1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutschland schafft schnellere Einbürgerung ab

8. Oktober 2025

Seit 2024 konnte man unter bestimmten Bedingungen schon nach drei Jahren den deutschen Pass bekommen. Nun wurde die sogenannte Turboeinbürgerung gestrichen. Innenminister Alexander Dobrindt freut sich.

Symbolbild zum Thema Einbürgerung: Ein weinroter deutscher Reisepass befindet sich in der Hand einer Person, die nicht zu sehen ist. Auf dem Deckel des Dokuments steht jeweils in goldener Schrift und in Großbuchstaben "Europäische Union" (oben), "Bundesrepublik Deutschland" (darunter) und "Reisepass" (unten). In der Mitte ist der Bundesadler mit gespreizten Flügeln aufgedruckt. Im Hintergrund ist ein Teil des Reichstagsgebäudes in Berlin, in dem der Deutsche Bundestag seinen Sitz hat, zu sehen. Davor weht die schwarz-rot-goldene Deutschlandfahne.
Der Deutsche Bundestag hat die Abschaffung der sogenannten Turboeinbürgerung beschlossen; die Wartezeit auf einen deutschen Pass dauert jetzt mindestens fünf Jahre Bild: Wolfgang Maria Weber/IMAGO

Wer als Ausländerin oder Ausländer schon eine Weile in Deutschland lebt und gerne eingebürgert werden will, musste bis Juni 2024 sehr viel Geduld haben: mindestens acht Jahre. Diese lange Wartezeit wurde von der damaligen Regierung aus Sozialdemokraten (SPD), Grünen und Freien Demokraten (FDP) deutlich verkürzt: "Eine Einbürgerung soll in der Regel nach fünf Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei Jahren", hieß es dazu im Koalitionsvertrag.

Die doppelte Staatsbürgerschaft bleibt weiter möglich

Das Versprechen wurde eingelöst, aber an Bedingungen geknüpft: Um den deutschen Pass schnellstmöglich zu bekommen, muss man über ein ausreichendes eigenes Einkommen verfügen, gut Deutsch sprechen und sich gesellschaftlich engagieren – zum Beispiel bei der Freiwilligen Feuerwehr. Diese sogenannte Turboeinbürgerung nach drei Jahren wurde nun aber von der seit Mai 2025 amtierenden Koalition aus konservativen Unionsparteien (CDU/CSU) und SPD gestrichen.       

Die mit der Reform von 2024 ermöglichte doppelte Staatsbürgerschaft bleibt erhalten, lediglich die "Turboeinbürgerung" fällt weg Bild: Christian Ohde/CHROMORANGE/picture alliance

Mit dieser Änderung lässt auch die von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) angeführte Regierung den Worten aus ihrem Koalitionsvertrag Taten folgen, betont aber zugleich: "Darüber hinaus halten wir an der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts fest." Das bedeutet: Einbürgerung frühestens nach fünf Jahren. Erhalten bleibt auch die Möglichkeit, zwei Pässe zu haben – also die doppelte Staatsbürgerschaft.

"Natürlich ist die Einbürgerung ein bedeutender Faktor"

Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) zeigte sich mit dem Ergebnis der von ihm maßgeblich initiierten Änderung schon zufrieden, als sie noch gar nicht beschlossen war: während der ersten Debatte über die geplante Gesetzesnovelle Ende Juni im Bundestag. Bei dieser Gelegenheit lobte er den Wunsch vieler Migrantinnen und Migranten, Deutsche werden zu wollen: "Natürlich ist die Einbürgerung ein bedeutender Faktor für den Zusammenhalt in einem Land", sagte er zu Beginn seiner Rede.

Doch dann tadelte er die "Turboeinbürgerung" als falschen Anreiz, der im Ausland als Pull-Effekt wahrgenommen worden sei. Dieser Begriff ist in der Werbung weit verbreitet und bedeutet, Kaufanreize für ein angepriesenes Produkt zu setzen. Dobrindt ging es aber auch um die von ihm wahrgenommene Wirkung in Deutschland: "Nach innen war es ein falscher Anreiz, weil es gegenüber der Bevölkerung den Eindruck erweckt hat, als würde der deutsche Pass in einer Art Sonderangebot vergeben werden."

"Wie lange muss man in Deutschland gelebt haben?"

Jannes Jacobsen vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Berlin hält die Begründung des Innenministers für reine Symbolpolitik. Dahinter stecke die Frage: "Wie lange muss man in Deutschland gelebt haben, bis man Deutscher mit Pass werden darf?" Das sei ein "Kulturkampf", sagt der Experte im DW-Interview. 

