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Politik

Deutschland und Polen, so nah, so fern

Wojciech Szymanski
23. Oktober 2018

Bei dem Treffen der Präsidenten Polens und Deutschlands in Berlin hob man die Gemeinsamkeiten hervor. Dass die Länder aber einiges trennt, war schwer zu übersehen. Aus Berlin Wojciech Szymanski.

Staatsbesuch polnischer Präsident Duda Deutschland
Bild: Reuters/F. Bensch

Polens Präsident in Berlin

02:15

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Eigentlich lag der Anlass des Besuchs des polnischen Präsidenten Andrzej Duda in Berlin 100 Jahre zurück: Polen feiert den Jahrestag des Wiedererlangens der Unabhängigkeit. Im November 1918 erschien das Land wieder auf der europäischen Landkarte - nach 123 Jahren der Besatzung, unter anderem durch Preußen und später das Deutsche Kaiserreich. Schon im Juni war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Besuch in Polen, jetzt stattete ihm der polnische Präsident den Gegenbesuch ab.

Doch die Geschichte spielte kaum eine Rolle bei den Gesprächen in Berlin. Zu viele aktuelle Themen brennen Warschau und Berlin auf den Nägeln. Der Streit mit der EU über die Entwicklung der Rechtstaatlichkeit in Polen, der umstrittene Bau der Nord Stream 2-Pipeline oder die polnischen Debatten über Reparationsforderungen für den zweiten Weltkrieg bestimmten die Agenda.

Besonders die Reform der polnischen Justiz, die aus Sicht der EU-Kommission den Rechtsstaat in Polen aushebelt, macht auch Deutschland Sorgen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte bei der gemeinsamen Pressekonferenz, die EU brauche dringend ein starkes, demokratisches, proeuropäisches Polen, um die Krisen in Europa bewältigen zu können. Noch deutlicher fiel sein Wunsch aus, die polnische Regierung würde einen Weg des Umgangs mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes finden, der die europäische Rechtsprechung respektiere. Erst vor ein paar Tagen erließ der EUGH eine einstweilige Anordnung gegen Polen. Das Land muss die umstrittene Zwangspensionierung von Richtern mit sofortiger Wirkung stoppen. Ob Warschau das tatsächlich tut, bleibt offen. Sollte Polen die Entscheidung ignorieren, würde das den Streit mit Brüssel allerdings auf eine neue Ebene heben und polnische Zugehörigkeit zum europäischen Rechtsraum in Frage stellen.

Dauerhaftes Streitthema: Der Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2Bild: picture-alliance/dpa/U. Baumgarten

Der polnische Präsident hingegen verpasste die Gelegenheit nicht, Deutschland für den Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 zu kritisieren. Das Projekt, das einen direkten Weg für die Gas-Importe aus Russland nach Deutschland schaffe, gefährde die Sicherheit mittel- und osteuropäischer Staaten bei der Energieversorgung. "Wir halten daran fest, dass es sich hier um ein politisches und strategisches Projekt handelt, nicht um ein wirtschaftliches", sagte Duda.

"Uns verbindet mehr, als uns trennt"

Trotz dieser Unstimmigkeiten gaben sich die beiden Präsidenten Mühe, die Gemeinsamkeiten zu betonen und auf die Tiefe der Beziehungen hinzuweisen. "Uns verbindet viel mehr, als uns trennt", sagte Steinmeier. Duda meinte, die Zusammenarbeit würde Jahr für Jahr besser.

Ungemütlich wurde es allerdings bei einer Diskussionsrunde im Rahmen des in Berlin stattfindenden Deutsch-Polnischen Forums. Als der polnische Präsident von einem deutschen Journalisten nach der Beschränkung der Freiheit der öffentlich-rechtlichen Medien in Polen fragte, antwortete der Politiker mit einer harschen Bemerkung über die Arbeit der deutschen Medien: "Würden in Polen Frauen vergewaltigt, würden die polnischen Medien darüber sofort und ausführlich informieren", sagte er im klaren Bezug auf die Vorfälle in Köln in der Silvesternacht 2015/16 und die fehlende Berichterstattung in den darauffolgenden Tagen.

Auch der Ton gegenüber der EU wurde etwas rauer. Polen wolle nicht Positionen anderer, größerer Staaten aufgezwungen bekommen, meinte Duda: "Wir wollen nicht Vasallen sein."

Andrzej Duda (l.) und Frank-Walter Steinmeier - vereint und doch nicht einigBild: Getty Images/S. Gallup

Abkühlung im Osten

Die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen gelten als eng, haben aber nach dem Regierungswechsel in Warschau im Herbst 2015 viel an Wärme eingebüßt. Die konservative PiS-Partei ließ Berlin bei dem Versuch, Flüchtlinge in Europa zu verteilen, abblitzen und machte Polen zu einem der größten Gegner der Migrationspolitik von Angela Merkel. Ungeachtet aller Kritik aus Brüssel treibt die polnische Regierung die hoch umstrittene Justizreform voran. Die öffentlich-rechtlichen Medien, die unter der Kontrolle der PiS stehen, schüren antideutsche Ressentiments.

Die politischen Spannungen scheinen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der beiden Länder aber nicht zu schaden. Mit mehr als 110 Milliarden Euro Umsatz ist Polen der siebtgrößte Handelspartner Deutschlands, Tendenz steigend. Und die Ergebnisse des letzten deutsch-polnischen Barometers zeigen, dass die Sympathiewerte auf beiden Seiten stabil bleiben - in Polen sind sie sogar etwas gestiegen.