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Deutschland erlebt dramatischen Anstieg der Masernfälle

Elizabeth Schumacher
1. Dezember 2024

Gefährliche Krankheiten wie Masern und Hepatitis B nehmen in Deutschland trotz aller Impfstoffe zu. Als Grund für den drastischen Anstieg gelten Impfgegner, die COVID-19-Pandemie und importierte Fälle.

Ein Kind bekommt auf der Einstichstelle der Masernimpfung ein Pflaster auf die Schulter. Links sieht man eine Hand, die eine Spritze hält.
Eine Masernimpfung für KinderBild: Ute Grabowsky/photothek/imago images

"Die Masern sind nach Deutschland zurückgekehrt", warnte vor kurzem das Robert-Koch-Institut (RKI), die wichtigste Behörde für Seuchenbekämpfung in Deutschland. Demnach ist im Jahr 2024 die Zahl der Krankheitsfälle, die besonders häufig bei Kleinkindern auftreten und tödlich verlaufen können, dramatisch gestiegen. Bisher wurden schon mehr als 600 Fälle registriert, verglichen mit acht nur drei Jahre zuvor.

Masern sind eine durch die Luft übertragene Krankheit, die häufig Hautausschlag und hohes Fieber verursacht. 2023 forderte sie weltweit rund 107.000 Todesopfer. Seit 2019 sind Eltern in Deutschland gesetzlich verpflichtet, ihre Kinder zweimal impfen zu lassen, was für eine vollständige Immunität erforderlich ist. Andernfalls droht eine Geldstrafe von 2500 Euro.

Auch andere durch Impfung vermeidbare Krankheiten wie Hepatitis B und Keuchhusten nehmen zu. Die Gründe für den Anstieg sind laut Experten vielfältig und komplex. Sie reichen von eingeschleppten Viren bis hin zu zunehmender Impfskepsis und Aktivismus von Impfgegnern im Internet.

Nachwirkungen der COVID-19-Pandemie

"Fast alle Infektionsraten sind während der Pandemie zurückgegangen", sagt der Bonner Kinderarzt Dr. Axel Gerschlauer der DW, und zwar aufgrund von COVID-19-Maßnahmen wie sozialer Distanzierung und dem Tragen von Masken. Insofern sei der Anstieg nicht so dramatisch wie er erscheine. Die Nachwirkungen zeigten sich auch in einer "Zögerlichkeit, außer in den notwendigsten Fällen zum Arzt zu gehen, aus Angst vor dem Infektionsrisiko" in einer Praxis.

Eine Demonstration gegen Corona-Schutzimpfungen (Archiv)Bild: Soeren Stache/dpa/picture alliance

Auch importierte Fälle sind ein Problem. Dr. Karella Easwaran aus Köln sagte dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ARD): "Viele Menschen reisen. Viele Menschen wandern hier ein, viele Kinder aus Kriegsgebieten, wo es keine Impfungen gibt, und deren Eltern sich bei ihrer Ankunft in Deutschland möglicherweise nicht über die Notwendigkeit der Impfung im Klaren sind."

Impfskepsis nimmt zu

Dann gibt es noch Impfskepsis und die Impfgegnerbewegung. Gerschlauer betont, dass beide Phänomene getrennt betrachtet werden müssten. "Bei skeptischen Eltern kann man Bedenken und Ängste oftmals durch Erklärungen und Statistiken ausräumen. Oftmals reichen auch bloße Informationszettel oder ein kurzes Gespräch", sagt er. "Bei den Hardcore-Impfgegnern sind uns jedoch die Hände gebunden. Sie leben in ihrer eigenen Blase, in die wir von außen nicht mehr durchdringen können."

Nach einer Anfang November vom Forschungsunternehmen Statista veröffentlichten Studie ist die Impfskepsis in Deutschland gestiegen: von 22 Prozent der Erwachsenen im Jahr 2022 auf 25 Prozent im Jahr 2024.

Die Impfgegnerbewegung hat in Deutschland eine lange Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht und unterschiedlich motiviert war - von antisemitischen Vorläufern der Nationalsozialisten, die den medizinischen Fortschritten jüdischer Ärzte mit Skepsis begegneten, bis hin zu Ärztegruppen, die sich Sorgen um die Sicherheit bei der Verabreichung früherer Impfstoffe machten.

Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) ist die Zahl der Menschen, die sich als völlige Impfgegner bezeichnen, in den letzten Jahrzehnten nur geringfügig gestiegen, von vier Prozent im Jahr 2004 auf sechs Prozent im Jahr 2020. Ihre Zahl kann jedoch aufgrund von Aktivitäten in den sozialen Medien größer erscheinen.

In diesem Sinne sehen einige Ärzte Impfvorschriften als kontraproduktiv an, weil sie den Anschein erwecken könnten, dass persönliche Freiheiten eingeschränkt werden und damit Öl in das Feuer der Impfgegner gegossen wird.

Esoterisches Denken und rechtsextreme Sympathie weit verbreitet

Studien haben weitere wichtige Indikatoren für die Impfgegner-Stimmung aufgezeigt. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von Ärzten der Universität Freiburg in Süddeutschland zeigte einen Zusammenhang zwischen "esoterischem Denken" und Impfskepsis sowie -verweigerung. So würden Menschen, die an Homöopathie glaubten oder alternative Bildungsinstitute wie Waldorfschulen besucht hätten, eher dazu neigen, Impfungen kritisch zu betrachten. Eine weitere Studie der sächsischen Landesregierung aus dem Jahr 2021 ergab einen Zusammenhang zwischen Anhängern der in Teilen rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland (AfD) und Impfskepsis.

Für den Bonner Kinderarzt Gerschlauer könnten Politiker und Ärzteverbände durch anhaltende Informationskampagnen zur Lösung des Problems beitragen. "Wenn man sieht, mit welchem ​​Aufwand in den letzten Jahren für die Impfung gegen Meningokokken B geworben wurde, obwohl diese Impfung seinerzeit von der Ständigen Impfkommission noch nicht einmal empfohlen wurde, und wie viele Menschen mit dieser Werbekampagne erreicht wurden, dann wünscht man sich doch, dass der gleiche Aufwand auch für die Masernimpfung betrieben würde."

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert.

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