Die Bundesrepublik gilt als Wiege des Bauhaus-Stils, das weltweit größte Bauhaus-Ensemble befindet sich jedoch in Tel Aviv. Jetzt wird das UNESCO-Weltkulturerbe mit deutschen Fördergeldern saniert.
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Die Weiße Stadt: Das Bauhaus-Vermächtnis in Tel Aviv
Rund 4000 Gebäude zählen zur Weißen Stadt, die Emigranten seit den 1930er Jahren in Tel Aviv gebaut haben. Wegen ihres Verfalls drohte die UNESCO Israel, dem Bauhaus-Vermächtnis seinen Welterbe-Status zu entziehen.
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Das Max-Liebling-Haus
Am 19. September 2019 eröffnet in Tel Aviv im Max-Liebling-Haus (oben) das White City Center, das die weltweit größte Sammlung zur Bauhaus-Architektur umfasst. In der israelischen Stadt steht die größte Ansammlung von Gebäuden im Internationalen Stil, zu dem auch das Bauhaus zählt. Das Zentrum wird von Deutschland bis 2025 mit rund drei Millionen Euro gefördert.
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Salz und Stahlbeton
Nur noch wenige der rund 4000 Gebäude strahlen in ihren ursprünglich hellen Farben. Dem Erbe der europäischen Emigranten, die vor den Nationalsozialisten in das damalige Palästina geflohen waren, setzten über die Jahrzehnte die salzhaltige Mittelmeerluft, der zunehmende Verkehr und die hohen Temperaturen zu. Außerdem machte mit der Zeit auch der damals verwendete Stahlbeton Probleme
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Bauhaus in Deutschland
Deutschland hat ein besonderes Interesse am Bauhaus, denn die Kunst- und Architekturschule hatte in den 1920er und 1930er Jahren ihre Zentren in Weimar, Dessau und Berlin. Europäische Einwanderer brachten die Ideen des Bauhauses mit ins neu entstehende Tel Aviv. Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 flohen immer mehr Juden nach Palästina, unter ihnen Absolventen der Bauhaus-Schule in Dessau.
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Die Form folgt der Funktion
Für die vielen neuen Einwanderer in Palästina musste bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Der auf Funktion ausgerichtete Bauhausstil passte perfekt. So wuchsen in den einstigen Sanddünen Häuser mit klaren Formen, kubistisch und rund. Das Leitmotiv des Bauhaus-Designs lautete: Die Form folgt der Funktion.
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Sozialer Wohnungsbau
In der Frishman Street steht heute noch der weitläufige Gebäudekomplex von Arieh Sharon (1900-1980). Der in Polen geborene Architekt hatte am Bauhaus in Dessau studiert. 1936 errichtete er im Auftrag der Stadt eine dreistöckige Arbeitersiedlung mit einem schattigen Innenhof. Die damals preisgünstigen Zweizimmerwohnungen waren für Arbeiterfamilien und ärmere Immigranten vorgesehen.
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Mediterrane Verhältnisse
Schnell merkten die Architekten, dass die klimatischen und wirtschaftlichen Bedingungen im Nahen Osten ein anderes Bauen als in Deutschland erforderten. Die neuen Bauhaus-Gebäude in Tel Aviv erhielten teils große Balkone. Ihre Balustraden wurden mit horizontalen Schlitzen versehen, damit die Luft besser zirkulieren konnte. Im Sommer klettern die Temperaturen in Israel über 40 Grad Celsius.
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Verfallendes Erbe
Die Temperaturen sind einer der Gründe, warum das Welterbe in Tel Aviv in Gefahr ist. Manche Gebäude sind einsturzgefährdet - Tel Aviv liegt in einem Erdbebengebiet. Rund die Hälfte der 4000 Bauten ist bis 2019 restauriert worden, weitgehend ohne staatliche Förderungen. Die UNESCO ließ Israel bereits wissen, dass der Welterbe-Titel auch wieder entzogen werden könne.
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Denkmalschutz - eine staatliche Aufgabe?
Um finanzielle Anreize für eine Sanierung zu schaffen, ist es den Besitzern erlaubt, die Häuser um zwei Geschosse aufzustocken. Die Renovierungskosten werden danach häufig auf die Mieter abgewälzt. Philipp Oswalt von der Stiftung Bauhaus Dessau sieht das kritisch: "Wenn einem das Kulturerbe etwas wert ist, braucht es staatliche Förderung."
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Fliesen für die neue Heimat
Die Treppe des Hotel Cinema: Hier wurden edle Materialien verwendet. Die Emigranten der 1930er und 1940er Jahre hatten zum Teil Baumaterialien aus Deutschland mitgebracht. Geld durften Juden nach 1933 kaum mehr ausführen, also kauften sie Fliesen, Kacheln und Fensterläden - um eine neue Heimat aufzubauen. In den Bauhaus-Gebäuden von Tel Aviv steckt deutsch-israelische Geschichte.
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Die Vereinbarung über Fördermaßnahmen in Höhe von insgesamt 2,8 Millionen Euro haben die Bundesbauministerin Barbara Hendricks und der Oberbürgermeister von Tel Aviv, Ron Huldai, am Donnerstag in Berlin unterzeichnet.
Mehr als 4000 Häuser im Bauhaus-Stil bilden die "Weiße Stadt". Zum größten Teil wurden sie von jüdischen Architekten errichtet, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 aus Deutschland geflohen sind. Sie brachten den in Weimar von Walter Gropius entwickelten Baustil mit in die Stadt am Mittelmeer. 2000 ihrer Gebäude stehen unter Denkmalschutz; viele davon sind sanierungsbedürftig. Erhalt und Weiterentwicklung dieses Stadtviertels werden daher als deutsch-israelisches Projekt verstanden.
Gemeinsame Geschichte
"Die 'Weiße Stadt' ist ein wichtiger Teil unserer gemeinsamen historischen und baukulturellen Vergangenheit", sagte Hendricks. "Wir unterstützen die Stadt Tel Aviv beim Erhalt dieses bedeutsamen architektonischen Erbes." Seit 2003 gehört die "Weiße Stadt" zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Die Unterzeichnung der Vereinbarung war Teil der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland.