Gemischte Bilanz
1. Januar 2013Erst vor wenigen Wochen schaute die Welt gebannt auf die UN-Gremien. Es ging um die Frage, ob Palästina als beobachtender Nichtmitgliedsstaat anerkannt wird. Deutschland enthielt sich in dieser für den Nahostkonflikt so wichtigen Frage - und wurde für diese Entscheidung von vielen Beobachtern gelobt.
Zum Jahresende schied die Bundesrepublik nun nach zwei Jahren turnusgemäß als nichtständiges Mitglied aus dem Sicherheitsrat aus und ist nun wieder einfaches Mitglied der Vereinten Nationen. Neben anerkennenden Worten erntete Deutschland aber auch Kritik, zum Beispiel für sein Verhalten in der Libyen-Frage.
Kritik an Libyen-Enthaltung
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, bilanziert die deutsche Leistung gegenüber der DW: "Ich glaube, dass die Bundesregierung sich durchaus bemüht hat, Themen auch auf der Tagesordnung zu behandeln, die sonst nicht im Fokus stehen, insbesondere Kinder in Kriegen." UN-Botschafter Peter Wittig und Außenminister Guido Westerwelle setzten auch die Klimapolitik auf die Agenda, versuchten eine moderne Afghanistan-Politik.
Es ist das fünfte Mal in der Geschichte der Vereinten Nationen, dass Deutschland über den Weltfrieden und die internationale Sicherheit mitentscheiden konnte. Seine Macht war jedoch nur begrenzt, da die nichtständigen Mitglieder über kein Vetorecht verfügen und nach zwei Jahren ihre Plätze wieder räumen müssen. Die eigentliche Entscheidungskraft liegt bei den ständigen Mitgliedern Großbritannien, Frankreich, Russland, China und den USA.
Deutschland enthält sich
Zwei Entscheidungen prägen die Bilanz für die Deutschen. Am 17. März 2011 votierte der Sicherheitsrat über Libyen. Die Resolution sollte den Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi forcieren. Während alle westlichen Verbündeten Deutschlands für die Luftschläge stimmten, enthielt sich die Bundesrepublik - zusammen mit Russland, China, Brasilien und Indien. "Ich glaube, dass die Entscheidung der Bundesregierung, sich damals hier zu enthalten und mit Ländern wie Russland oder China zu einer gemeinsamen Abstimmung zu kommen, nicht hilfreich gewesen ist", sagt Mützenich.
Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagfraktion, Philipp Mißfelder, sieht trotz der Negativschlagzeilen keinen Grund zur Besorgnis: "Ich finde, insgesamt ist es sehr gut gelungen, dass wir diesen kleinen Kratzer ausgebügelt haben. Es gibt nirgendwo einen Zweifel daran, dass Deutschland nicht zu seinen Bündnisverpflichtungen steht, siehe jetzt Türkei mit dem Patriotsystem. Wir sind ein treuer und loyaler Partner im Bündnis."
Innenpolitische Festlegung
Für den Münsteraner Politikprofessor Sven Bernhard Gareis hängt die Entscheidung zur Enthaltung auch mit unklaren Absprachen zusammen. "Meine Interpretation ist die: Wir hatten hier natürlich im Vorfeld dieser Debatte und im Vorfeld dieser Entscheidung festgelegt, dass eine Beteiligung mit militärischen Mitteln nicht in Frage kommt, dass man sich nicht für eine militärische Lösung in dieser Frage stark machen würde."
Bis zuletzt sah es so aus, erklärt Gareis, als würde auch die USA diese Position tragen. Der Umschwung im Meinungsbild der Amerikaner kam erst in der Nacht vor der Entscheidung. "Hier hatte sich Deutschland natürlich innenpolitisch festgelegt. Ich denke, dass man dann, was die innenpolitische Dimension anging, nicht mehr zurück wollte", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Solidarität und Kritik
Neben der Libyen-Frage dominierte auch die Entscheidung der UN-Vollversammlung über Palästina als einen beobachtenden Nichtmitgliedsstaat das öffentliche Bild. In der Entscheidung konnte Berlin seine Solidarität mit Israel deutlich machen, weil es nicht dafür stimmte. Gleichzeitig votierte Deutschland aber auch nicht mit Nein, was als Kritik an Israels Siedlungspolitik verstanden werden konnte.
"Gegenüber Israel hat man klar signalisiert: Ja, wir sehen uns hier in einer ganz besonderen Pflicht, wir sehen uns hier in einer engen Freundschaft mit dem Staat Israel und dem israelischen Volk", erklärt Politologe Garais. "Aber es ist eben auch deutlich gemacht worden, dass die Siedlungspolitik, die die derzeitige Regierung unter Ministerpräsident Netanjahu verfolgt, von der Bundesregierung als ein großes Hindernis auf dem Wege zu einer Zweistaatenlösung angesehen wird."
Ständiger Sitz unwahrscheinlich
In einigen Jahren könnte Deutschland vermutlich wieder nichtständiges Mitglied des Gremiums werden. Eine ständige Mitgliedschaft scheint dagegen aus Expertensicht unwahrscheinlich. "Ich sage meinen Studenten immer: Ich werde es in meiner aktiven Zeit nicht mehr erleben, dass wir überhaupt eine Reform des Sicherheitsrates bekommen, an dessen Ende dann neue ständige Mitglieder stehen, wer auch immer dann diese ständigen Mitglieder sein werden", sagt Garais.
Neben einer Zweidrittel-Mehrheit in der Generalversammlung müssten zwei Drittel aller Mitgliedsstaaten diese neue Charta ratifizieren. Zudem müssten sie alle fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates mit ratifizieren. Wenn nur eines der Mitglieder ausschert, wird der ganze Prozess gestoppt.