1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikNahost

Berlin als Mittler zwischen Israel und VAE

6. Oktober 2020

In Berlin trafen sich die Außenminister Israels und der VAE. Wie soll es nach dem kürzlich unterzeichneten Normalisierungsabkommen weitergehen? Deutschland sieht sich als Mittler.

Deutschland Maas empfängt Außenminister Israels und der Emirate
Heiko Maas mit den Außenministern Israels und der Emirate am Holocaust Mahnmal in BerlinBild: Michele Tantussi/Reuters-Pool/dpa/picture-alliance

Auf den Besuch des Mahnmals folgte ein eindeutiges Bekenntnis. "Never again" ("nie wieder"), schrieb der Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Abdullah bin Zayed Al Nahyan, in das offizielle Gästebuch des dem Monument angeschlossenen Informationszentrums. Zuvor hatten er und sein israelischer Amtskollege Gabi Aschkenasi in Begleitung von Bundesaußenminister Heiko Maas das Stelenfeld besucht, das an die Ermordung von sechs Millionen Juden durch das deutsche NS-Regime erinnert.

Der Eintrag ist ein starker symbolischer Akt, der das neue Verhältnis zwischen Israel und den VAE (wie auch Bahreins, dessen Außenminister allerdings nicht an dem Treffen teilnahm) dokumentiert. Mitte September hatten die Staats- und Regierungschefs der drei Länder im Weißen Haus ein überwiegend von den USA vermitteltes Normalisierungsabkommen unterzeichnet.

Die Übereinkunft hatte international enorme Aufmerksamkeit erregt. Denn obwohl sich nach Ägypten und Jordanien nun erst diese beiden Staaten entschlossen haben, ihr Verhältnis zu Israel neu zu regeln, könnte es doch Schule machen: Würden sich auch weitere Staaten der Region zu einem neuen, nicht mehr von Feindschaft geprägten Verhältnis zu Israel entscheiden, könnte der seit über 70 Jahren ungelöste Nahostkonflikt eine ganz neue Entwicklung nehmen, vielleicht sogar ein Ende finden - auch wenn es bis dahin noch ein sehr weiter Weg wäre. US-Präsident Trump hatte im Umfeld der Unterzeichnung von einem "Neuen Nahen Osten" gesprochen. Auch der  Sudan signalisiert inzwischen, wenngleich nicht ohne Druck aus Washington, seine Beziehung zum jüdischen Staat überdenken zu wollen.

Unter der Vermittlung der USA haben Israel, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate (hier alle Landesflaggen) eine Vereinbarung zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen unterzeichnetBild: picture-alliance/dpa/AP/A. Schalit

Außenminister Maas: "Chance nutzen"

Deutschland unterstützt diesen Prozess. Darum hatte Außenminister Heiko Maas seine beiden Amtskollegen aus den VAE und Israel für Dienstag zu Gesprächen nach Berlin eingeladen. "Der mutige Friedensschluss zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist seit langem die erste gute Nachricht im Nahen Osten", erklärte Maas im Vorfeld des Treffens. Zugleich sei er eine Chance für neue Bewegung im Dialog zwischen Israelis und Palästinensern. "Diese Chance gilt es zu nutzen, und Deutschland und Europa wollen dabei helfen."

Bislang allerdings waren Deutschland und die EU bei den neuen Entwicklungen in Nahost nur Zaungast, sagt die ehemalige Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, derzeit Senior Associate Fellow bei der "Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Die bisherigen Abkommen zwischen Israel und den VAE sowie Bahrein seien allein durch die USA vermittelt worden - "obwohl eine Normalisierung der Beziehungen auch im Interesse Deutschlands ist." 

Iranisch-palästinensische Freundschaft?

Kritik an dem Abkommen kam neben der Türkei vor allem aus dem Iran. "Wo bleiben euer Arabismus, wo eure Sorgen angesichts der (israelischen, Anm. d. Red.) Verbrechen in Palästina, wo euer Mitgefühl für eure palästinensischen Brüder", hatte sich der iranische Staatspräsident Hassan Rouhani wenige Tage nach dem Abkommen an die arabische Öffentlichkeit gewandt. Die VAE und Bahrain seien "Diener der USA", so Rouhani.

