Deutschland: Hürden für Häuser aus dem 3D-Drucker
8. Juni 2023
Rechenzentren sind gemeinhin nicht für ihre extravagante Architektur bekannt, schließlich sind es reine Zweckbauten. Doch das Gebäude, das gerade in Heidelberg entsteht, wird sicherlich ein echter "Hingucker". Seine Fassade, die wie der Faltenwurf eines Vorhangs aussieht, scheint um das Gebäude geradezu herumzufließen.
Hans-Jörg Kraus, Manager der Krausgruppe, die das Projekt entwickelt, sagt, dass mit der Fassade die Grenzen des Möglichen ausgelotet werden sollen. Die Freiräume für die Architekten sind größer als üblich – dank der Konstruktionsmöglichkeiten der 3D-Technologie.
Beim 3D-Druck sprüht eine digital gesteuerte Spritzdüse ein spezielles Betongemisch Schicht für Schicht aufeinander - so entstehen die Außenwände des Gebäudes. Horizontale Elemente, wie beispielsweise Zwischendecken, müssen noch auf traditionelle Art gefertigt werden.
Im Juli soll das Gebäude fertig sein. Das einstöckige Gebäude wird dann 54 Meter lang, elf Meter breit und neun Meter hoch sein. Nach Angaben der Krausgruppe wird es das größte im 3D-Druck realisierte Gebäude in Europa sein.
3D-Druck spart Arbeit, Zeit und Müll
Einige der Vorteile des 3D-Drucks – neben den extravaganten Formen, die er ermöglicht– können auf der Heidelberger Baustelle besichtigt werden. Die meiste Zeit sind nur zwei Arbeiter auf dem Bau beschäftigt, um den Drucker zu betreiben. Im Gegensatz zum herkömmlichen Betonbau halten die "gedruckten" Schichten ihre Form von der ersten Sekunde an – Verschalungen sind daher überflüssig.
Der Verzicht auf Verschalungen reduziert Abfall und Zeit für Auf- und Abbau der Holzkonstruktionen. Ein "riesiger Vorteil", sagt Jan van der Velden-Volkmann, einer der Architekten, zu DW.
So brauche es nur etwa 140 Stunden, die vertikalen Elemente des Gebäudes zu errichten, teilt PERI 3D Construction, eine der am Bau beteiligten Firmen, mit. Allerdings muss der Druck zwischendurch unterbrochen werden, um anderen Gewerken Zeit und Raum zu gewähren. Daher kann die letzte Schicht erst rund vier Monaten nach Baubeginn gespritzt werden.
Fortschritt trotz vieler Hürden
Obwohl die Technik seit rund zwei Jahrzehnten bekannt ist und weiterentwickelt wird, sind 3D-Gebäude noch immer selten. Laut COBOD, ein Anbieter von 3D-Techniken, sind etwa 130 Gebäude, die größer als zehn Quadratmeter sind, bis 2022 errichtet worden, 55 von ihnen im vergangenen Jahr.
Ein Grund für dieses langsame Wachstum, sagt Arnaud Perrot, Professor für Ingenieurwissenschaften der Universität der Süd-Bretagne, sei der Mangel an Standards für die Stabilität gedruckter Strukturen. Ohne diese, sagte er zur DW, sei es unglaublich mühsam, den Behörden nachzuweisen, dass ein gedrucktes Gebäude auch sicher sei.
Doch auch mit eingeführten Standards, stehen dem 3D-Druck noch viele Hindernisse im Weg, besonders bei der Errichtung großer Gebäude. Große Betonbauwerke sind gewöhnlich mit Stahl armiert, damit sie den Kräften, denen sie ausgesetzt sind, widerstehen können. Das aber sei mit 3D-Druck nur schwer zu realisieren, so Manu Santhanam, Professor am Institut für Ingenieurwesen am indischen Technologie-Institut von Madras in Chennai. Daher sei 3D-Druck für Gebäude mit mehr als zwei, höchstens drei Stockwerken "keine Option".
Perrot ist da optimistischer – wenigstens auf lange Sicht. Aus technischer Sicht gäbe es keinen Grund, nicht auch höhere Gebäude zu drucken. Kurzfristig hält er die Verbindung von 3D-Druck und herkömmlicher Bauweise für den einfachsten Weg, höhere Strukturen zu verwirklichen. So wird das auch in Heidelberg gemacht, wo die hohlen "gedruckten" Wände mit gewöhnlichem, stahlverstärktem Beton ausgefüllt werden, um die Stabilität zu gewährleisten.
Wo hat der 3D-Druck seine Vorteile?
Soweit es Indien betrifft, sieht Santhanam das größte Potential beim Bau außerhalb urbaner Strukturen, wo der Druck, möglichst hoch zu bauen, nicht so ausgeprägt ist, besonders in großen Neubaugebieten im ländlichen Raum. "Wenn Sie eine Häuserreihe, sagen wir mal 20 oder 30 Häuser, drucken, wird das mit Sicherheit jede andere Technologie ausstechen, weil Sie so die Möglichkeit haben, jedes Haus individuell zu gestalten."
Ein anderes Wachstumspotential sehen Perrot und Velden-Volkmann in der Vorfertigung von Baumodulen in Fabriken.
Die miese CO2-Bianz des Betons
Auf jeden Fall hinterlässt die Abhängigkeit der Technologie vom Baustoff Beton einen tiefen CO2-Abdruck in der Umweltbilanz. Beton enthält Zement als Bindemittel, dessen Herstellung 2022 für rund sieben Prozent der weltweiten Kohlenstoff-Emissionen verantwortlich war, sagt Robbie Andrew von der Universität in Oslo.
Wissenschaftler haben bereits mit anderen Baustoffen wie etwa Lehm experimentiert. Doch, sagt Santhanam, die spezifischen Vorzüge von herkömmlichem Beton - Stärke und Langlebigkeit - würden sicherlich weiterhin den 3D-Druck beim Bau dominieren.
Für das südwestdeutsche Rechenzentrum hat das Unternehmen Heidelberg Materials eine spezielle Betonmischung geliefert. Laut dem börsennotierten Unternehmen, das im Dax gelistet und globaler Marktführer bei Zement ist, produziert das Gemisch 55 Prozent weniger CO2 als herkömmlicher Zement.
Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.