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Deutschland: Gesundheitszustand des Kanzlers ist geheim

22. April 2025

In den USA weiß die Bevölkerung über die Gesundheit ihres Präsidenten Bescheid. Donald Trump, so las man neulich, sei top in Form. Deutsche Regierungschefs sind weit weniger offen. Krankheiten werden geheimgehalten.

Donald Trump und Olaf Scholz stehen 2017 nebeneinander
Über die Gesundheit von Donald Trump ist weit mehr bekannt als über die von Olaf Scholz (Archivbild)Bild: -/ dts-Agentur/picture alliance

Donald Trump geht es gut. Der US-Präsident "erfreut sich nach wie vor einer exzellenten Gesundheit" und sei problemlos in der Lage, seinen Job auszuüben, so heißt es in einem Bericht von Trumps Leibarzt, dem ehemaligen US Navy Captain Sean Barbabella.

Das Memorandum wurde Mitte April veröffentlicht und enthält genaue Angaben zu Trumps Größe, Gewicht, Blutdruck und mehr. Interessierte können nachlesen, welchen medizinischen Tests sich der Präsident bei seiner Routineuntersuchung unterzogen hat, welche Medikamente er zur Kontrolle seines Cholesterinspiegels einnimmt und dass ihm im Alter von 11 Jahren der Blinddarm entfernt wurde.

Captain Barbabella teilte ebenfalls mit, dass Trump einen kognitiven Funktionstest mit Bravour bestanden hat (30 von 30 Punkten!) und dass sein hervorragender Zustand auch auf seinen "aktiven Lebensstil" zurückzuführen sei - schließlich habe Trump schon viele Golfturniere gewonnen.

Fit wie ein Golfschuh: Donald Trump 2023 bei seinem LieblingssportBild: Mike Stobe/Getty Images

Über den deutschen geschäftsführenden Bundeskanzler Olaf Scholz wird man solche Informationen kaum finden, und das nicht nur, weil der Mann nicht dafür bekannt ist, viel Golf zu spielen. In Deutschland weiß die Öffentlichkeit so gut wie nichts über die Gesundheit ihres Regierungschefs.

Keine Informationen zum Gesundheitszustand des Kanzlers

Für diesen Text wollte die DW vom Presseamt der Bundesregierung wissen, welcher Arzt oder welche Ärztin den Bundeskanzler behandelt, warum es so wenig öffentliche Informationen über seine Gesundheit gibt und wo frühere Regierungschefs in Behandlung waren. Nach sensiblen Informationen, wie beispielsweise ob Scholz noch seinen Blinddarm hat oder wie hoch sein Blutdruck ist, haben wir uns gar nicht erst erkundigt.

Und trotzdem: "Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zur medizinischen Versorgung des Bundeskanzlers grundsätzlich nicht äußern", kam als Antwort zurück.

Was wir wissen, ist, dass der deutsche Bundeskanzler keinen Leibarzt hat. Der Regierungschef nimmt keine Mediziner mit auf Dienstreisen oder Staatsbesuche, es sei denn, es gibt einen besonderen Grund dafür. In Berlin gibt es keinen fest im Kanzleramt niedergelassenen Arzt. Wenn medizinische Hilfe gefordert ist, wäre zum Beispiel die renommierte Charité nur fünf Autominuten entfernt.

Warum hat der Bundeskanzler keinen Leibarzt?

Es ist anzunehmen, dass Olaf Scholz nicht in überfüllten Wartezimmern sitzen muss. Und Angela Merkel hat während ihrer 16-jährigen Amtszeit wahrscheinlich auch eher selten monatelang auf einen Facharzttermin warten müssen. Dennoch mag sich mancher fragen, warum der Regierungschef der größten europäischen Volkswirtschaft keinen persönlichen Arzt zur Verfügung hat, der ihm auf Abruf zur Verfügung steht.

Da von offizieller Seite keine Informationen zu bekommen sind, kann man nur spekulieren. Ein Grund könnte das Vertrauen in das solide öffentliche Gesundheitssystem in Deutschland sein. Eine andere Erklärung für den krassen Unterschied zwischen der medizinischen Versorgung des US- und des deutschen Regierungschefs könnte in ihrer unterschiedlichen Machtstellung liegen.

"Kein deutscher Politiker hat auch nur annähernd eine solche Machtfülle wie ein amerikanischer Präsident", sagte Ronald D. Gerste, ein deutscher Augenarzt und Historiker, der in Washington, D.C. lebt, dem medizinischen Nachrichtenportal Coliquio. "Eine Krankheit des Bundeskanzlers wäre kaum folgenschwer, da Deutschland keine Präsidialdemokratie ist - das Kabinett würde weiter tagen und auch Entscheidungen treffen."

Der Gesundheitszustand wird öffentlich nur zum Thema, wenn er nicht zu übersehen ist: 2023 musste Scholz erklären, er hatte sich beim Joggen verletzt, daher die Augenklappe.Bild: ANGELIKA WARMUTH/REUTERS

Größerer Respekt vor der Privatsphäre in Deutschland

Dass die Deutschen wenig Informationen über den Gesundheitszustand ihrer Regierungsoberhäupter haben, mag auch an der Kultur liegen.

Wenn es keinen offensichtlichen Grund zur Besorgnis gibt (mehr dazu weiter unten), kämen nur wenige Reporter auf die Idee, sich nach der Herzfrequenz oder der Medikamenteneinnahme des Bundeskanzlers zu erkundigen. In Deutschland schätzen wir unsere Privatsphäre mehr als fast alles andere, und das gilt auch für Bundeskanzler.

"Grundsätzlich respektiert man - sprich: die Medien - in Deutschland das Privatleben der Politiker in stärkerem Maße als heute in den USA", sagt Gerste. "Und so ähnlich dezent geht man mit den Krankheiten der Regierenden um."

Das heißt natürlich nicht, dass Bundeskanzler nicht krank werden. Es wird nur meist nicht öffentlich darüber berichtet.

Depressionen, Ohnmachtsanfälle, Zittern

Willy Brandt, Bundeskanzler von 1969 bis 1974, wurde nachgesagt, dass er an Depressionen litt; er zog sich regelmäßig für einige Tage aus der Öffentlichkeit zurück. Kurz vor seinem Rücktritt wurde eine Erklärung veröffentlicht, in der es hieß, er leide an "einer fiebrigen Erkältung". Jahre später gab Brandt zu: "In Wirklichkeit war ich kaputt."

Sein Nachfolger, Helmut Schmidt, der bis 1982 im Amt war, hatte das Adams-Stokes-Syndrom, bei dem man aufgrund von kurzen Herzstillständen immer wieder bewusstlos wird. "Ich bin wahrscheinlich an die hundert Mal besinnungslos vorgefunden worden. Meistens nur wenige Sekunden, manchmal aber auch Minuten", sagte Schmidt. "Das haben wir mit Erfolg verheimlicht und es hat mich nicht daran gehindert, meine Pflicht als Regierungschef zu tun."

Erst nach Ende ihrer Zeit im Amt sprach Angela Merkel offen über ihre GesundheitBild: ODD ANDERSEN/AFP/Getty Images

In jüngerer Vergangenheit bekam Bundeskanzlerin Angela Merkel im Sommer 2019 einige Male einen Zitteranfall in der Öffentlichkeit, was in der Presse und in der Bevölkerung die seltene Frage nach ihrem Gesundheitszustand auslöste. Als offizieller Grund für das Zittern wurde damals Dehydrierung angegeben. Erst nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt gab Merkel zu, dass hohe Temperaturen und zu wenig Wasser nicht der einzige Grund waren.

"Der Tod meiner Mutter hat mir sehr zu schaffen gemacht", sagte sie 2022 in einem Interview. Merkel und ihre Mutter hatten sich sehr nahegestanden, bevor die ältere Frau im April 2019 verstarb - etwa zwei Monate vor Merkels erstem Zittern in der Öffentlichkeit.

Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker