1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Eng verflochten trotz Trump

4. Oktober 2020

Auch wenn die starken Worte des gerade positiv auf COVID-19 getesteten US-Präsidenten einen anderen Eindruck machen: Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den USA bleiben eng, sehr eng.

USA Washington - Donald Trump and Angela Merkel
Bild: Getty Images/AFP/S. Loeb

Der Rückblick auf dreieinhalb Jahre US-Außenwirtschaftspolitik unter Donald Trump fällt ernüchternd aus: Das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP wurde zu Grabe getragen, Strafzölle auf EU-Importe wie Aluminium und Stahl verhängt und immer wieder drohte das Weiße Haus, europäische Autos mit Strafzöllen in Höhe von 25 Prozent zu belegen. Besonders die letzte Drohung machte Eindruck auf die deutschen Autobauer, denn auf dem US-Markt verdienen Daimler, der VW-Konzern oder BMW viel Geld.

Beim zweiten Blick hat sich bei den deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen allerdings nicht so viel geändert. Nach wie vor sind die USA ein ganz besonders enger Partner für deutsche Unternehmen - und zwar nicht nur beim Austausch von Waren und Dienstleistungen, sondern auch bei Forschung und Entwicklung.

Und genau das ist auch die Kernaussage einer aktuellen Prognos-Studie mit dem Titel "Wie eng ist Deutschland (noch) mit den USA verflochten?"

Eisiger Umgangston - glänzende Geschäfte

Auch wenn der Umgangston seit der Amtsübernahme Donald Trumps im Januar 2017 immer eisiger wurde und Deutschland von ihm immer wieder als einer der Hauptschuldigen für das gigantische US-Leistungsbilanzdefizit angeprangert wurde, hat sich nur wenig verändert. Obwohl der US-Präsident immer wieder kritisierte, wie unfair es doch sei, dass er auf der New Yorker 5th Avenue viele Mercedes-Modelle sehe, aber auf Deutschlands Straßen kaum Chevrolets: Bis heute blieb es bei Drohungen.

Die USA sind für Deutschland nach wie vor der wichtigste Absatzmarkt für Exportwaren, noch vor Frankreich und China. Der Anteil der USA an den deutschen Ausfuhren stieg von rund sieben Prozent im Jahr 2010 auf rund neun Prozent im Jahr 2019. In absoluten Zahlen war dieser Anstieg in den vergangenen zehn Jahren noch eindrucksvoller: Im Jahr 2019 wurden Waren im Wert von ungefähr 118,66 Milliarden Euro aus Deutschland in die USA exportiert, 2010 waren es nur 65,57 Milliarden Euro. Auch bei den Importen sind die USA ein zentraler Wirtschaftspartner und belegen nach China und den Niederlanden Platz Drei, aktueller Anteil an den deutschen Einfuhren: rund sechs Prozent.

Deutsche Medikamente und Autos begehrt 

In einigen Branchen liegt die Bedeutung des US-Marktes aber noch deutlich darüber. So gehen mittlerweile 17 Prozent der deutschen Pharmaexporte in die USA, wo der Markt für Arzneimittel weiter wächst. Auch für die deutschen Autobauer ist der US-Markt extrem wichtig und seine Bedeutung hat in den vergangenen Jahren weiter zugenommen. Deutsche Hersteller wie BMW haben noch vor Trumps Amtsantritt ihre Produktionsstätten in den USA ausgebaut und können so den US-Markt beliefern, ohne von Importzöllen direkt getroffen werden zu können.

Im  BMW-Werk in Spartanburg wurden zwischen 1994 und 2020 über fünf Millionen Fahrzeuge gebaut, von dort kamen mehr als die Hälfte aller in den USA verkauften BMW. Durch die Produktion der SUV-Modelle der X-Baureihe in South Carolina stieg BMW Mitte der 2010er Jahre außerdem zum größten Auto-Exporteur der USA auf. Mehr als die Hälfte aller zwischen 2010 und 2019 gebauten Autos aus Spartanburg wurden an Kunden außerhalb der USA ausgeliefert. 

Nirgendwo investiert Deutschland mehr

Auch bei den Investitionen sind Deutschland und die USA eng verbandelt. In kein anderes Land fließen mehr Direktinvestitionen deutscher Unternehmen. Fast ein Drittel der deutschen Direktinvestitionen gehen in die USA, wo Deutschland mit einem Volumen von 335 Milliarden Euro so viel investiert hat, wie in den fünf wichtigsten europäischen Ländern zusammen "Das zeigt, wie wichtig es für deutsche Unternehmen ist, dauerhaft am US-Markt zu sein. Exportbeziehungen kann man schneller wieder abbrechen, hinter einer Investitionsentscheidung in den USA steckt hingegen die Strategie, sein Geschäft langfristig im Ausland zu etablieren", unterstreichen die Prognos-Studienautoren.

BMW: Größter US-Autoexporteur dank eigener Produktion im US-Werk Spartanburg Bild: BMW AG

Auch in der Gegenrichtung wird kräftig investiert: 2017 lag der US-Anteil bei den ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland bei neun Prozent. Die USA liegen dabei an dritter Stelle.

Deutsche Forschung in den USA

Eng ist auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei Forschung und Innovation. Was an US-Forschungsstandorten ausgetüftelt und entwickelt wird, schlägt sich bei den Patentanmeldungen deutlich nieder: Auf keinem anderen ausländischen Markt melden deutsche Unternehmen mehr Patente an als in den USA. Besonders wichtig ist hier der IT-Bereich:  Nach aktuellen Prognos-Berechnungen kommen im digitalen Technologiebereich bei IT-Methoden 19 Prozent und bei der Computertechnologie neun Prozent der Patente von deutschen Unternehmen aus den USA.

Die USA sind damit ein zentraler Innovations-Standort für die deutsche Wirtschaft, nicht nur im IT-Mekka Silicon Valley. "Die Standortfaktoren für deutsche Unternehmen im Bereich Forschung und Innovation sind in den USA sehr günstig. Die USA sind im privaten wie im akademischen Bereich grundsätzlich sehr offen für Forschungskooperationen - ganz im Gegensatz zu China", erklärt Prognos-Chefvolkswirt Böhmer. Es sei für ausländische Unternehmen vergleichsweise einfach, eigene US-Forschungszentren zu gründen und aufzubauen. Anders als in China müssten sie hier keinen erzwungenen Technologietransfer fürchten und könnten innovative Unternehmen oder Start-ups in den USA kaufen.

Großinvestitionen in beide Richtungen: Geplante Tesla-Gigafacory im brandenburgischen GrünheideBild: picture-alliance/dpa/Tesla

"Die deutsche und die amerikanische Forschungs- und Innovationslandschaft ergänzen sich in vielen Bereichen hervorragend. Die Amerikaner erfinden das radikal Neue, wir verbessern es und bringen es "ingenieursgetrieben" in die Anwendung. Bestes Beispiel ist die Entwicklung von Anwendungen im Bereich Internet of Things, also bei digitalen Lösungen in der Industrie. Die Forschungskooperationen mit den Amerikanern haben einen besonderen Stellenwert; wir sollten sie auf allen Ebenen gut pflegen."

Hoffen auf Biden-Effekt

Die Prognos-Forscher warnen aber davor, bei einer Wahl des Demokraten Joe Biden mit einer völligen Abkehr von Trumps "America first"-Politik zu rechnen. "Auch unter einem Präsidenten Biden würden die USA keine Kehrtwende in ihrer Außenwirtschaftspolitik vollziehen. Ändern dürften sich der Ton und die Bereitschaft, in Allianzen zu denken und zu handeln", sagt Michael Böhmer. Bidens Stil und Strategie seien zwar weniger konfrontativ, die Ziele aber durchaus ähnlich. Im Handelskonflikt mit China etwa dürfte Biden eher den Schulterschluss mit Europa suchen, da zwei große Handelsblöcke ihre ähnlich gelagerten Interessen wirkungsvoller gegenüber China vertreten können. "Unserer Einschätzung nach wird aber die Außenwirtschaftspolitik weiterhin protektionistisch bleiben. Dessen sollten sich Unternehmen und Politik diesseits des Atlantiks bewusst sein", so Böhmer.

Umso mehr liege es im deutschen Interesse, dass sich die Wirtschaftsbeziehungen wieder verbessern, denn eine Abkehr vom US-Markt wäre mit großen Verlusten für Deutschland verbunden. "Die Verflechtungen mit den USA sind traditionell eng, sie sind in ihrem Ausmaß bedeutsam und sie haben sich in manchen Bereichen, etwa beim Handel, trotz der Konflikte in den vergangenen Jahren noch intensiviert", so Böhmer.

Joe Biden könnte im Handelsstreit mit China den Schulterschluss mit der EU suchenBild: Brian Snyder/Reuters

Trump oder Biden: Beziehungen bleiben eng

Konkrete Anzeichen, dass Biden im Fall seiner Wahl die Streitigkeiten mit der EU beilegen könnte und im Handelskonflikt mit China den Schulterschluss mit den Europäern suchen würde, gibt es tatsächlich. Ende September kündigte Bidens außenpolitischer Berater Tony Blinken bei einem virtuellen Auftritt vor Vertretern der US-Handelskammern an, Biden sei entschlossen, den Handelskonflikt mit der EU zu beenden. "Die EU ist der größte Markt der Welt, wir müssen unsere Wirtschaftsbeziehungen verbessern", sagte Blinken, der unter Barack Obama Sicherheitsberater und stellvertretender US-Innenminister war. "Und ich denke, wir müssen einen künstlichen Handelskrieg beenden, den die Trump-Regierung begonnen hat."

Blinken sieht "reichlich Spielraum" für einen verstärkten Handel zwischen den USA und der EU, kritisierte aber "ein wachsendes Ungleichgewicht im Handel mit Agrargütern aufgrund von Regeln, die uns daran hindern, Waren zu verkaufen, bei denen wir sehr wettbewerbsfähig sind".

Ganz gleich, wer ab Januar 2021 im Weißen Haus regiert, bleiben die USA einer der wichtigsten, wenn nicht überhaupt der wichtigste Wirtschaftspartner Deutschlands, lautet das Fazit der Prognos-Forscher. "Das gilt für den gemeinsamen Handel, für die Attraktivität des Absatzmarktes, für den Standort für Direktinvestitionen ebenso wie als Partner für Forschung und Innovation."

 

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen