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Deutschland im Kleinen: Berlin-Reinickendorf

21. September 2021

In Berlin-Reinickendorf erzielten alle Parteien bei der Bundestagswahl 2017 fast die gleichen Stimmenanteile wie auch deutschlandweit - doch wieso? Ein Erklärungsversuch von Marcel Fürstenau.

Deutschland Berlin | Stadtteil Reinickendorf | Gorkistrasse
Bild: Schoening/imageBROKER/picture alliance

Wer Reinickendorf nicht kennt, war nie in Berlin. Und den Stadtteil nicht kennen zu lernen, das kann durchaus passieren, wenn man mit dem Auto, der Bahn oder dem Rad in die deutsche Hauptstadt reist. Auf der anderen Seite: Millionen Menschen aus aller Welt, die seit 1974 das Flugzeug genommen haben, landeten in: Reinickendorf! Denn in diesem nordwestlichen Bezirk befand sich der im Mai 2021 stillgelegte Flughafen Tegel.

Bezirk der Gegensätze: Villenviertel und Hochhaussiedlung

Rund 266.000 Menschen leben hier zwischen viel Wald und Wasser. Klingt idyllisch, ist es an vielen Stellen auch. Aber Reinickendorf ist auch voller Gegensätze, was sich zeigt, wenn man die einzelnen Ortsteile genauer betrachtet: Da gibt es die zu Beginn des 20. Jahrhunderts angelegte Gartenstadt Frohnau mit prachtvollen Villen im englischen Landhausstil, aber auch das in den 1960er Jahren entstandene Märkische Viertel. In der Hochhaussiedlung leben mehr als 40.000 Menschen auf 3,2 Quadratkilometern, in Frohnau weniger als 17.000 auf einer mehr als doppelt so großen Fläche.

Der Bezirk Reinickendorf im Norden Berlins

Zwischen diesen Extremen gibt es auch sonst alles, was so oder ähnlich in anderen Ecken Deutschlands anzutreffen ist: das Dorf Lübars mit Fließlandschaft und Reiterhöfen, Tegel mit Dampferanlegestelle und dem nun ehemaligen Airport oder Wittenau und Borsigwalde mit weitläufigen Gewerbegebieten. Reinickendorf, das nach dem Zweiten Weltkrieg zum Französischen Sektor und damit zu West-Berlin gehörte, ist heute also weder sozial noch wirtschaftlich ein homogener Bezirk.

Reinickendorf schon länger repräsentativ

Ein Befund, der sich auch im Wahlverhalten widerspiegelt. Und das Verblüffende: Das Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017 bei den Zweitstimmen ähnelte dem in der ganzen Bundesrepublik fast exakt. Die durchschnittliche Abweichung lag bei minimalen 0,8 Prozentpunkten - kurioser Zufall oder steckt mehr dahinter? Ein Blick in die jüngere Historie zeigt, dass der Wahlkreis 77, nämlich Reinickendorf, auch schon 2013 fast so gewählt hatte wie Deutschland insgesamt.

Zweitstimmenverteilung der Bundestagswahl in Reinickendorf und deutschlandweit

Was sich hinter den statistischen Zahlen verbergen könnte und ob das Phänomen präziser erklären ließe, ist noch völlig unerforscht. Vielleicht ist es wirklich nur eine Laune des Wahlvolks. Einer Minderheit von 182.000 Frauen und Männern, die bei der Bundestagswahl ihre Kreuze machen dürfen. Das sind zwar nur 0,3 Prozent aller Wahlberechtigten, aber sie scheinen irgendwie repräsentativ für Deutschland zu sein.

Wo CDU, SPD und AfD ihre Hochburgen haben

Das könnte der Erklärungsansatz sein. Die Reinickendorfer Bevölkerung deckt nämlich das ganze gesellschaftliche Spektrum ab: einkommensstarke Bildungsbürger, breite Mittelschicht, viele Rentner und Sozialhilfeempfänger. In den einzelnen Ortsteilen des Bezirks sind die Unterschiede allerdings mitunter riesig: Im wohlhabenden Frohnau erzielten die Christdemokraten 2017 in einigen Wahllokalen bis zu 45 Prozent, während die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) im Märkischen Viertel in zwei Wahllokalen auf rund 25 Prozent der Stimmen kam und damit an der Spitze lag.

Dort gab es auch für die Sozialdemokraten ein paar Lichtblicke mit Ergebnissen über der 30 Prozent-Marke. Auch solche Ausschläge dürften vor allem mit der Bevölkerungsstruktur zu erklären sein: Berlin-Reinickendorf ist allem Anschein nach Deutschland im Miniaturformat. Am 26. September wird sich zeigen, ob der Bezirk diesen Status verteidigt. An diesem Tag entscheiden 60,4 Millionen Menschen in 299 ungefähr gleich großen Wahlkreisen darüber, welche Parteien ins Parlament, den Deutschen Bundestag, kommen. Und die wahrscheinlich mehr als 700 Abgeordneten werden aus ihrer Mitte die Nachfolgerin oder den Nachfolger der nicht mehr kandidierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel wählen.  

Die Bundestagswahl: Alles, was man wissen muss

07:22

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