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DFB-Team auf "Raketchen" in den Urlaub

14. Juni 2022

Im letzten Spiel vor der Sommerpause zeigt das DFB-Team gegen Italien die bislang beste Leistung in der Nations League. Hansi Flick und seine Mannschaft gehen dank der erstarkten Offensive mit Schwung in Richtung WM.

Deutschland - Italien
Bild: ActionPictures/IMAGO

Eine Rakete wolle man zünden, hatte Nationaltorhüter Manuel Neuer vor dem Klassiker gegen Italien zum Abschluss der Nations-League-Phase gesagt. Schaut man nur auf das Ergebnis, entsteht der Eindruck, als sei an diesem Abend in Mönchengladbach tatsächlich so etwas wie eine fußballerische Rakete mit DFB-Emblem gestartet. Doch mit einer realistischen Beurteilung von Spiel und Gegner muss man trotz des fulminant klingenden 5:2 wohl eher von einem "Raketchen" sprechen. 

Auf der Ertragsseite: Die mit Abstand beste Leistung in der bisherigen Nations League, der erste Pflichtspielsieg in der regulären Spielzeit gegen den ewigen Rivalen - und obendrein der höchste - sowie ein begeistertes Publikum. Es war ein gelungener Abend für den Bundestrainer und sein Team, das im vierten Anlauf nach den Remis zum Auftakt gegen Italien, England und Ungarn den ersten Sieg in der Nations League einfahren konnte.

Thomas Müller bejubelt mit Torschütze Joshua Kimmich das 1:0 gegen ItalienBild: Marvin Ibo Güngör/GES/picture alliance

Demgegenüber steht die Frage, inwiefern das völlig umgekrempelte Team aus Italien ein echter Gradmesser war und der Makel der späten Gegentore, die besonders dem zuvor mehrfach glänzend parierenden Manuel Neuer ein echter Dorn im Auge sein dürften - wieder nicht zu Null. Doch der deutsche Keeper wollte sich auch nicht zu sehr ärgern. "Das ist heute schon auch aussagekräftig", sagte der DFB-Kapitän nach dem Spiel im ZDF. Man habe gemerkt, dass das Team das Spiel dominieren wollte, sagte Neuer und hakte die späten Gegentreffer ab: "Darüber sollten wir heute nicht reden. Wir haben uns gegen Italien durchgesetzt, das war für uns ein wichtiger Meilenstein."

Werner mit Anlauf, Sané glücklos 

Nach dem von Bundestrainer Hansi Flick als Rückschritt bezeichneten schwachen Auftritt beim 1:1 in Ungarn präsentierte sich seine Mannschaft gegen den Europameister im Umbruch nicht nur willens, sondern endlich auch wieder offensiv inspiriert. Timo Werner hatte bereits nach 20 Sekunden die Führung auf dem Fuß, agierte aber erst im Abschluss und dann mit seinem Vorlagenversuch glücklos - wie so oft zuletzt.  

Es folgten weitere Möglichkeiten für Werner und den nicht nur glücklosen, sondern stark in der Kritik stehenden und dennoch erneut von Flick aufgebotenen Leroy Sané, der knapp vorbeizielte (7. Minute). Doch beide "Offensiv-Sorgenkinder" des Bundestrainers waren von Beginn an in der Partie und zeigten den zuletzt vermissten Zug nach vorne. Die Tore schossen aber zunächst andere: Joshua Kimmich erzielte das 1:0 für das DFB-Team (10.), Ilkay Gündogan traf in der Nachspielzeit der ersten Hälfte zum 2:0 (45.+4).

Ilkay Gündogan trifft per Elfmeter zum 2:0Bild: Ina Fassbender/AFP/Getty Images

"Ich glaube, dass wir phasenweise richtig guten Fußball gespielt haben", sagte der Mittelfeld-Mann von Manchester City im ZDF und analysierte "richtig gute" und "richtig schön herausgespielte Tormöglichkeiten", sowie eine "richtig gute Raumaufteilung". "Wenn wir es so machen wie heute werden es viele Mannschaften ganz, ganz schwer gegen uns haben und höchstwahrscheinlich viel dem Ball hinterherlaufen", sagte Gündogan, sprach aber auch von "unnötigen Gegentoren".   

Werner trifft doppelt  

Nach dem 3:0 durch Thomas Müller (51.) platze dann aber zumindest bei Werner der Tor-Knoten. Der Stürmer in Diensten des FC Chelsea traf jeweils nach Vorarbeit des eingewechselten Serge Gnabry zum 4:0 (68.) und nur eine Minute später zum 5:0 (69.). "Tore sind immer gut für einen Stürmer. In meinem Fall doppelt und dreifach, wenn man nach jedem Spiel angezählt wird und in der Kritik steht", sagte Werner im ZDF. "Ich arbeite immer daran, wieder in die Form zu kommen, in der ich vor einiger Zeit war, als ich jeden Ball angenommen und reingeschweißt habe."

Über Werners Erfolgserlebnisse freute sich auch der Bundestrainer "besonders", und selbst für den torlosen Sané fand er versöhnliche Worte: "Ich hatte gehofft, dass er auch noch ein Tor macht. Er ist viele Wege gegangen heute und ich habe ihn ja auch die ganze Zeit auf dem Platz gelassen", sagte Flick. 

Erstes Tor im DFB-Dress seit März: Stürmer Timo Werner mit dem 4:0 gegen ItalienBild: Maik Hölter/TEAM2sportphoto/IMAGO

Statt eines Sané-Treffers fielen am Ende noch die besonders für Keeper Neuer ärgerlichen zwei Gegentore durch Wilfried Gnonto (78.) und Alessandro Bastoni (90.+4). Dennoch war Flick voll des Lobes: "Ich muss der Mannschaft Riesenkompliment machen. Alles, was wir uns vorgenommen haben, das haben sie wirklich bravourös gemacht", sagte der als Bundestrainer weiterhin ungeschlagene Nachfolger von Joachim Löw. 

Sieger-Selbstvertrauen

Das von Thomas Müller vor dem Auftakt der Nations League in Italien beschworene "Sieger-Selbstvertrauen" ist zum Abschluss der Saison zurück. Das DFB-Team geht als Tabellenzweiter in die abschließenden Nations-League-Spielen im September gegen England und Tabellenführer Ungarn, ehe am 23. November Japan als erster WM-Gegner wartet. "Wir haben ein gutes Projekt am Laufen, aber wir haben auch - und so ehrlich muss man sein - noch allerhand Defizite", sagte Thomas Müller im ZDF und freute auf den "verdienten Urlaub". 

In diesen gehen Flick und sein Team mit dem Wissen, dass man es im Gegensatz zu den vorherigen Auftritten in der Nations League gegen den ewigen Rivalen Italien endlich besser gemacht hat. Um beim WM-Turnier im Wüstenemirat möglichst nah ans Finale am 18. Dezember heran oder sogar bis hinein zu kommen, müssen Flick und seine Mannschaft an diesen Auftritt anknüpfen und am besten, wie Routinier Müller es formulierte, "noch draufpacken". Aber erstmal geht es auf dem "Raketchen" in den Urlaub. 

David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion