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Politik

Deutschland setzt auf Äthopiens Hoffnungsträger

Daniel Pelz Berlin
19. Juli 2018

In atemberaubendem Tempo hat Premierminister Abiy Ahmed das autoritäre Äthiopien umgekrempelt. Die Bundesregierung plant intern bereits eine engere Zusammenarbeit mit dem strategisch wichtigen Partner.

Abiy Ahmed Äthiopien
Bild: Reuters/T. Negeri

Für den deutschen Außenminister wäre es ein schönes Bild geworden: Bei seinem Äthiopien-Besuch im Mai wollte Minister Maas auch Premierminister Abiy Ahmed treffen. Damit hätte die Bundesregierung auch öffentlich ihre Unterstützung für den neuen Hoffnungsträger zeigen können. Doch aus dem Treffen wurde nichts - Abiy war selbst auf Auslandsreise.

Der äthiopische Premier war damals gerade mal einen Monat im Amt, hatte aber bereits die Öffnung des autoritären Landes angekündigt. Den Worten hat er Taten folgen lassen - dabei legt Ahmed ein Tempo vor, das selbst Landeskenner überrascht: Der Ausnahmezustand ist aufgehoben, politische Häftlinge sind auf freiem Fuß, ein Friedensvertrag mit dem Erzfeind Eritrea unter Dach und Fach

"Der neue Premierminister in Addis Abeba ist für alle eine durch und durch positive Überraschung. Wir freuen uns, dass sich die Dinge in Äthiopien zum Positiven wandeln", lobt Günter Nooke, Afrikabeauftragter von Bundeskanzlerin Angela Merkel, im DW-Interview. Sonst hält sich die Bundesregierung mit öffentlichen Statements aber zurück. Vor wenigen Tagen teilte das Auswärtige Amt in einer kurzen Stellungnahme lediglich mit, der Friedensvertrag mit Eritrea gebe Hoffnung "dass ein Konflikt, der zehntausende Menschenleben gefordert und Hunderttausende zur Flucht gezwungen hat, nun dauerhaft beigelegt" werden könne.

Außenminister Maas besuchte Äthiopien im Mai Bild: Imago/photothek

"Der Prozess wird sicherlich begrüßt, aber man wartet noch ab", sagt Annette Weber, Äthiopien-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Gerade in den ersten Monaten der Amtszeit von Premierminister Abiy war unklar, ob er sich innerhalb der Regierung überhaupt würde durchsetzen können. Der Premier hat mächtige Gegner, auch im Regierungsbündnis EPRDF. Besonders deutlich wurde das Ende Juni: Bei einem Granatenangriff auf eine Kundgebung des Regierungschefs starben zwei Menschen. Zudem gibt es noch eine Reihe Probleme, die Abiy Ahmed lösen muss. Die ethnische Gewalt im Süden des Landes zum Beispiel, vor der allein in Juni nach UN-Angaben 800.000 Menschen fliehen mussten.

Stabilitätsanker in der Krisenregion

Doch die öffentliche Zurückhaltung der Bundesregierung bedeutet nicht Desinteresse. Geopolitisch sei das Horn von Afrika aus deutscher Sicht eine der wichtigsten Regionen in Afrika, sagt Günter Nooke. Äthiopien ist Schwerpunktland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, die bundeseigene Entwicklungsorganisation GIZ unterhält hier eines ihrer größten Büros weltweit. In der krisengeschüttelten Region gilt Äthiopien als Ordnungsmacht - die Bürgerkriegsländer Südsudan und Somalia liegen direkt nebenan. Doch diese Rolle konnte Äthiopien, das seit einigen Jahren von immer heftigeren Protesten gegen die EPRDF-Diktatur erschüttert wurde, zuletzt immer weniger übernehmen. 

Der Reformkurs des Premiers kommt bei vielen Menschen gut anBild: Reuters/M. Haileselassie

"Man hofft, dass sich das Land stabilisiert, wenn sich die politische Situation und die Menschenrechtslage verbessern, so dass sich Äthiopien nicht mehr wie in den letzten Jahren nur auf die innere Sicherheit konzentriert, sondern wieder eine Rolle in der Region spielen kann", sagt Expertin Weber zur DW.

Flüchtlinge im Fokus

Äthiopien - und das benachbarte Eritrea - sind auch aus migrationspolitischer Sicht wichtig. Äthiopien ist Transitland für afrikanische Flüchtlinge, die auf dem Weg nach Europa sind. Eritrea lag im vergangenen Jahr hinter Syrien, dem Irak und Afghanistan auf Platz 4 der wichtigsten Herkunftsländer von Flüchtlingen, die in Deutschland einen Asylantrag stellten. Neben Armut und Perspektivlosigkeit geben viele Eritreer auch den zeitlich unbegrenzten Militärdienst als Fluchtgrund an. "Dieser nationale Dienst wird damit begründet, dass man sich im Kriegszustand mit Äthiopien befindet. Wenn der aufgehoben wird, weil der Kriegszustand nicht mehr existiert und es keine Berufungsgrundlage mehr darauf gibt, dann hat das immense Auswirkungen", sagt der deutsche Afrikabeauftragte Nooke. Möglicherweise könnten Menschen dann auch wieder nach Eritrea zurückkehren."

Auch deutsche Unternehmen interessieren sich für Investitionen in ÄthiopienBild: Imago/Xinhua Afrika

Intern tüftelt die Bundesregierung längst an Plänen, die Zusammenarbeit mit Äthiopien auszuweiten. Aufgrund der autoritären Regierung und der schlechten Menschenrechtslage war die Zusammenarbeit bisher umstritten - durch Abiys Reformkurs ist dieses ethische Dilemma nun nicht mehr so stark. Außerdem will die Bundesregierung dem Reformer den Rücken stärken. In der deutschen G20-Initiative "Compact with Africa" ist Äthiopien bereits Mitglied. Sie soll Privatinvestitionen in ausgewählte afrikanische Länder holen. Die Zusammenarbeit könnte nun noch durch eine Reformpartnerschaft ergänzt werden. Reformpartner bekommen zusätzliche Entwicklungshilfegelder aus Deutschland. Im Gegenzug verpflichten sie sich zu Demokratie, Menschenrechten und Korruptionsbekämpfung.

Wird Äthiopien Reformpartner?

"Im Rahmen der Compact-Länder gibt es sogenannte Reformpartnerschaften, die Deutschland mit Tunesien, der Elfenbeinküste und Ghana unterhält. Da kann man sich sicherlich noch mehr vorstellen", sagt Nooke. Eine Gelegenheit dazu gäbe es Ende Oktober: Bundeskanzlerin Merkel habe die Staats- und Regierungschefs der Compact-Länder zu einem Treffen nach Berlin eingeladen, sagt der Afrikabeauftragte.

Auch die deutsche Wirtschaft schaut den Entwicklungen in Äthiopien interessiert zu. Die Regierung baut riesige Industrieparks, auch das Straßennetz soll erweitert werden. Durch den Frieden mit Eritrea kann Äthiopien den Seehafen Assab wieder nutzen, der an der wichtigen Handelsroute zwischen Europa und Asien liegt. Exporte könnten so weitaus billiger werden. "Ich kann mir vorstellen, dass auch deutsche Unternehmen darüber nachdenken werden, Fertigungskapazitäten in Äthiopien aufzubauen, wenn die politischen Reformen - flankiert durch wirtschaftspolitische Reformen - Stabilität gewonnen haben", sagt Christoph Kannengießer, Hauptgeschäftsführer des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft. Gelegenheit, sich die Bedingungen aus der Nähe anzugucken bekommen interessierte Unternehmer im November: Dann will eine Delegation des Afrikavereins das Land besuchen.

Mitarbeit: Gwendolin Hilse

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