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Konflikte

Berg-Karabach: Deutschland fordert Waffenruhe

28. September 2020

Bei anhaltenden Kämpfen in der Kaukasusregion Berg-Karabach steigt die Zahl der Todesopfer weiter. Daher rufen die Bundesregierung und die Europäische Union die Konfliktparteien auf, die Gefechte umgehend einzustellen.

Aserbaidschan Konflikt um Berg-Karabach
Aserbaidschanische Artillerie feuert im Konflikt um Berg-Karabach Granaten ab Bild: Defence Ministry of Azerbaijan/Reuters

Die neuerliche Eskalationsei eine "sehr gefährliche Entwicklung", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Es müsse ein "sofortiger Waffenstillstand" erfolgen, außerdem müssten die Verhandlungen zwischen Armenien und Aserbaidschan wieder aufgenommen werden. Seibert verwies dabei auf die sogenannte Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Diese bemüht sich bereits seit 1994 um eine Vermittlung in dem Konflikt. Deutschland führe derzeit Gespräche in der OSZE über aktuelle Optionen, sagte die Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Maria Adebahr.

Auch die EU forderte Armenien und Aserbaidschan nach dem Wieder-Aufflammen der Kämpfe um Berg-Karabach zu einer sofortigen Waffenruhe auf. Ein Sprecher des Außenbeauftragten Josep Borrell bezeichnete die jüngste Entwicklung als "sehr beunruhigend". Für den Streit könne es keine militärische Lösung geben. Man brauche neue Verhandlungen. "Ein Ende der Feindseligkeiten ist dringend nötig."

EU warnt vor ausländischer Einmischung

Die EU warnte zugleich ausländische Mächte vor einem Eingreifen. "Eine Einmischung von außen ist nicht akzeptabel", sagte Borrells Sprecher. Die Akteure in der Region müssten "alles tun, um den Ausbruch eines vollständigen Krieges zu verhindern". Denn der Konflikt berge das Risiko "ernsthafter Konsequenzen" für die Stabilität der gesamten Kaukasus-Region. EU-Ratschef Charles Michel hatte bereits am Sonntag auf Twitter gemahnt, der einzige Ausweg bestehe in der unverzüglichen Rückkehr zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen.

Die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan streiten seit Jahrzehnten um die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach. Baku hatte in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Kontrolle über das Gebiet verloren. Seit 1994 gilt in der von christlichen Karabach-Armeniern bewohnten Region eine formelle Waffenruhe.

Immer mehr Todesopfer

In den vergangenen Wochen war der militärische Konflikt nach Jahren relativer Ruhe wieder neu aufgeflammt. Truppen beider Seiten lieferten sich am Sonntag und Montag erneut heftige Gefechte. Dabei wurden nach einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP seit Sonntag mindestens 68 Menschen getötet, darunter neun Zivilisten. Aserbaidschans Militär teilte mit, zwei Panzer des Nachbarlands zerstört zu haben. Die Regierungen in Baku und Eriwan verhängten das Kriegsrecht und beschuldigten sich gegenseitig der Eskalation.

Dieses Haus in der Stadt Marturi in Berg-Karabach wurde mutmaßlich von aserbaidschanischen Geschossen getroffenBild: Hayk Baghdasaryan/Reuters

Das verarmte Armenien setzt auf Russland als Schutzmacht, das dort auch eine Militärbasis unterhält. Das öl- und gasreiche Aserbaidschan hat die Türkei als Verbündeten. Die Türkei hat Aserbaidschan in den vergangenen Jahren bei der Modernisierung seiner Armee unterstützt. Nach Ausbruch der Gefechte sicherte Ankara der Regierung in Baku umgehend volle Unterstützung zu.

Erdogan stützt Aserbaidschan

Am Montag rief der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Armenien zum Rückzug aus der umkämpften Region Berg-Karabach auf. "Die Region wird erneut Frieden und Ruhe finden, wenn Armenien den von ihm besetzten aserbaidschanischen Boden sofort verlässt", sagte Erdogan in Istanbul. Die Türkei stehe "mit allen Mitteln und ganzem Herzen" an Aserbaidschans Seite.

Die Regionalregierung von Berg-Karabach erhob den Vorwurf, dass Ankara bereits Waffen, Soldaten und Söldner zur Unterstützung von Aserbaidschan in die Region entsandt habe. Die Regierung in Baku wies dies zurück. Auch die deutsche Regierung und die EU erklärten, sie könnten Berichte über solche Truppenverlegungen nicht bestätigen.

 

Moskau will vermitteln

Russland bot derweil an, in dem Konflikt zwischen den beiden Südkaukasusrepubliken zu vermitteln. "Russland hat die Möglichkeit, seinen Einfluss und die traditionell guten Beziehungen zu beiden Ländern für eine Lösung dieses Konflikts zu nutzen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die Kämpfe müssten sofort eingestellt und die Situation auf diplomatischem Weg gelöst werden. Das sei jetzt wichtiger, "als darüber zu streiten, wer Recht und wer Schuld hat".

Armenien beantragte wegen der Eskalation in Berg-Karabach beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Sofortmaßnahmen gegen Aserbaidschan. Ein entsprechender Antrag der Regierung in Eriwan sei eingegangen und werde derzeit geprüft, sagte eine Sprecherin des Straßburger Gerichts. Der EGMR ist der gerichtliche Zweig des Europarates, dem sowohl Armenien als auch Aserbaidschan seit 2001 angehören.

kle/ml (afp, dpa, rtr)

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