1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutschland will aufrüsten - der Bundeswehr fehlt Personal

11. März 2025

Der Bundeswehr mangelt es weiterhin an Waffen und Personal, zudem ist die Infrastruktur teils marode - trotz der Milliarden, die bereits investiert wurden.

Eine Gruppe von Bundeswehrsoldaten in Tarnuniform und mit roten Baretten bei einem Appell
Die Bundeswehr soll größer werden, aber 2024 ist die Zahl der Soldatinnen und Soldaten sogar gesunkenBild: Michael Bihlmayer / CHROMORANGE / picture alliance

Derzeit dienen gut 181.000 Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Gemessen an der Zielvorgabe von 203.000 sind das viel zu wenige. Für Eva Högl, seit knapp fünf Jahren Wehrbeauftragte des Bundestags, ist dieses Thema ein Dauerbrenner - aber eines mit wachsender Brisanz.

In der aktuellen Weltlage sei es "wichtiger denn je, dass wir eine vollständig einsatzbereite Bundeswehr haben", sagte Högl bei der Vorstellung des Jahresberichts für 2024. Während sich die Ausrüstung verbessert hat, ging die Zahl der Soldaten sogar leicht zurück. "Die Bundeswehr schrumpft und wird älter", konstatierte Högl. "Diese Entwicklung muss dringend gestoppt und umgedreht werden."

Mehr Bewerber, aber auch viele Abbrecher

Um neues Personal zu gewinnen, lässt die Bundeswehr nichts unversucht: Sie hängt große Werbeplakate in deutschen Städten auf und zeigt auf Social Media-Kanälen den Alltag von Soldatinnen und Soldaten. Das weckt Interesse: Die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber ist im Jahr 2024 gestiegen. Doch viele der Neueinsteiger brechen ab. Jeder Vierte verlässt die Bundeswehr innerhalb von sechs Monaten wieder. 

Bundeswehr-Werbung auf einer Straßenbahn in BerlinBild: PEMAX/Imago Images

Ein Grund für die hohe Abbrecherquote sei der Wunsch, in der Nähe des Heimatortes eingesetzt zu werden, sagt die Wehrbeauftragte. Den könne die Bundeswehr nicht immer erfüllen. Aber die Probleme beträfen auch Soldatinnen und Soldaten, die schon länger dabei sind: Nicht allen könne eine Verlängerung ihres Vertrags oder der gewünschte Posten als Berufssoldat angeboten werden, da es schlicht an Stellen fehle. "Da gehen uns gute Leute verloren", beklagt Högl. Beim Personal müsse die Bundeswehr "noch ganz gewaltig nachlegen".

"Wehrpflicht würde Bundeswehr überfordern"

Könnte eine Wiedereinführung der Wehrpflicht, über die in Deutschland derzeit diskutiert wird, das Personalproblem lösen? Högl hält es für keine gute Idee, die 2011 ausgesetzte allgemeine Wehrpflicht zu reaktivieren, mit der alle jungen Männer eines Jahrgangs eingezogen werden konnten. "Das würde die Bundeswehr überfordern." Es gebe dafür "nicht genügend Stuben, nicht genügend Ausrüstung und, was das wichtigste ist, nicht genügend Ausbilderinnen und Ausbilder."

Zeichnet im Jahresbericht ein ungeschöntes Bild vom Zustand der Bundeswehr: Eva Högl, Wehrbeauftragte des BundestagsBild: Carsten Koall/dpa/picture alliance

Högl wirbt für ein verpflichtendes "Gesellschaftsjahr" für alle jungen Männer und Frauen, das sowohl bei der Bundeswehr als auch in sozialen Einrichtungen absolviert werden könnte. Ansonsten unterstützt sie das Konzept von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), das auf Freiwilligkeit beruht. Demnach werden sowohl junge Männer als auch Frauen erfasst.

Auf Grundlage eines Fragebogens, den Männer beantworten müssen und Frauen können, wird dann eine gewisse Anzahl geeigneter Bewerber ausgewählt. Wegen des Bruchs der Ampel-Regierung wurde dieser Plan nicht umgesetzt. Er könnte aber von der neuen Bundesregierung wieder aus der Schublade gezogen werden.

"Bundeswehr hat von allem zu wenig"

Während es bei der Personalgewinnung düster aussieht, hat sich die Ausstattung der Bundeswehr laut dem Bericht der Wehrbeauftragten verbessert. Das betrifft sowohl die persönliche Ausrüstung der Soldaten als auch die Ausstattung mit modernen Waffensystemen insgesamt. Dies gelang auch dank des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro, das die Bundeswehr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 erhielt. Damit wurden überwiegend Waffen gekauft, die auf dem Markt schnell verfügbar waren, darunter Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Panzer.

Das schuldenfinanzierte Sondervermögen ist inzwischen größtenteils in Verträgen gebunden. Nach Ansicht der Wehrbeauftragten wird nun weiteres Geld gebraucht: "Die Bundeswehr hat nach wie vor von allem zu wenig." Es mangele weiter an funktionstüchtigem Großgerät und Ersatzteilen, heißt es in dem Bericht. Das sei auch auf die Abgabe von Material an die Ukraine zurückzuführen. Investiert werden müsse unter anderem in Drohnen und in die Drohnenabwehr. Auch bei Satelliten und der Flugabwehr gebe es noch Defizite, ebenso bei der Digitalisierung. 

Bei der Ausrüstung mit Drohnen hat die Bundeswehr noch große DefiziteBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Im 183-seitigen Bericht der Wehrbeauftragten finden sich viele Mängel, die beseitigt werden könnten, darunter von Schimmel befallene Räume in Kasernen. "Wir haben Kasernen, in denen man den Eindruck hat, es hat sich seit Jahrzehnten nichts getan", beklagt Högl. Zusätzliches Geld müsse nun vorrangig auch für die Personalgewinnung und eine bessere Infrastruktur eingesetzt werden, nicht nur für den Kauf von Waffen. 

Angesichts von Zweifeln am NATO-Engagement der USA spielt die Stärkung der Bundeswehr eine wichtige Rolle in Gesprächen von Union und SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung. Eine Ausnahme von den Vorgaben der Schuldenbremse soll die Finanzierung der künftigen Verteidigungsausgaben sichern.

Anwältin der Soldatinnen und Soldaten

Als Wehrbeauftragte wacht Eva Högl darüber, dass die Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten eingehalten werden. Sie geht Beschwerden nach und macht ohne Voranmeldung Truppenbesuche. Soldatinnen und Soldaten können sich direkt an sie wenden, ohne ihre Vorgesetzten einzuschalten. Von diesem Recht machen sie regen Gebrauch: Im Jahr 2024 erreichten 2467 persönliche Eingaben das Berliner Büro der Wehrbeauftragten.