits in der Vergangenheit für Irritationen zwischen Deutschland und Griechenland sorgte. Es geht um Zehntausende von Menschen, die in Griechenland Asyl bekommen haben - aber dann nach Deutschland weiterreisten, dort erneut einen Asylantrag stellen und infolge der früheren Rechtsprechung auch bis auf Weiteres in der Bundesrepublik bleiben durften.
Horst Seehofer (CSU) hatte in seiner Zeit als Innenminister im letzten Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wiederholt auf dieses Problem hingewiesen und sogar Grenzkontrollen für alle Flüge aus Griechenland rechtlich geprüft. Aus griechischer Sicht gab es dagegen kaum Möglichkeiten, die Sekundärmigration zu verhindern, da anerkannte Flüchtlinge in der Regel mit gültigen Ausweisdokumenten nach Deutschland einreisen. Eine rechtliche Grauzone? Bei einem Besuch in Athen 2023 plädierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für "bilaterale" und "europäische" Lösungen, um das Problem der Sekundärmigration in den Griff zu bekommen.
Mit den bestehenden Dublin-Regelungen sind sämtliche EU-Staaten unzufrieden - und fordern eine grundlegende Reform der Asylgesetzgebung in der Europäischen Union. Gerade das "Erststaats-Prinzip" wird im Süden Europas stark kritisiert. Denn in der Praxis führt diese Regelung dazu, dass für einen Großteil der europäischen Asylverfahren ausschließlich Griechenland und Italien zuständig sein sollen - allein schon aus geografischen Gründen.