Sieht die Vorherrschaft des Irans in der Region bedroht: Präsident RouhaniBild: picture-alliance/ZUMAPRESS/Iranian Presidency

Für Iran gehe es vor allem um die schiitische Vorherrschaft in der Region, sagt Müller. "Die Frage eines eigenen Staates für die sunnitischen Palästinenser ist immer nur instrumentell gewesen." Wenn es dem Mullahregime nach innen oder nach außen nutze, um damit sowohl gegen den Westen, die USA und Israel als auch die sunnitischen Nachbarstaaten zu hetzen, spiele man sich bereitwillig zum Freund der Palästinenser auf. Doch im Kern sei ein solcher Staat nicht im Interesse des Regimes. "Die Palästinenser sind also gut beraten, sich von solch zweifelhaften 'Freundschaftsbekundungen' nicht täuschen zu lassen."

Denn letztlich würde ein solches Bündnis ihnen nicht helfen. Stattdessen würden die Aussichten auf einen eigenen Staat endgültig zwischen den schiitischen und sunnitischen Machtinteressen der Region zerrieben. "Die Palästinenser müssen daher endlich eine realistische Strategie entwickeln, zum Beispiel gemeinsam mit Europa und Deutschland, wie sie ihren Interessen noch Gehör verschaffen können."

"Emiratis haben den Palästinensern nicht den Rücken gekehrt"

Derweil stellen Israel und die VAE das Abkommen als in erster Linie pragmatischen Schritt dar. Die Bevölkerungen in den arabischen Ländern wünschten sich vor allem Stabilität, ein Ende der Gewalt, und eine Perspektive für die Zukunft, hatte die neue Botschafterin der VAE in Berlin, Hafsi al-Ulama, Anfang März in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" erklärt. "Natürlich gibt es bei manchen in der arabischen Welt ein Gefühl, dass die Geschichte nicht immer gerecht war. Aber was nützt es, für immer in der Vergangenheit zu verharren?"

Palästinenser protestieren in Ramallah gegen das NormalisierungsabkommenBild: Issam Rimawi/picture-alliance/AA

Ähnlich sieht es in einem Artikel für die "Jerusalem Post" die Polit-Analystin Ruth Wassermann Landes. Man solle sich nicht täuschen, schreibt sie: "Die Emiratis haben den Palästinensern nicht den Rücken zugekehrt. Weder offiziell noch in sonst einer Weise. Sie waren einfach nicht mehr willens, zu denjenigen in der Region zu gehören, die ihr Schicksal an die Vergangenheit  knüpften. Stattdessen zogen sie es mutig vor, durch gutes Beispiel zu führen, indem sie in Riesenschritten in Richtung der kommenden 50 Jahre liefen."

Der Feind meines Feindes ..

Zugleich allerdings haben sowohl Israel als auch die VAE - der bedeutendste Partner Saudi-Arabiens, des größten Konkurrenten Irans in der Region - ein höchst angespanntes bis offen feindlichesVerhältnis zu Iran. Doch dies habe bei dem Normalisierungsabkommen keine Rolle gespielt, sagte Hafsi al-Ulama im Interview mit der "Welt". Es treffe aber zu, dass der Iran ein Instabilitätsfaktor in der Region sei. Ziel der Revolutionsgarden sei der Export der iranischen Revolution. "Dieser Instabilität wollen wir mit unserem Friedensschluss etwas entgegensetzen."

Tatsächlich habe Iran den eigentlichen Kern der Abkommen genau verstanden, sagt Müller. "Hier soll ein Bündnis der sunnitischen Staaten, Israels und der USA gegen Iran geschmiedet werden, um die Vorherrschaft Irans in der Region zurückzudrängen." Dieses Ziel habe letztlich auch der Iran-Deal verfolgt. Doch sei diese Eindämmungsstrategie an verschiedenen Faktoren gescheitert. Dennoch sei es weiter im Interesse Deutschlands und der EU, ein Wettrüsten zwischen den arabischen Staaten und Iran zu verhindern. "Diese Gefahr besteht aber leider nach wie vor." Deutschland ist gefordert. Der Frieden in Nahost lässt sich gegen die Interessen Irans kaum erreichen.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika