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Deutschland und Israel: Der Ton wird schärfer

27. Mai 2025

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagt, er verstehe die Politik Israels in Gaza nicht mehr. Einige SPD-Politiker fordern ein Ende der Waffenlieferungen.

Friedrich Merz trifft Benjamin Netanjahu: Zwei Männer in Anzügen, Hemd und Krawatte schütteln sich die Hände und schauen sich an, im Hintergrund sind die Flaggen der EU, Deutschlands und Israels zu sehen
Freundliche Begegnung 2024: Vor seiner Wahl zum Bundeskanzler (Mai 2025) traf Friedrich Merz Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bei einem Besuch in IsraelBild: Kobi Gideon/GPO/dpa/picture alliance

So klar hatte sich der neue deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz  bislang nicht zur Lage im Gaza-Krieg geäußert. Am Montag nutzte der CDU-Politiker einen Auftritt beim Europa-Forum des "Westdeutschen Rundfunks" (WDR) in Berlin für eine Äußerung über das Vorgehen der Israelis: "Das, was die israelische Armee jetzt im Gaza-Streifen macht - ich verstehe offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel."

Merz fügte hinzu, er sehe eine Grenze überschritten und einen Bruch des humanitären Völkerrechts. Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, "lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen".

Deutschland und die "Staatsräson"

Mit dieser Verknüpfung hatten die meisten Statements deutscher Regierungsvertreter seit dem Terror-Überfall der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel begonnen: Israel habe das Recht, sich selbst zu verteidigen, die Hamas stelle das Existenzrecht Israels in Frage. So klangen Äußerungen etwa des damaligen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) und seiner Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Die ersten Stellungnahmen der Konservativen Merz und seines Außenministers Johann Wadephul (CDU) reihten sich in diese Argumentation ein. Stets wurde betont, die deutsche "Staatsräson", die Konsequenz aus der deutschen Verantwortung für den millionenfachen Mord an den europäischen Juden durch die Nationalsozialisten (1933-1945), gebiete ein uneingeschränktes deutsches Eintreten für den Schutz des Existenzrechts Israels.

Auf Merz' kritische Worte zum Kurs Israels im Gaza-Krieg reagierte Israels Botschafter in Berlin, Ron Prosor, im ZDF-"Morgenmagazin": "Wenn Friedrich Merz diese Kritik gegenüber Israel erhebt, dann hören wir sehr gut zu, weil er ein Freund ist." Merz selbst kam auf das Thema Israel auch bei einem Besuch in Finnland zu sprechen. Dort sagte er, er fordere die israelische Regierung auf, humanitäre Hilfe zuzulassen und die Ernährungssicherheit für die Bevölkerung im Gazastreifen zu ermöglichen. Ob sich die deutsche Politik gegenüber Israel nun ändern müsse, werde in der Regierung intern besprochen, so der Bundeskanzler.

Frankreichs Präsident Macron spricht von einer Schande

Zuletzt stand Deutschland mit seinen bislang eher leisen Tönen zusehends allein da. Scharfe Kritik an Israel kam etwa aus Frankreich. Im Sender TF1 sprach Präsident Emmanuel Macron schon vor einer Woche von einer Schande: "Was die Regierung von Benjamin Netanjahu heute macht, ist inakzeptabel. Es gibt kein Wasser, es gibt keine Medizin, man kann die Verletzten nicht mehr herausholen." Über den Rahmen der EU hinaus kündigten Frankreich, Großbritannien und Kanada an, notfalls auch Sanktionen gegen Israel verhängen zu wollen.

Lange Warteschlangen und Gedränge an einer Essensausgabe im Gaza-StreifenBild: Moaz Abu Taha/APA/IMAGO

Tatsächlich hatte Israel seit März die Hilfslieferungen für die rund 2,2 Millionen Menschen in dem schmalen Küstenstreifen am Mittelmeer blockiert, erst vor gut einer Woche wurden diese Blockaden gelockert. Aber ungefähr zeitgleich begann die Armee eine neue militärische Offensive in Gaza - mit katastrophalen Folgen für die Menschen dort. Zudem forderten einige israelische Regierungsvertreter aus dem rechtsextremen Lager, die Palästinenser für immer aus dem Gazastreifen zu vertreiben.

SPD-Abgeordnete fordern Stopp von Waffenexporten nach Israel

Solche Meldungen sowie die Berichte über dramatische Hungersnöte und die schlechte medizinische Versorgung lösen auch in der deutschen Politik Reaktionen aus. Am vergangenen Wochenende und zu Wochenbeginn sprachen sich zahlreiche Politiker etwa der Regierungspartei SPD dafür aus, anstehende Waffenexporte an Israel zu stoppen.

"Waffenexporte nach Israel müssen ausgesetzt werden, denn Deutschland darf sich nicht an Kriegsverbrechen der israelischen Regierung beteiligen", schrieb die SPD-Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori am Montag auf der Plattform X. Sie warnte, dass Deutschland sonst selbst vor internationalen Gerichten belangt werden könnte.

Eine Befürchtung, die von zahlreichen Politikern in Berlin schon länger geäußert wurde, allerdings bisher nur bei ausgeschalteten Mikrofonen. Nach Experten-Schätzungen lieferten deutsche Firmen im vergangenen Jahr Waffen im Wert von 161 Millionen Euro an Israel.

Felix Klein: Das kann nicht deutsche Staatsräson sein

Am weitesten mit der Kritik an der Regierung Netanjahu ging der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein. Er sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Die Palästinenser auszuhungern und die humanitäre Lage vorsätzlich dramatisch zu verschlimmern, hat nichts mit der Sicherung des Existenzrechts Israels zu tun. Und es kann auch nicht deutsche Staatsräson sein."

"Das ist dann nicht mehr Staatsräson" - Deutschlands Antisemitismus-Beauftragter Felix Klein Bild: Juliane Sonntag/picture alliance

In der vorigen Woche hatte es im Kreis der EU-Außenminister in Brüssel hitzige Debatten darüber gegeben, ob die EU ihr Assoziierungs-Abkommen mit Israel verändern oder sogar aufkündigen sollte. Deutschland lehnt Änderungen strikt ab.

Die CDU-Europaabgeordnete Hildegard Bentele sagte der DW: "Wir sollten die Verbindungen zu Israel nicht kappen, wir sollten unsere Verbindungen nutzen, um auf die israelische Regierung Einfluss zu nehmen. Wir sollten unsere Zusammenarbeit also nicht beenden, sondern eher noch enger zusammenarbeiten. Jetzt vor allem, um humanitäre Hilfe zurück in den Gaza-Streifen zu bringen."

Hitzige Debatten über Israel in der EU

Mit einem möglichen Waffenembargo gegen Israel wurde der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) am Montag bei einem Besuch in Spanien konfrontiert. Die dortige Regierung hatte sich schon lange für ein Ende von Waffenlieferungen an Israel eingesetzt.

Wadephul ging das offenbar zu weit. Er sagte nach seinem Treffen mit seinem spanischen Amtskollegen Albares: "Niemand sagt, dass die jetzige Situation akzeptabel ist und länger hingenommen werden könnte. Auch Deutschland nicht."

Deutschland unter Druck auch in Spanien: Außenminister Johann Wadephul und sein spanischer Kollege José Manuel Albares in MadridBild: PIERRE-PHILIPPE MARCOU/AFP/Getty Images

Unterstützung bekam Wadephul von den oppositionellen Grünen. Auch deren Vorsitzender Felix Banaszak ist gegen einen kompletten Stopp der Waffenlieferungen an Israel. Er sagte am Montag im Fernsehsender "RTL": "Dieses Land ist seit seiner Gründung existenziell bedroht. Und überall drumherum sind Staaten, die es nicht gut mit diesem Land meinen. Gegenüber einer solchen Bedrohung darf Israel nicht schutzlos ausgeliefert sein. Und dazu gehört auch, sich verteidigen zu müssen:" Als Beispiel nannte er Angriffe aus dem Iran.

Noch verschärft Deutschland nur den Ton gegenüber Israel

Das scheint offenbar mittelfristig auch die deutsche Regierungsposition zu bleiben, bei aller neuen Schärfe im Ton gegenüber der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Ihn hatte Merz - vor seiner Wahl zum neuen Bundeskanzler - nach Deutschland eingeladen, wohl wissend, dass der "Internationale Strafgerichtshof" in Den Haag im Herbst 2024 einen Haftbefehl gegen Netanjahu erlassen hatte. Den müsste auch Deutschland umsetzen, wenn Israels Premier tatsächlich käme. Die Einladung nach Deutschland hat Merz allerdings nach seiner Wahl zum Bundeskanzler nicht wiederholt.

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