Deutschland und Japan bauen militärische Zusammenarbeit aus
19. August 2025
Wenn der deutsche Außenminister Johann Wadephul auf dem japanischen Militärstützpunkt Yokosuka vor Kriegsschiffen über chinesische Dominanz spricht, dann weiß er, wo die Bilder besonders kritisch gesehen werden. In China ist die deutsch-japanische Allianz während des Zweiten Weltkriegs nicht vergessen. Als Wadephul also am Vortag China "aggressives Vorgehen" in der Region vorwarf, reagierte Peking verärgert und warnte vor "Anstachelung zur Konfrontation und Spannungen".
Doch Wadephul rüstet verbal nicht ab. "Weder in Europa noch sonst irgendwo in der Welt dürfen Grenzen durch Gewalt verschoben werden", sagt er in Japan. Es ist eine deutliche Botschaft mit Blick auf die Taiwan-Frage. Während Taiwan (die "Republik China") nie formal die Unabhängigkeit erklärt hat, wird das Land de facto eigenständig regiert. Die Volksrepublik China hingegen betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz. Eine Wiedervereinigung ist Staatsziel, Peking schließt dabei militärische Mittel nicht aus.
Deutschland bekennt sich zur Ein-China-Politik (nach der es nur ein China mit Regierung in Peking gibt). Es unterhält zwar keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, arbeitet aber in Wirtschaft, Kultur und Forschung mit dem Inselstaat zusammen und setzt sich für eine friedliche Wiedervereinigung ein, die auf gegenseitigem Einvernehmen beruht.
Deutschland will mehr Verantwortung übernehmen
In diesen Tagen, in denen Europa um die Zukunft der Ukraine kämpfe, müsse man klare Botschaften an Peking senden, betont Jürgen Hardt (CDU) im Gespräch mit der DW. Der Parlamentarier begleitet den Außenminister auf der Reise. "Wir haben oft Vertreter der chinesischen Regierung gefragt, ob sie Russland gegen die Ukraine unterstützen, und sie haben verneint. Doch wir haben den sicheren Eindruck, dass das nicht stimmt." Deshalb sei es richtig, Klartext mit China zu sprechen.
Am Stützpunkt von Yokosuka sind deutsche Streitkräfte stationiert, die als Teil einer multinationalen Militärmission die Durchsetzung und Koordinierung der maritimen Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegenüber Nordkorea überwachen. Auch Amerikaner, Franzosen, Briten und Vertreter anderer Nationen sind dabei. "Deutschland will mehr Verantwortung übernehmen", wiederholt Wadephul in Tokio, denn: "Die systemische Rivalität nimmt einen immer größeren Raum in unseren Beziehungen ein."
Japan ist weniger von China abhängig
Der Außenminister nennt Japan "den Premiumpartner" Deutschlands in Asien. "Wir sehen es als notwendig an, gemeinsam mehr sicherheitspolitische Verantwortung zu übernehmen", erklärt Wadephul. Er spricht auch von der Absicherung wirtschaftlicher Interessen.
Ein knappes Dutzend Wirtschaftsvertreter begleitet den Außenminister in Japan. "Unsere Frage ist: Wie gehen wir mit den Abhängigkeiten bei Rohstoffen und seltenen Erden um?", fragt Arnd Franz, Vorstandsvorsitzender des Autozulieferers Mahle aus Stuttgart. Es gebe nur wenige Lieferanten: "China hat dabei eine sehr dominierende Rolle, die es ausnutzt." Franz' Unternehmen produziert acht Millionen Elektromotoren im Jahr. "Die Japaner sind durch ihr Risikomanagement besser darauf vorbereitet, und davon lernen wir hier", betont Franz.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Japan viel weiter ist bei dem Ziel, die strategische Abhängigkeit von China zu reduzieren. Japan importiert nur noch 60 Prozent seiner seltenen Erden aus der Volksrepublik. Deutschland hingegen bezieht 90 Prozent aus China, was dem chinesischen Anteil an der weltweiten Produktion der Rohstoffe entspricht.
Japan stützt die Ukraine, China stützt Russland
Dass Japan als globaler Partner für Berlin so hoch im Kurs steht, liegt auch an seiner Solidarität mit der Ukraine. Tokio hat die Ukraine bisher mit 12 Milliarden Euro unterstützt und Russland nach der Vollinvasion von 2022 mit Sanktionen belegt.
Peking dagegen unterstütze "Russlands Kriegsmaschinerie", sagt Wadephul. Deutschland werde "die internationale regelbasierte Ordnung auch in dieser Region verteidigen". Wadephul meint damit auch die Straße von Taiwan. Durch sie verläuft eine Schlagader des globalen Seehandels - für Handelsnationen wie Deutschland und Japan ist sie von großer strategischer Bedeutung.
"Jede Eskalation in der Straße von Taiwan hätte schwerwiegende Folgen für die globale Sicherheit und Wirtschaft", warnt der deutsche Außenminister.
Diplomat für militärische Ausrüstung
Die engere Kooperation Deutschlands und Japans beim Thema Sicherheit geht auf das Geheimschutzabkommen zurück, das beide Länder 2021 unterschrieben haben. Seitdem tauschen ihre Nachrichtendienste Informationen aus. Untermauert werden soll das deutsche Engagement im Indo-Pazifik durch gelegentliche Besuche von deutschen Kriegsschiffen in japanischen Häfen und Eurofightern auf japanischen Militärbasen. In der Regel finden diese Besuche im Rahmen von gemeinsamen Militärmanövern statt.
Die Rüstungsindustrien beider Länder wollen ebenfalls mehr kooperieren. "Deutschland und Japan geben heute viel mehr für Verteidigung aus - da ergeben sich Potentiale", sagt Jürgen Hardt (CDU) der DW. "Auch wenn Firmen beider Länder manchmal durchaus Konkurrenten sind - wie zuletzt, als Australien japanische und nicht deutsche Schiffe bestellt hat - wird man bald mehr zusammenarbeiten."
Zuletzt hat das größte deutsche Rüstungsunternehmen Rheinmetall mit der Testphase mehrerer autonomer Bodenfahrzeuge begonnen, die es für japanische Auftraggeber bauen soll. Und eine japanische Firma soll nun Raketenantriebselemente für den Marschflugkörper Taurus entwickeln. Zudem arbeitet an der deutschen Botschaft in Tokio seit kurzem ein neuer Diplomat, ein wehrtechnischer Attaché. Spezialfeld: Rüstung und Beschaffung.
"Fehler aus Europa nicht wiederholen"
In Südostasien blickt man heute aufmerksam in Richtung Europa. Ein schlechtes Verhandlungsende für die Ukraine könnte Peking zu einem aggressiveren Vorgehen gegenüber Taiwan oder im Südchinesischen Meer ermutigen, fürchten viele.
"Im Fall Ukraine haben wir unsere Einschätzungen der Sicherheitslage in Europa korrigieren müssen", sagt Jürgen Hardt. Die deutsche Politik hat damals Warnungen unter anderem aus Osteuropa vor einem russischem Angriff nicht ernst genug genommen. "Man sollte nicht den gleichen Fehler zweimal machen", fordert der Bundestags-Abgeordnete.
Nach dem Besuch in Japan fliegt der deutsche Außenminister weiter nach Jakarta. In Indonesien, dem größten muslimischen Land der Welt, will er neue Absatzmärkte und mögliche Kooperationen ausloten. Auch das ist Teil der deutschen Derisking-Strategie, die für Berlin heute wichtiger ist denn je zuvor.