Grundsätzlich wird sich nach Jacobsens Einschätzung durch die erneute Reform des Staatsangehörigkeitsrechts aber nur wenig ändern: "Kern der Einbürgerungsreform war die Verkürzung der Wartezeit auf fünf Jahre, den lässt die neue Koalition bestehen." Tatsächlich habe die Vorgängerregierung die Hürden qualitativ sogar nach oben gesetzt, betont der Migrationsforscher.

Von der "Turboeinbürgerung" hätten nur wenige profitiert

Eine wesentliche Bedingung für den Erhalt des deutschen Passes ist, ohne staatliche Unterstützung seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Jacobsen nennt typische Beispiele dafür, wie schnell sich das auch während eines laufenden Einbürgerungsverfahrens ändern kann: wenn die betroffene Person wegen einer körperlichen Beeinträchtigung nicht mehr arbeiten könne oder aufgrund einer Scheidung ohne eigenes Einkommen dastehe, weil der Partner Alleinverdiener gewesen sei.

Der Integrations- und Migrationsforscher Jannes Jacobsen hält vieles in der Debatte um Einbürgerungen für "Symbolpolitik"Bild: DeZIM-Institut

Und was hat die nur 15 Monate bestehende Möglichkeit der "Turboeinbürgerung" am Ende gebracht? Den Effekt könne man nach so kurzer Zeit gar nicht exakt messen, sagt Jacobsen unter Verweis auf fehlende Daten. Man wisse, dass nur 13 Prozent der in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländer die sprachlichen und ökonomischen Voraussetzungen erfüllt hätten. Der Anteil von Personen, die sich durch besonderes Engagement für die Einbürgerung nach drei Jahren qualifiziert hätten, sei sehr wahrscheinlich noch geringer.

"Wir haben unglaublich lange Bearbeitungszeiten"

Abgesehen davon verweist Jacobsen auf ein seines Erachtens großes ungelöstes Problem: "Nur weil man einen Antrag auf Einbürgerung stellt, heißt das noch lange nicht, dass der innerhalb kürzester Zeit gewährt wird. Denn wir haben in Deutschland ganz grundsätzlich eine Überlastung der Verwaltung. Wir haben unglaublich lange Bearbeitungszeiten." Sein Institut wisse von Einbürgerungsbehörden, dass die dem Anstieg der Anträge nicht gewachsen seien, weil das dafür benötigte Personal fehle. Wer Glück hat, ist nach sechs Monaten eingebürgert. Wer Pech hat, muss über vier Jahre warten.  

An dieser Situation wird sich so schnell nichts ändern, denn auch in deutschen Amtsstuben ist der Fachkräftemangel deutlich spürbar. Der Staat befindet sich dabei im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft. Die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat hält vor diesem Hintergrund schnellere Einbürgerungen für unverzichtbar, wie sie in der Debatte über die "Turboeinbürgerung" deutlich machte: "Eine der ersten Amtshandlungen dieser Bundesregierung ist es, hochqualifizierten, gut integrierten Menschen den Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft wieder zu erschweren."

Lässt sich der Fachkräftemangel mit Einbürgerungen beheben?

Und das passiere in einer Zeit, in der Deutschland händeringend Fachkräfte suche, sagte die Oppositionspolitikerin: "Vom Krankenhaus bis zur Kita, vom Handwerksbetrieb bis zum Hightech-Labor. Das ist nicht nur unfair, das ist unvernünftig."

Fachkräftemangel: Ein Oberbürgermeister sucht nach Lösungen

12:34

This browser does not support the video element.

Der Integrations- und Migrationsforscher Jannes Jacobsen hat einen anderen Blick auf die Ursachen für den weit verbreiteten Fachkräftemangel: Um den zu reduzieren, seien vereinfachte Verfahren für die Anerkennung ausländischer Berufs- und Studienabschlüsse nötig. Das habe die frühere Regierung auch in Angriff genommen.

Wo sich der Migrationsforscher und Alexander Dobrindt einig sind

Trotzdem sieht Jacobsen weiterhin große Defizite; wichtig sei zum Beispiel eine vernünftige Wohnpolitik: "Wenn es darum geht, Fachkräfte in Metropolen anzuwerben, dann muss man auch dafür sorgen, dass sie hier bezahlbaren Wohnraum finden – nicht nur auf dem Land." In diesem Punkt argumentiert der Fachmann vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) ähnlich wie der deutsche Innenminister.

Alexander Dobrindt begründete den Wegfall der Einbürgerung nach drei Jahren so: "Wenn man Fachkräfte werben will, dann braucht es als Allererstes prosperierenden Mittelstand, eine funktionierende Wirtschaft, attraktive Arbeitsplätze, die Funktionsfähigkeit eines Landes, ein Bildungsniveau und Bildungsmöglichkeiten für die Kinder – und eine gute Politik."

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen