1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Maas: Keine neuen Waffenexporte in die Türkei

12. Oktober 2019

Wegen der Militäroffensive in Nordsyrien steht die Türkei in der Kritik. Die Bundesregierung zieht nun Konsequenzen und will vorerst keine neuen Rüstungsexporte in die Türkei erlauben. Der NATO-Partner reagiert gelassen.

Tschechien Prag | Außenminister Heiko Maas während Pressekonferenz
Bild: picture-alliance/dpa/CTK/O. Deml

Die Bundesregierung reagiert auf die türkische Militäroffensive in Syrien: Laut Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) werden vorerst keine neuen Rüstungsexporte in die Türkei erlaubt. Der Bild am Sonntag sagte Maas: "Vor dem Hintergrund der türkischen Militäroffensive in Nordost-Syrien wird die Bundesregierung keine neuen Genehmigungen für alle Rüstungsgüter, die durch die Türkei in Syrien eingesetzt werden könnten, erteilen." Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes bestätigte dies dem ZDF. 

Wichtigster Abnehmer deutscher Rüstungsgüter

Bislang ist die Türkei der größte Abnehmer deutscher Waffenlieferungen. Laut dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung wurden im Jahr 2018 Kriegswaffen im Wert von 242,8 Millionen Euro in die Türkei geliefert. Das waren fast ein Drittel der gesamten Exporte. In den ersten vier Monaten diese Jahres hat die Türkei Kriegswaffen für 184,1 Millionen Euro aus Deutschland erhalten. Dabei handelte es sich nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ausschließlich um "Ware für den maritimen Bereich". 

Wie genau sich die aktuelle Entscheidung auswirken wird, ist noch unklar. Bereits beschlossene Lieferungen werden von der Entscheidung offenbar nicht betroffen sein. Führende Politiker von Grünen und Linken hatten genau solch einen Stopp aller Rüstungsexporte in die Türkei gefordert.

Das türkische Militär hat seine Offensive im Norden Syriens gestartetBild: picture-alliance/Photoshot

Das NATO-Mitglied Türkei steht wegen der Militäroffensive in Nordsyrien in der Kritik. Sie richtet sich gegen die kurdische YPG-Miliz, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit eine Terrororganisation. Die Offensive stößt international auf scharfe Kritik, unter anderem weil sie eine neue Front in dem seit acht Jahren von einem Bürgerkrieg gebeutelten Land eröffnet. Zudem galten die Kurden im Westen als Verbündete im Kampf gegen die Terrororganisation IS.

Paris stoppt Waffenexporte

Nach Deutschland hat auch Frankreich Waffenverkäufe in die Türkei gestoppt. Die türkische Militäroffensive im Nordosten Syriens gefährde die Sicherheit in Europa, warnten das französische Außen- und Verteidigungsministerium in einer gemeinsamen Mitteilung. Deshalb würden alle Exporte von Waffen, die in dieser Offensive eingesetzt werden könnten, mit sofortiger Wirkung suspendiert. Die Außenminister der Europäischen Union würden ihre Haltung bei einem Treffen in Luxemburg am Montag koordinieren,

Schon am Freitag hatten die Niederlande einen Lieferstopp angekündigt  Schweden ist für ein EU-weites Waffenembargo. Das nicht zur EU gehörende Norwegen will ebenfalls vorerst keine neuen Anfragen nach Rüstungsexporten bewilligen.

Die Bundesregierung hatte sich in der Vergangenheit eher zurückhaltend gezeigt, wenn es um einen harten Kurs gegenüber der Türkei ging. Als Grund gilt unter anderem die Sorge, dass das Land Flüchtlinge aus Syrien unkontrolliert in Richtung Westeuropa ziehen lassen könnte.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu im Gespräch mit der Deutschen WelleBild: DW

Çavuşoğlu bleibt gelassen

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu reagierte gelassen auf ein deutsches Waffenembargo. Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte er noch vor der deutschen Entscheidung: "Auch wenn unsere Verbündeten die Terrororganisation unterstützen, auch wenn wir alleine da stehen, auch wenn ein Embargo verhängt wird, egal was sie tun, unser Kampf richtet sich gegen die Terrororganisation." Und im Kampf dagegen werde die Türkei "auf keinen Fall zurückstecken". 

Auch bezweifelt der Außenminister, dass sich ein Waffenembargo negativ auf die Türkei auswirkt. "Das alles stärkt uns nur", sagte Çavuşoğlu und verwies darauf, dass sein Land schon jetzt über 70 Prozent der Güter selber produziere, die es brauche.

Çavuşoğlu bekräftigt Erdogans Drohung

Çavuşoğlu ging in dem DW-Interview auch auf die Drohung des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan ein, 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge Richtung Europa zu schicken, sollte die Kritik der EU an dem Vorgehen Ankaras anhalten. Der Außenminister bekräftigte die Position Erdogans und beklagte in diesem Zusammenhang unter anderem, dass die EU die im Rahmen des Flüchtlingsabkommens von 2016 in Aussicht gestellte Finanzhilfe noch nicht geleistet habe. Dagegen habe die Türkei schon mehr 40 Milliarden Dollar für die Betreuung der Migranten ausgegeben.

Kritik übte Çavuşoğlu auch an der von europäischer Seite geäußerten Sorge, Ankara wolle mit der Ansiedlung von rund zwei Millionen meist arabischen Flüchtlingen in der vorgesehenen Sicherheitszone die Bevölkerungsverhältnisse massiv ändern. Der Minister bestritt, dass dort überwiegend Kurden lebten: „Abgesehen von Kobane und ein, zwei kleinen Orten ist die Mehrheit der Bevölkerung der Städte in dem Gebiet nicht kurdisch. Aber die Europäer verhalten sich so, als ob die Gebiete kurdisch seien und sich nun die Demographie ändert.“

Krititisch beurteilte der türkische Außenminister zudem den Kampf Deutschlands gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei (PKK). Zwar habe die Bundesrepublik einige Maßnahmen gegen die Terror-Organisation unternommen, doch gebe es weiter deutsche Politiker, die die PKK unterstützten. Darunter seien auch Sozialdemokraten.     

sti/wo/kle (DW, rtr, dpa, bild.de, Rüstungsexportbericht 2018)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen