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Deutschland und Großbritannien kämpfen gegen Schleuser

12. Dezember 2024

Immer mehr Migranten flüchten über den Ärmelkanal nach Großbritannien - oftmals mit Hilfe von Schleusern. Gegen die wollen Deutschland und Großbritannien nun gemeinsam vorgehen. Für Kritiker nur eine scheinbare Lösung.

Migranten sitzen an Bord eines Bootes, das in unruhigen Gewässern zwischen Sangatte und Cap Blanc-Nez im Ärmelkanal vor der Küste Nordfrankreichs navigiert, während sie versuchen, den Ärmelkanal zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich zu überqueren.
Migranten im Ärmelkanal zwischen Großbritannien und Frankreich: Die Zahl der Boots-Flüchtlinge, die über den Ärmelkanal übersetzen, ist über die Jahre stark gestiegenBild: Salmeer Al-Doumy/AFP/Getty Images

Erst vor wenigen Tagen machte eine Großrazzia in Deutschland Schlagzeilen: Ein irakisch-kurdisches Netzwerk soll Flüchtlinge "in kleinen minderwertigen Schlauchbooten" über den Ärmelkanal nach Großbritannien geschleust haben. Die Boote beziehungsweise Bauteile dafür sollen sie sich in Deutschland teilweise illegal beschafft haben. Die Ermittlungen wurden von Frankreich geleitet, allein in Deutschland ergingen zehn Haftbefehle . "Die heutigen Razzien und Festnahmen sind ein erneuter harter Schlag gegen die brutale internationale Schleuserkriminalität", erklärte die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser dazu.

Nun hat sie gemeinsam mit ihrer britischen Kollegin Yvette Cooper ein länger geplantes entsprechendes Abkommen unterzeichnet, um künftig im Kampf gegen Schleuser enger zusammenzuarbeiten. "Diese Banden, die Menschen mit Drohungen und Gewalt in Schlauchboote pferchen und über den Ärmelkanal schicken, setzen Menschenleben aufs Spiel", teilte die sozialdemokratische Politikerin Faeser mit.

Die Vorbereitung für diese Taten finde oft in Deutschland statt. "Gegen dieses skrupellose Geschäft mit der Not von Menschen gehen wir jetzt gemeinsam noch stärker vor." Der Fokus des Abkommens liegt in der engeren Zusammenarbeit der Polizei, besonders bei der Verfolgung der Routen von Schleusernetzwerken und illegalen Geldströmen. Zudem werden direkte Verbindungen zum neuen britischen Border Security Command hergestellt, der Grenzsicherung Großbritanniens. 

Sehnsuchtsland Großbritannien

Schon seit Jahren kommen immer mehr Migranten von Frankreich über den Ärmelkanal nach Großbritannien. Viele Menschen stammen aus Afghanistan, der Türkei und dem Iran. Die meisten wollen nach England wegen der Sprache oder weil sie dort Verwandte und Freunde haben. Viele sind überzeugt, dass es in Großbritannien einfacher ist, auch ohne eine Aufenthaltsgenehmigung Arbeit zu finden. Die langen Asylverfahren in Frankreich wirken zusätzlich abschreckend.

Waren es 2020 laut britischem Innenministerium noch etwa 8000 Menschen, sollen in diesem Jahr mehr als 33.000 Menschen auf diesem Weg nach Großbritannien gelangt sein - so der Stand Anfang Dezember. Versteckten sich die Migranten einst in Fährschiffen oder als blinder Passagier in den Eurostar-Zügen, ist das aufgrund der immer strengeren Kontrollen kaum noch möglich. So bleibt vielen nur noch das Schlauchboot, das auf dem durchaus auch mal stürmischen Ärmelkanal zur Todesfalle werden kann.

Bei dem Versuch, den Ärmelkanal zu überwinden, kommt es immer wieder zu schweren Unfällen. Mindestens 72 Menschen sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums bei den gefährlichen Überfahrten über den Ärmelkanal 2024 ums Leben gekommen.

Der Kampf gegen irreguläre Migration wird immer schärfer 

Das neue Abkommen hängt auch mit Großbritanniens Migrationspolitik zusammen. Die frühere Regierung wollte irregulär eingereiste Migranten in das afrikanische Ruanda abschieben - unabhängig von ihrer tatsächlichen Herkunft. Dafür wurden sie vom Obersten Gericht in Großbritannien und Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert.

Auch die Grenzkontrollen wurden immer weiter verschärft. So hatten Frankreich und Großbritannien Ende 2022 ein Abkommen abgeschlossen, das mehr Polizeipatrouillen an den Stränden Nordfrankreichs vorsieht. Bis zu 100 zusätzliche Sicherheitskräfte, Hubschrauber, Drohnen und Spürhunde sollen auf französischer Seite eingesetzt werden. Dafür zahlt Großbritannien laut Vereinbarung rund 72 Millionen Euro. Nun setzt die Regierung unter Premier Keir Starmer auf noch stärkeren Grenzschutz und ein entschiedeneres Vorgehen gegen Schleuserbanden.

Migranten in Großbritannien: Die Kampf gegen die irreguläre Migration wird immer schärfer Bild: Ben Stansall/AFP

"Das neue Abkommen steht im Zusammenhang mit anderen Verschärfungen im europäischen Raum, wie etwa der Einführung von Grenzkontrollen", sagt Sabine Hess von der Universität Göttingen, die an ihrem Lehrstuhl schwerpunktmäßig zu Migration und Grenzregimen forscht, der DW. "Großbritannien will mit allen Verschärfungen die Migration weiter unterbinden."

Durch die Verschärfung "blüht das Geschäft"

Für Hess ist Schleuserbekämpfung "Heuchelei". "Diese Verschärfungen produzieren doch erst das Problem, was sie dann bekämpfen wollen", sagt sie. "Durch die Verschärfungspolitik blüht das Geschäft." Wenn immer mehr Kontrollen stattfinden, braucht es immer mehr Schleuser, die sich mit den vermeintlichen blinden Flecken der Kontrolleure gut auskennen.

"Hinzu kommt, dass es sich mutmaßlich nicht um das große Mafia-Geschäft handelt, sondern dass das Schleusertum aus vielen kleinen Puzzleteilen besteht", sagt Hess der DW. Häufig seien es 'kleine Fische‘, die auf der Flucht geschnappt und kriminalisiert würden. "Oftmals waren die Leute selber auf der Flucht. Die organisierten Schleuser wissen dagegen, wie sie sich nicht in Gefahr bringen." Das bestätigt auch Wissenschaftler David Suber vom University College London im Gespräch mit dem Mediendienst Integration. "Die meisten machen das ad hoc. Oft sind es zum Beispiel Flüchtlinge oder Migranten, die selber gerade auf dem Weg in ein anderes Land sind." Große Schmugglernetzwerke stellten dagegen "eine kleine Minderheit dar."

Laut einem Übereinkommen der Vereinten Nationen gilt als Schlepper, wer "vorsätzlich und zur unmittelbaren oder mittelbaren Erlangung eines finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteils" handelt. Im EU-Parlament wird in dieser Woche über eine Verschärfung einer Schlepper-Richtlinie nachgedacht. Seenotretter kritisieren den neuen Entwurf, da der Aspekt des finanziellen Vorteils darin keine Rolle mehr spielen soll. Das heißt: "Selbst wenn man aus humanitären Gründen Migrierende mitnimmt und kein Geld dafür verlangt, gilt man als Schleuser“, sagt Hess.

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