Deutschland meldet neuen Corona-Rekord
22. Oktober 2020Mit 11.287 neuen Corona-Fällen wurde der bisherige Rekordwert in Deutschland deutlich übertroffen, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Donnerstagmorgen mitteilte. Er lag bisher bei 7830 Fällen innerhalb eines Tages - gemeldet von den Gesundheitsämtern am Freitag vergangener Woche. Die Zahl der Menschen, deren Tod mit einer SARS-CoV-2-Infektion in Verbindung gebracht wird, wuchs hierzulande auf 9905 - das sind 30 mehr als am Vortag.
RKI-Präsident Lothar Wieler bezeichnete die aktuelle Situation in der Bundesrepublik als "sehr ernst". Es müsse damit gerechnet werden, dass sich das Coronavirus in einigen Regionen stark und auch "unkontrolliert" ausbreiten könne. Darum seien Hygiene- und Abstandsregeln unbedingt zu beherzigen. Im Vergleich zur ersten Welle der Pandemie nehme derzeit die Ausbreitung des Virus vor allem in privaten Haushalten deutlich zu, erläuterte Wieler in Berlin. Ansteckungen im öffentlichen Nahverkehr oder auch in Hotels seien hingegen seltener.
Momentan seien noch immer eher jüngere Menschen in Deutschland betroffen, sagte der RKI-Chef. Es gebe deshalb mehr leichte Erkrankungen. Es steige aber auch der Anteil bei älteren Menschen. Die Zahl der COVID-19-Patienten in Krankenhäusern wachse.
Zuletzt lagen rund ein Drittel aller vom Robert-Koch-Institut erfassten deutschen Städte und Landkreise über dem Schwellenwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche, ab dem vielerorts verschärfte Infektionsschutzmaßnahmen greifen. In rund 30 Kreisen und Städten ist der sogenannte Inzidenz-Wert sogar schon über die Marke von 100 geklettert.
Die jetzigen Werte sind allerdings nur bedingt mit denen aus dem Frühling vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich mehr getestet wird - und damit auch mehr Infektionen entdeckt werden. Wegen der Zeit zwischen Ansteckung, Test, Ergebnis und Meldung geben die jüngsten Zahlen laut Experten einen Hinweis darauf, wie stark das Virus vor etwa einer Woche in der Gesellschaft unterwegs war. Deshalb dauere es auch, bis sich politische Maßnahmen in den Zahlen niederschlagen könnten, heißt es.
Test bei Spahns Kabinettskollegen
Am Mittwoch hatte auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mitgeteilt, dass er sich mit dem Coronavirus infiziert habe. Via Twitter bedankte sich der 40-Jährige für die vielen Genesungswünsche. "Ich bin in häuslicher Isolation und erhole mich mit aktuell nur Erkältungssymptomatik", schrieb er weiter. Er wünsche allen, mit denen er Kontakt hatte, dass sie gesund blieben.
Nun steht die Frage im Raum, ob Spahn das Virus an seine Kolleginnen und Kollegen im Kabinett weitergegeben hat. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung sollen sich alle testen lassen, die mit ihm am Mittwoch an einer Sitzung im Kanzleramt teilnahmen.
Die an COVID-19 erkrankte Außenministerin Belgiens, Sophie Wilmès, wird inzwischen auf einer Intensivstation behandelt. Der Zustand der 45-Jährigen sei stabil, es bedürfe aber einer professionellen Betreuung, hieß es aus Brüssel. Die Ex-Regierungschefin leide nicht unter problematischen Vorerkrankungen. Wilmès hatte ihre Corona-Infektion am vergangenen Wochenende bekanntgegeben.
EU-Staaten verhängen (Fast-)Lockdown
Die ersten Länder in der Europäischen Union reagieren auf die steigenden Fallzahlen bereits mit (noch) schärferen Maßnahmen. In Tschechien müssen von diesem Donnerstag an fast alle Geschäfte geschlossen bleiben. Ausgenommen sind etwa Lebensmittelläden und Apotheken.
Zudem wurden Ausgangsbeschränkungen verhängt: Die Regierung in Prag ordnete an, dass Landsleute die Kontakte mit anderen Menschen auf die "absolut notwendige Zeit" begrenzen müssen. Nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hatte Tschechien zuletzt die europaweit höchste Infektionsrate binnen 14 Tagen.
Auch die Regierung der Slowakei schließt nach einem Rekordzuwachs von Corona-Fällen einen Lockdown nicht aus. Um einen ähnlich raschen Zuwachs der Fallzahlen wie im Nachbarland Tschechien zu verhindern, helfe womöglich nur mehr, "das ganze Land abzuriegeln", erklärte Ministerpräsident Igor Matovic.
In Bulgarien ist ab sofort das Tragen von Schutzmasken auch im Freien wieder obligatorisch, wenn Abstandhalten nicht möglich ist. "Wir kommen in eine recht ernsthafte Phase", warnte Gesundheitsminister Kostadin Angelow.
In Irland gilt seit der Nacht zum Donnerstag für sechs Wochen die höchste von fünf Maßnahmen-Stufen. Konkret bedeutet das: Wer kann, muss bis zum 1. Dezember in Irland daheim arbeiten. Geschäfte, die keine lebensnotwendigen Waren verkaufen, bleiben geschlossen. Treffen mit anderen Haushalten sind bis auf wenige Ausnahmen untersagt. Sport im Freien ist nur im Umkreis von fünf Kilometern erlaubt. Die Schulen bleiben jedoch geöffnet.
In Spanien wurde schon am Mittwoch die Marke von einer Million registrierten Corona-Fällen durchbrochen. In der Hauptstadt Madrid endet allerdings - trotz noch hoher Corona-Zahlen - am Freitag die von der Zentralregierung gegen den Willen der Regionalregierung angeordnete zweiwöchige Abriegelung. Die Stadt erwägt danach die Abschottung stark betroffener Stadtgebiete sowie eine nächtliche Ausgangssperre. Diese Möglichkeit wird auch für ganz Spanien diskutiert.
In Italien wird in der Region Lazio, zu der die Hauptstadt Rom gehört, eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Sie tritt am Freitagabend in Kraft und gilt für 30 Tage. Die Menschen dürfen ihre Häuser dann nur noch aus wichtigem Grund wie Arbeit oder Krankheit verlassen. In den vergangenen Tagen war die drastische Maßnahme bereits für die Regionen Lombardei und Kampanien beschlossen worden.
Aktualisierte Reisewarnung für Österreich
Wegen der steigenden Fallzahlen auch in Österreich erklärte das Robert-Koch-Institut mittlerweile das ganze Land bis auf Kärnten zum Risikogebiet. Eine entsprechende Reisewarnung gilt ab Samstag. Die Hauptstadt Wien sowie die Bundesländer Tirol und Vorarlberg standen bereits zuvor auf der roten Liste. Das RKI weist zudem nun auch das Nicht-EU-Land Schweiz sowie Polen und Irland als Risikogebiete aus.
Dänemark schließt Grenze für deutsche Urlauber
Menschen aus Deutschland dürfen wegen der steigenden Corona-Neuinfektionszahlen ohne triftigen Grund nicht mehr nach Dänemark einreisen. Die Maßnahme bedeutet unter anderem, dass deutsche Touristen nicht mehr ins Land kommen dürfen. Für den Großteil der weiteren Staaten in Europa gelten diese Einreisebeschränkungen bereits seit Längerem. Für Einwohner Schleswig-Holsteins sollen Ausnahmen gelten.
wa/mak (dpa, afp, rtr)