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Deutschland: Der Erfolg der AfD treibt die Asyldebatte an

21. Juni 2024

Schnellere Abschiebungen, Asylverfahren außerhalb der EU - nach der Europawahl wächst parteiübergreifend der Druck, beim Thema Migration die Zügel anzuziehen. Das zeigte sich bei der Ministerpräsidentenkonferenz.

Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler, und Boris Rhein (CDU), Ministerpräsident von Hessen, sitzen bei einer Pressekonferenz im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz im Bundeskanzleramt nebeneinander. Im Hintergrund ist ein Bild mit moderner Kunst zu sehen.
Die Ministerpräsidenten erwarten, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte) jetzt Tempo macht. Boris Rhein, CDU-Regierungschef von Hessen, und Stephan Weil, SPD-Regierungschef von Niedersachsen, nach der Konferenz der 16 Ministerpräsidenten mit dem KanzlerBild: Hannes P Albert/dpa/picture-alliance

Es war ein Ergebnis, das nicht überraschen konnte. Bei der Europawahl ist die in Teilen rechtsextreme AfD in Deutschland auf Platz zwei gekommen. In den fünf Bundesländern im Osten der Republik erreichte die Partei sogar Platz eins. Ob im Bund oder in den Bundesländern, das Ergebnis hat die Regierenden quer durch alle Parteien alarmiert.

Im September finden in drei ostdeutschen Bundesländern Landtagswahlen statt. Wenn die AfD dabei stärkste Kraft werden sollte, wird es schwer werden, Regierungskoalitionen gegen sie zu bilden. Zumal SPD und Grüne so schwach sind, dass sie in Sachsen und Thüringen um den Einzug ins Landesparlament fürchten müssen. 

AfD und die bevorstehenden Landtagswahlen

Das treibt nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch die CDU um. Bei der Europawahl wurde sie zwar insgesamt mit Abstand stärkste Kraft, landete im Osten der Republik (ebenfalls mit Abstand) aber eben nur auf Platz zwei.

Demokratie unter Druck - Wir müssen reden!

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"Ich möchte sagen, dass die Ergebnisse uns allen unter die Haut gegangen sind", sagte der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil nach einer Konferenz der Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin. "Wir wissen, dass die Migration in diesem Zusammenhang ihre Rolle spielt", ergänzte er und machte damit deutlich, dass allen klar ist, wo die Ursachen für das Erstarken der extremen Rechten liegen.

Migration und die Rolle der Politik

Es gebe "dringenden Handlungsbedarf bei der Exekutierung des Migrationsrechts, der Abschiebepraxis und der Bedürfnisbefriedigung nach Sicherheit", meint Reiner Haseloff, CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, und der hessische CDU-Ministerpräsident Boris Rhein glaubt: "Es gibt eine klare Erwartungshaltung von Bürgerinnen und Bürgern, dass wir in diesen entscheidenden Fragen liefern, und die Wahlergebnisse haben nach meinem Dafürhalten den Handlungsdruck nochmal sehr deutlich gemacht."

2022 und 2023 sind insgesamt rund 596.000 Asylbewerber und deutlich mehr als 1,1 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. 2024 sind nach derzeitigem Stand erneut zwischen 280.000 und 300.000 Asylanträge zu erwarten.

Asylverfahren und die Position der CDU/CSU

CDU und CSU, die im Bundestag die größte Oppositionsfraktion stellen, drängen darauf, Asylverfahren so schnell wie möglich in Staaten außerhalb der EU zu verlagern, um die Migration nach Deutschland zu begrenzen. Das könnten Transitstaaten sein, die Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa durchqueren, oder aber gänzlich unbeteiligte Staaten. 

SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnt allerdings vor zu hohen Erwartungen. Großbritannien etwa habe 18 Monate darüber verhandelt, Asylverfahren nach Ruanda auszulagern, und noch kein tragfähiges Modell, sagte Faeser am Rande einer parallel stattfindenden Konferenz mit den Innenministern der Bundesländer in Potsdam. 

Die Herausforderungen der Drittstaaten-Regelung

Auch die Verhandlungen, die Italien mit Albanien führt, sind für die Bundesinnenministerin nur ein kleiner Schritt. "Da ist eine Höchstgrenze von 3000 Geflüchteten vereinbart. Das ist auch ein sehr kleiner Teil." Eine Drittstaatenregelung sei nicht der "Game changer" und mit Blick auf Deutschland nur ein "Bausteinchen", um die Zahl der Asylsuchenden zu reduzieren. Die Migrationslage in Deutschland würde sich damit nicht grundlegend ändern. 

Hat Bedenken gegen die Drittstaaten-Regelung, muss sie aber intensiv prüfen: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)Bild: Frederic Kern/Geisler-Fotopress/picture alliance

Das Bundesinnenministerium hatte kürzlich eine Anhörung mit knapp 30 Expertinnen und Experten zum Thema Drittstaaten-Regelung durchgeführt. Dabei hätten sich "ein ganzer Sack voller Fragen, Probleme und Hindernisse" ergeben, so der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Stephan Weil. Die große Mehrheit der Experten habe am Ende von den Modellen Ruanda und Albanien abgeraten.

Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl lehnt die Drittstaaten-Regelung kategorisch ab. Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, spricht von einem "Irrweg" und einer "Scheinlösung". "Eine Auslagerung von Asylverfahren führt zu gefährlicheren Fluchtrouten, Verzweiflung bei den Betroffenen und der Gefahr, dass schutzbedürftige Menschen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt werden", sagte sie.

Zusammenrücken bei Migration und Asylpolitik 

Doch das Erstarken der Rechten bei der Europawahl lässt die Ministerpräsidenten über die Parteigrenzen hinweg enger zusammenrücken. Sie einigten sich mit dem Kanzler, die Idee weiterzuverfolgen, und erteilten einen Prüfauftrag. "Da gibt es die klare Erwartung der Länder an die Bundesregierung, dass konkrete Modelle zur Durchführung von Asylverfahren in Dritt- und Transitstaaten entwickelt werden, und dass nationale und europäische Regeln, die dem im Weg stehen, dafür überprüft und geändert werden sollen", fasste CDU-Ministerpräsident Boris Rhein zusammen.

Debatte über Kurs in der Migrationspolitik

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Der sächsische SPD-Innenminister Armin Schuster sagte im Deutschlandfunk: "Jetzt muss schnell gehandelt werden, jetzt muss mutig gehandelt werden." Er glaube, dass die Sozialdemokraten nach den jüngsten Wahlergebnissen und Analysen verstanden hätten, dass das "wichtigste Thema Migration jetzt einfach angepackt werden muss".

Abschiebungen und die Rolle des Bundeskanzlers

Dazu gehört auch, mehr abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. CDU-Chef Friedrich Merz wirft Bundeskanzler Olaf Scholz in diesem Zusammenhang immer wieder vor, zu wenig zu tun. Entgegen seinen Ankündigungen, "im großen Stil" sowie "deutlich mehr und schneller" abzuschieben, sei seit Monaten "nichts Historisches passiert", sagte Merz in einem Interview der Funke Mediengruppe. Der Kanzler habe seine Zusagen und Ankündigungen nicht wie versprochen umgesetzt.

Von Januar bis April 2024 wurden rund 6300 Menschen von Deutschland in ihre Heimatländer abgeschoben. Tatsächlich ausreisepflichtig sind aber mehr als 240.000. Bei 80 Prozent von ihnen gibt es Gründe, warum sie nicht abgeschoben werden können. Sei es, dass sie keine Ausweispapiere haben, oder sei es, dass sie aus Ländern kommen, in die Deutschland wegen mangelnder Sicherheit von Abgeschobenen nicht zurückschickt. Dazu gehören Syrien und Afghanistan. 

Sicherheit der Bürger wichtiger als Schutz von Flüchtlingen

Für Menschen aus diesen Ländern, die in Deutschland schwere Straftaten begehen oder als islamistische Gefährder auffallen, soll sich das ändern. "Es empört mich, wenn jemand schwerste Straftaten begeht, der hier bei uns Schutz gesucht hat", sagte Kanzler Scholz Anfang Juni im Bundestag. "Solche Straftäter gehören abgeschoben, auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen. In solchen Fällen wiegt das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters." 

Anfang Juni gab Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag eine Regierungserklärung ab und sprach auch über die Verschärfung der AbschiebepraxisBild: Sean Gallup/Getty Images

Das Bundesinnenministerium suche bereits "nach rechtlich und praktisch tragfähigen Wegen", wie solche Abschiebungen gelingen könnten, so Scholz. Dazu sei das Ministerium mit Nachbarländern Afghanistans "im Gespräch". Nancy Faeser bestätigte das in Potsdam. "Dazu sind wir ganz konkret in Verhandlungen und sind zuversichtlich, dass wir das für diese Gruppe hinbekommen." 

"Pushbacks" an den Grenzen 

Einigkeit gab es auf der Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Kanzler auch bei den im Oktober eingeführten zusätzlichen Kontrollen an der Grenze zu Tschechien, Polen und der Schweiz. In dem gemeinsamen Beschluss mit dem Bund heißt es, die Bundespolizei nutze die Binnengrenzkontrollen schon jetzt dazu, Flüchtlinge, die aus einem anderen EU-Mitgliedstaat einreisten, entsprechend den rechtlichen Möglichkeiten zurückzuweisen. Die EU-Rückführungsrichtlinie müsse bei einer Neufassung so abgefasst werden, dass Zurückweisungen weiter "in einer praktikablen Weise erfolgen können".

Viel Einigkeit gibt es auch bei der Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber. In einigen Regionen gibt es sie bereits, flächendeckend soll sie im Sommer an den Start gehen. Dann sollen Asylbewerber nur noch 50 Euro pro Monat Bargeld zur Verfügung haben. Nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wollen ihr eigenes System umsetzen.

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