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Politik

Deutschland nimmt Abschied

Nina Niebergall
1. Juli 2017

Viele trauerten in den vergangenen Tagen um Helmut Kohl - nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Seine letzte Ruhe findet der Altkanzler nun in der Pfälzer Heimat. Nina Niebergall aus Speyer.

Trauerfeierlichkeiten für Altkanzler Kohl
Die höchsten Repräsentanten Deutschlands an Kohls SargBild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Vor dem Kaiserdom zu Speyer wehen die europäische, die deutsche und die rheinland-pfälzische Flagge - eines von vielen Symbolen, die an diesem Abend an das Vermächtnis von Helmut Kohl erinnern. Hier, in der idyllischen Stadt am Rhein, gedenken Angehörige, Freunde und politische Weggefährten ein letztes Mal des verstorbenen Altkanzlers. Sie verabschieden sich mit einer Trauermesse im Dom, einem Ort, mit dem Kohl viel verband.

Im Inneren der mittelalterlichen Kirche, in der acht deutsche Könige und Kaiser beerdigt sind, füllen sich die Bänke. Weihrauch liegt in der Luft. Vor dem Altar ist der Sarg aufgebahrt, bedeckt von einer Deutschlandfahne. Bevor die Trauermesse beginnt, wird es für einen Moment still. Ministranten schreiten durch die Säulengänge der mittelalterlichen Kirche, gefolgt von dem Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann, der den Gottesdienst eröffnet.

Während der Trauermesse erstrahlten die Gewölbe des Doms in den Farben der EUBild: Reuters/A. Dedert

Pfälzer, Deutscher und Europäer

"Wir nehmen Abschied von einem Staatsmann, der seine pfälzische Heimat und sein deutsches Vaterland liebte", sagt Wiesemann. Wie schon so viele in den vergangenen Tagen erinnert aber auch er daran, dass Helmut Kohl nicht nur Deutscher und Pfälzer war. Er war immer auch Europäer und Weltbürger.

Und so sind unter den rund 1500 Gästen im Speyerer Dom nicht nur deutsche Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, sondern auch der Kommissionspräsident der Europäischen Union, Jean-Claude Junker, und der ehemalige US-Präsident Bill Clinton. Dass so viele "hochrangige Gäste aus aller Welt" gekommen sind, zeige wie herausragend die Verdienste Helmut Kohls gewesen seien, betont Bischof Wiesemann.

Bill Clinton mit Kohls Witwe MaikeBild: Getty Images/S. Gallup

Zwischen Juncker und Clinton sitzt die Witwe des verstorbenen Altkanzlers, Maike Kohl-Richter. Ob Absicht oder nicht - die Platzwahl versinnbildlicht das Gezerre der vergangenen Tage. Denn Kohl-Richter hatte einen deutschen Staatsakt für ihren verstorbenen Ehemann abgelehnt und stattdessen für einen europäischen Trauerakt plädiert, bei dem zunächst auch die deutsche Bundeskanzlerin nicht reden sollte. Das hatte bei vielen deutschen Politikern für Unverständnis gesorgt.

Familienzwist in Zeiten der Trauer

Auch der Familienzwist der Kohls scheint in diesen Stunden nicht vergessen. So wurden die Söhne Helmut Kohls, Walter und Peter, nicht bei der Totenmesse gesehen. Der Streit hatte in den vergangenen Tagen die Gedenkveranstaltungen für den Altkanzler überschattet, nahm zuweilen tragische Züge an. Walter Kohl war etwa vor laufenden Kameras der Zutritt zum Haus seines Vaters in Ludwigshafen-Oggersheim verwehrt worden. Dass dieser in Speyer und nicht ihm Familiengrab bei seiner ersten Ehefrau Hannelore beerdigt wird, hatte Walter Kohl abgelehnt - vergeblich. Mit der Entscheidung werde das politische Lebenswerk seines Vaters von der seiner Mutter getrennt, erklärte er zuletzt.

Bischof Wiesemann spricht dieses Gerangel nicht direkt an. Nur ein Anflug der Kritik findet sich in seiner Predigt. Da sagt der Geistliche über Helmut Kohl: "Er wusste von seinen Ecken und Kanten. Davon, dass er vieles erreicht hat, aber auch manches zu kurz kam." Ob er damit die Familie meinte, die für Kohl nie ganz den Stellenwert zu haben schien, die sein politisches Wirken hatte?

Doch es ist vor allem die Symbolik des Ortes, des Kaiserdoms, an die Wiesemann erinnern will. Denn hierher floh Helmut Kohl 1943 vor den Bomben der Alliierten. Hier wurde er 1998 als Bundeskanzler verabschiedet. Drei Jahre später nahm er hier Abschied von seiner ersten Ehefrau Hannelore, die sich nach langer Krankheit das Leben genommen hatte. Und hier nach Speyer brachte er zahlreiche internationale Staatsgäste, führte den französischen Präsidenten Jacques Chirac, die britische Premierministerin Margaret Thatcher und auch den letzten Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, durch die Säulengänge des Doms.

Militärisches Ehrengeleit für Helmut Kohl vor dem Speyerer DomBild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

Abschied in blau und gelb

Kohl habe Speyer zur "Weltbühne" gemacht, meint Bischof Wiesemann, und zu einem "Symbol und real erfahrbaren Ort für das, was ihm im Leben wichtig war". Das sei vor allem die geistige und kulturelle Zusammengehörigkeit Europas gewesen. Denn für Kohl, den Bundeskanzler der deutschen Einheit, seien Patriot und Europäer "zwei Seiten einer Medaille" gewesen.

Zum Ende der Totenmesse wird es noch einmal still in der Kirche, halten die Gäste für einige Minuten inne. Draußen wartet eine Menschenmenge unter schwarzen Regenschirmen. Soldaten der Bundeswehr laufen in die Kirche, einen Kranz roter Rosen vor sich hertragend. Während sie den Sarg nach draußen geleiten, erstrahlen die Gewölbe des Speyerer Doms in blau und gelb - den Farben der Europäischen Union.

Am Samstagabend schließlich wurde Kohl - nach einem militärischen Ehrengeleit auf dem Domplatz - im engsten Kreis auf dem Friedhof des Domkapitels beigesetzt. 

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